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Litauen setzt auf Flüssiggas
Energieunabhängigkeit von Russland angestrebt

Vor 25 Jahren wurden Estland, Lettland und Litauen unabhängig von der damaligen Sowjetunion. Energiepolitisch blieben sie aber auf den großen Nachbarn angewiesen - bis in Litauen vor anderthalb Jahren der erste Flüssiggasterminal gebaut wurde. Mit Unterstützung der EU.

Von Birgit Johannsmeier | 04.05.2016
    Kaum geht der Flüssiggastanker in der litauischen Hafenstadt Klaipeda vor Anker, lässt sich Mantas Bartuska gleich in die Mitte des Hafenbeckens fahren. Mit dem Patrouillenboot will der Geschäftsführer von Klaipeda Nafta kontrollieren, wie das Flüssiggas reibungslos in das schwimmende LNG Terminal umgeladen wird. Ein riesiger Koloss aus blauem Stahl, der den Namen "Independence" – "Unabhängigkeit" trägt. Denn früher war Litauen völlig von russischem Gas abhängig, das über Land durch Pipelines kam. Seit einem Jahr aber wird flüssiges Erdgas von Tankern aus Norwegen geliefert und vom Hafen - Terminal ins Pipelinenetz eingespeist. Mantas Bartuska:
    "Unser LNG Terminal stellt die Situation in allen baltischen Ländern auf den Kopf. Bisher waren wir in Europa völlig isoliert und von Russland abhängig. Jetzt aber können wir besser mit Gazprom verhandeln und den Rohstoff zu günstigen Preisen auf den Erdgasmarkt bringen. Als Russland noch über ein Monopol in Litauen verfügte und wir nur über eine Pipeline Gas bekamen, haben wir 20 Prozent oft sogar 30 Prozent mehr für das Gas zahlen müssen."
    Zu viel in ein Terminal investiert?
    Gebaut wurde das LNG Terminal von der norwegischen Firma Höegh, die es vorerst für zehn Jahre an den litauischen Betreiber vermietet hat. Mit einem Volumen von mehr als vier Milliarden Kubikmeter Flüssiggas pro Jahr sei die Anlage allerdings viel zu groß und zu teuer, kritisiert Linas Balsys, Vorsitzender der Energie Kommission im Litauischen Parlament.
    "Wir sind sehr froh, vom russischen Gasmarkt unabhängig zu sein. Wir wollen allerdings von allen fossilen Brennstoffen unabhängig werden. Bereits heute befeuern 90 Prozent unserer Gemeinden ihre Heizkraftwerke nicht mehr mit Gas, sondern mit Biomasse. Wir haben also viel zu viel in ein Terminal investiert, das wir in Zukunft gar nicht benötigen."
    Der litauische Gasimporteur "Litgas" verfolge allerdings eine andere Strategie, erklärt Vorstandsmitglied Dominykas Tuckus. Denn vom LNG-Terminal wird das Gas durch unterirdische Leitungen mit jenen großen Pipelines vernetzt, die bis zu den Nachbarn Lettland und Estland führen. Während Estland bereits Gas aus Litauen bezieht, verfügt das russische Unternehmen Gazprom in Lettland noch bis zum nächsten Jahr über ein Liefer-Monopol.
    "Der nächste Schritt ist es Litauen mit Polen zu verbinden, denn Polen hat einen sehr viel größeren Markt als die baltischen Länder. Es gibt auch Überlegungen, Estland mit Finnland zu verbinden, es geht also darum den Markt zu vergrößern."
    Konkurrenz für niedrige Preise
    Obwohl Estland bereits Gas aus Litauen bezieht, soll auch im estnischen Hafen von Muuga ein kleines LNG Terminal entstehen. Einst sollten dort Kohle-Frachter ihre Ladung löschen. Je mehr Konkurrenz, desto niedriger die Preise, sagt Hafen-Chef Erik Ringmaa. Das habe der Nachbar Litauen bereits bewiesen.
    "Unser estnisches Terminal wird helfen, die Industrien rund um unseren Hafen zu entwickeln und einen alternativen Treibstoff für Schiffe anzubieten. Wir sehen, dass Flüssiggas in der Seefahrt immer gebräuchlicher wird. Und wenn wir als Hafen Flüssiggas anbieten können, dann werden wir in Zukunft noch erfolgreicher sein."
    Offiziell sehen die Litauer diese weiteren kleinen Terminals, wie sie in Estland und auch Finnland geplant werden, nicht als Konkurrenz. Sie bauen in Klaipeda sogar Bunker für das Flüssiggas, das sie dann bald rund um die Ostsee liefern wollen. Auf dem Weg zu einem großen europäischen Gasverbund will Litauen sich rechtzeitig positionieren, um später führend auf dem regionalen Markt zu werden.