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Lithium-Abbau in Südamerika
Kehrseite der Energiewende

Im Dreiländereck Bolivien, Chile, Argentinien sollen 70 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen lagern. Der Rohstoff wird gebraucht, um Elektro-Auto-Batterien herzustellen. In Zeiten der Energiewende wächst der Bedarf nach Lithium rasant. Doch dessen Abbau zerstört die Lebensgrundlage der indigenen Bevölkerung.

Von Susanne Götze | 30.04.2019
Pozuelos, ein Salzsee in Argentinien, in dem 1,5 Millionen Tonnen Lithium lagern sollen, auf einem undatierten Handout von Posco, Südkoreas größtem Stahlproduzenten
Pozuelos, ein Salzsee in Argentinien, in dem 1,5 Millionen Tonnen Lithium lagern sollen, auf einem undatierten Handout von Posco, Südkoreas größtem Stahlproduzenten (pa / Yonhap)
Die Salzwüsten von Argentinien liegen im Hochgebirge auf knapp 4.000 Metern. Die Luft ist sauerstoffarm und es ist meist kühl und trocken. Ein schneidiger Wind bläst um die nackten Gebirgshänge, aus denen meterhohe Kakteen wachsen. Die Felsenformationen schimmern farbig in der Höhensonne und nur wenige Straßen ziehen sich durch die einsame Vulkanlandschaft. Es ist die Heimat der Kollas, eines der wenigen indigenen Völker, die es noch in Südamerika gibt. Sie leben von Kunsthandwerk und Lama-Züchtung und pflegen ihre jahrtausendealte Kultur. Doch gerade haben die Kolla-Gemeinden Angst, ihre Heimat zu verlieren. Viele von ihnen sehen ihre Lebensgrundlagen in Gefahr.
"Ich hatte früher 230 Lamas, aber das war, bevor das Bergbauunternehmen hier anfing zu arbeiten. Seitdem sterben die Tiere. Die Kleinen werden geboren und sterben. Das geht schon seit zwei Jahren so. Sie kommen mit Behinderungen und Krankheiten zur Welt, mit krummen Beinen und Zysten. An denen sterben sie dann nach kurzer Zeit."
100.000 Kollas leben im sogenannten "Lithiumdreieck"
Nieves Guitian wirkt verzweifelt. Die Lama-Hirtin lebt seit ihrer Geburt vor mehr als 70 Jahren in der argentinischen Hochwüste Puna im Nordosten des Landes. Ihre schmalen dunklen Augen schauen schüchtern unter einem schwarzen Hut hervor. Guitian erzählt, wie sich ihre Heimat verändert hat, seit die ausländischen Unternehmen in ihrer Nachbarschaft Lithium abbauen.
"Mit den Unternehmen kamen die großen Maschinen. Und sie kamen immer näher. Ich verstand nicht, was mit meinem Land geschah. Sie haben unglaublich viel Staub produziert und den Untergrund aufgewühlt. Wir haben auch Probleme mit dem Wasser. Die Maschinen graben die gesamte Landschaft um. Sie vertreiben die Tiere und zerstören ihre Wasserstellen."
Uyuni Salzebene in Bolivien, Arbeit mit dem Bohrer, 29. Oktober 2009
Lithium-Abbau in der Uyuni Salzebene in Bolivien, Oktober 2009 (AFP / Aizar Raldes )
Wie Nieves Guitian leben rund 100.000 Kollas an der Dreiländergrenze zwischen Chile, Bolivien und Argentinien. Die Region trägt den Namen "Lithiumdreieck", weil dort hunderttausende Tonnen des Leichtmetalls im Untergrund vermutet werden. Insgesamt sollen dort sogar 70 Prozent der weltweiten Vorkommen liegen.
10 Kilo Lithium für eine Elektro-Auto-Batterie
Lithium wird gebraucht, um Batterien herzustellen. Große Industrienationen wie die USA, China, aber auch europäische Länder wollen ihren Verkehr zunehmend auf Elektromobilität umstellen, um die Verschmutzung der Städte aufzuhalten und das Klima zu schützen. Für Fahrzeuge, die mit Strom fahren statt mit Diesel oder Benzin, benötigt man Lithium-Ionen-Batterien. Rund zehn Kilo Lithium brauchen die Hersteller für eine einzige Elektro-Auto-Batterie für ein Elektroauto. Allein seit 2016 hat sich der weltweite Lithiumabbau mehr als verdoppelt und Experten schätzen, dass bis 2030 jedes Jahr mehr als 240.000 Tonnen Lithium in der Automobilindustrie gebraucht werden. Für die Ureinwohner Argentiniens dürfte dieser wachsende Lithium-Bedarf zum Problem werden.
Mit dem Abbau des Lithiums in ihrer Nachbarschaft hat sich für Nieves Guitian alles verändert. Von ihrer kleinen Farm blickt man direkt auf die Lithiumfabrik des australischen Bergbauunternehmens Orocobre.
Der Hydrologe Marcelo Sticco arbeitet für die Universität Buenos Aires und kümmert sich in seiner Freizeit um die Probleme der indigenen Gemeinschaften. Er hat auf Anfrage der Kolla-Gemeinden zwei Gutachten über die Folgen des Lithiumabbaus in der Puna verfasst.
Marcelo Sticco ist kein Umweltaktivist. Aber was hier in der Hochwüste Puna passiert, mache ihn wütend, sagt der 55-Jährige. Der feine Staub, von dem die alte Kolla-Frau berichtet und an dem ihre Lamas und die wilden Vikunjas – eine Kamelart – sterben, könnte das basische Natriumhydroxid sein, vermutet der Wissenschaftler. Das wird zur chemischen Behandlung des Lithium benötigt. Sticco nimmt an, dass die Substanz nicht innerhalb des Fabrikgebäudes gelagert wird, sondern auf freiem Gelände. Deshalb würden die feinen Staubkörner über das gesamte Gebirgsbecken verteilt.
"Mich wundert es einfach, warum diese sehr erfolgreichen Unternehmen nicht in der Lage sind, in ein Minimum von Sicherheitsmaßnahmen zu investieren. Diese Zone ist ein Naturreservat. Wilde Tiere wie die Vikunjas sind per Gesetz geschützt. Aber wenn das Wasser kontaminiert wird und die Luft verunreinigt ist, muss das vom Staat untersucht werden. Aber das passiert nicht."
Die alte Viehhirtin Nieves Guitian zeigt uns eine Wasserstelle, aus der ihre Lamas normalerweise trinken. Es sind zwei kleine Wasserlachen zu sehen, der Boden darum herum ist aufgewühlt, überall ziehen sich die neu angelegten Transportwege für die LKW durch die Landschaft.
Kontamination des Süßwassers
"Das Problem ist, dass die Maschinen den Untergrund komplett umpflügen, um neue Brunnen oder Transportwege zu bauen. Dadurch zerstören sie die natürlichen Barrieren zwischen Salz- und Süßwasser und kontaminieren das Wasser. Zudem bohren sie nach Süßwasser für die Lithiumproduktion. Aber das hat Folgen für die Brunnen der Anwohner und die natürlichen Grundwasservorkommen. Und niemand sieht das hier. Das macht mich wütend! Es ist zum Verzweifeln."
Salzsee Hombre Muerto, Provinz Catamarca, Region Antofagasta de la Sierra, einer wichtigen Region zum Abbau von Lithium
Salzsee Hombre Muerto, Provinz Catamarca, Region Antofagasta de la Sierra, einer wichtigen Region zum Abbau von Lithium (imago / Jutta Riegel)
Der Hydrologe holt ein Messgerät heraus und prüft den Salzgehalt der beiden Wasserstellen. Die eine enthält Trinkwasser. Die andere enthält so viel Salz, dass das Messgerät den genauen Wert nicht mehr anzeigen kann. Marcelo Sticco ist besorgt. Seine schlimmsten Befürchtungen haben sich bestätigt.
"Im Jahr 2012 habe ich zusammen mit Kollegen die erste Studie zu den hydrologischen Verhältnissen in der Kolla-Region gemacht. Wir fanden heraus, dass eine Kontamination des Süßwassers durch die Lithiumproduktion sehr wahrscheinlich ist."
Die Wissenschaftler schrieben damals Briefe an Unternehmen und Ministerien, hielten Vorträge und warnten vor einem Exodus aus der Region. Doch die Resonanz war mager. Marcelo Sticco ist bis heute einer der wenigen unabhängigen Hydrologen, die sich mit der Lithium-Förderung in der Region und den Folgen für die Süßwasservorräte beschäftigen.
"Wir sind hier in einer ariden Region, in der es unterdurchschnittlich regnet. Von dem wenigen Regen dringen nur rund fünf Prozent überhaupt in die Erde ein. Diese unterirdischen Reserven haben sich über Jahrtausende hinweg gebildet. Das Problem ist, dass Salzwasser und Süßwasser in dieser Region in einem fragilen natürlichen Gleichgewicht vorkommen. Durch die Lithium-Produktion sinkt der natürliche Wasserspiegel ab. Und dadurch mischt sich das Salzwasser mit dem Süßwasser. Diese Kontamination ist irreversibel, die Region verliert unwiederbringlich ihre Trinkwasserreserven."
Nach Ansicht des Hydrologen könnten die Süßwasserverluste das Leben in der Region schon bald unmöglich machen. Das Bergbauunternehmen Sales Jujuy ist einer der führenden Lithiumförderer in der Region – ein Konsortium, zu dem das australische Unternehmen Orocobre und der japanische Autohersteller Toyota gehören. Für die Förderung der Salzmasse aus dem Untergrund benötigt Sales Jujuy nach eigenen Angaben bis zu 80.000 Liter Frischwasser pro Stunde. Anschließend wird die Salzlake in Fußballfelder-große Becken gepumpt, wo sie verdunstet.
Das Leerlaufen und Versalzen der natürlichen Süßwasservorkommen wird in den Umweltfolgenberichten der Unternehmen nicht erwähnt. Der kanadische Bergbaukonzern Lithium Americas, der seine Bohrlöcher gleich neben Sales Jujuy hat, erklärt auf Anfrage, man höre von dem Wasser-Problem zum ersten Mal. Lithium Americas hat auch den deutschen Autohersteller BMW unter Vertrag. Während BMW aber nur Abnehmer von Lithium ist, fördert der japanische Autohersteller Toyota das Lithium selbst. Zu einem Interview für diese Sendung war bei Sales Juyjuy und auch bei Toyota niemand bereit.
24 Millionen Dollar Netto-Gewinn in sechs Monaten
Dabei brummt das Geschäft mit dem Lithium. Das zeigte sich einmal mehr im Februar, als der Chef des australischen Bergbau-Unternehmens Orocobre, Martín Perez de Solay, den Halbjahresbericht vorstellte:
"Das war wieder ein sehr starkes halbes Jahr aufgrund einer guten Gewinnspanne von 8.000 Dollar pro Tonne Lithium. Das hat uns Einnahmen von 63 Millionen US-Dollar ermöglicht. Der Preis für Lithium liegt bei 12.295 Dollar pro Tonne."
Lithiumkarbonat aus der Uyuni Salzebene südlich von La Paz, Bolivion, 17. August 2017
Lithiumkarbonat aus der Uyuni Salzebene südlich von La Paz, Bolivion (AFP / Aizar Raldes )
Orocobre machte in sechs Monaten einen Netto-Gewinn von 24 Millionen Dollar. Ein Interview oder eine Betriebsbesichtigung für diese Sendung lehnte das Unternehmen ab. Zwei Monate nach der Anfrage erklärte ein Firmen-Sprecher per E-Mail:
"Sales de Jujuy hat ein aktives und gut ausgestattetes ‚Shared Value‘-Programm für eine nachhaltige Entwicklung der lokalen Gemeinden. Wir stärken die Gemeinden durch Weiterbildung und ermutigen sie, an diesen Aktivitäten teilzunehmen."
Während die katastrophalen Bedingungen bei der Kobaltproduktion in Ländern wie dem Kongo bekannt sind, gilt die Lithiumproduktion im Allgemeinen als ökologisch verträglich. Grund dafür ist die sogenannte "energiesparende Verdunstungstechnik", mit der das aus den Salzebenen extrahierte Lithium gewonnen wird. Der Wasserverlust spielt dabei oft eine untergeordnete Rolle. Dabei geht der Lithium-Boom auch in Deutschland gerade erst richtig los.
"Wir erleben im Augenblick, dass der Bedarf an mobilen und stationären Stromspeichern rasant wächst. Batterieproduktion wird ein wesentlicher Teil der industriellen Wertschöpfungskette weltweit. Weil Batterieanwendungen eben im Rahmen der Energiewende, im Rahmen der Elektromobilität aber auch in vielen anderen industriellen Bereichen zum Normalfall werden."
So Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU auf der Vernetzungskonferenz Elektromobilität im November vergangenen Jahres. Die Bundesregierung will eine Milliarde Euro in die Batteriezellenfertigung investieren.
Standards bei der Lithiumproduktion einfordern
Einer, der sich schon früh mit den Schattenseiten der Batterieproduktion beschäftigt hat, ist Matthias Buchert vom Öko-Institut. In einem Bericht für die die Denkfabrik Agora Energiewende plädiert der promovierte Chemiker für ökologische Standards bei der Lithiumförderung.
"Die Automobilindustrie ist hier in der Verantwortung. Wenn sich die Autogiganten wie VW, BMW, Toyota oder Daimler zusammenschließen, hätten sie die nötige Nachfragemacht, um anspruchsvolle Standards bei der Lithiumproduktion einzufordern."
Nachhaltigkeitsforscher Matthias Buchert schätzt, dass es in den kommenden Jahren ein "Wettrennen" um die Lithiumproduktion geben könnte: Selbst in europäischen Ländern wie Portugal und auch in Deutschland würden Unternehmen nach Lithiumvorkommen suchen.
Die größten Vorräte liegen aber in Südamerika – und die Nachfrage steigt rasant. Deshalb wollen Bergbaukonzerne die Produktion in Argentinien so schnell wie möglich ausweiten. Auch deshalb sind die indigenen Kolla-Gemeinden in der Nachbarschaft alarmiert.
Seit ein paar Monaten organisieren sich die Kolla-Gemeinden, um gegen die Bergbau-Unternehmen vorzugehen. An einem sonnigen Tag im März kommen rund 20 Vertreter der umliegenden Dörfer in Tusaquilla zusammen. Der 200-Seelen-Ort liegt rund 40 Minuten Fahrzeit von der Lithiumfabrik in Olaroz entfernt. Es sind die hartnäckigsten Gegner der Lithiumproduktion. Sie haben auf einer Nachbar-Salzebene – Salinas Grandes genannt – bisher die kommerzielle Förderung verhindert.
Der gewählte Gemeindesprecher der Kolla, Clemente Flores, eröffnet die Versammlung. Heute hören die Vertreter der Gemeinden einen Vortrag von Marcelo Sticco, dem Hydrologen aus Buenos Aires. Was sie zu hören bekommen, empört die Kolla-Vertreter. Sie sind fassungslos, dass weder Unternehmen noch Politik sie vor den Folgen warnen. Ihr Sprecher, Clemente Flores, hat die Proteste der vergangenen Woche organisiert. Damit stoppten die Gemeinschaften die Testbohrungen eines kanadischen Unternehmens – zumindest temporär.
"Der Wechsel zum Elektroauto wird uns umbringen"
"Wir waren zuerst einfach unzufrieden damit, dass man uns nicht fragte. Es gab keine offizielle Konsultation der Gemeinden, die sogar nach internationalem Recht vorgeschrieben ist. Das Einzige, was wir wirklich wussten, war: Der Staat will Batterien. Aber wir können keine Batterien essen. Wir essen das, was wir hier anbauen."
Auf die Straßenblockaden und Demonstrationen gegen die Investoren reagierte die Regierung bislang nicht. Der lokale Gouverneur erklärte die Lithiumproduktion sogar zur wirtschaftlichen Schlüsselindustrie der Zukunft. Clemente Flores, der Wortführer von insgesamt 33 Gemeinden in Salinas Grandes, will die Lithiumproduktion verhindern. Und er hat auch eine Botschaft für Europa:
"Der Abbau von Lithium für Europa und der Wechsel zum Elektroauto wird unsere Gemeinden und unsere Landschaft umbringen. Und bisher kannten wir hier keine Autos. Schon gar keine Elektroautos – die kennen wir nur vom Foto. Ihr glaubt, damit könnt ihr die Menschheit retten, aber ihr werdet uns alle umbringen."
Sollten die Voraussagen des Hydrologen Marcelo Sticco eintreffen, verlieren Clemente Flores und seine Gemeindemitglieder alles, was sie haben. Denn ohne Süßwasser können sie keine Lamas halten und keine Landwirtschaft betreiben. Sie müssten ihre Heimat verlassen, die ihre Vorfahren seit Tausenden Jahren bewohnen.
Alternative Verfahren wären möglich
Die derzeitige Verdunstungstechnologie, die zum Lithiumabbau genutzt wird, führt auch in anderen Ländern wie Chile zu Problemen. Dort protestiert das Volk der Atacameños gegen den massiven Wasserverbrauch in der angrenzenden Atacamawüste. Dabei gäbe es sogar Alternativen. Ein kanadisches Unternehmen stellte kürzlich eine Technologie vor, bei der das Lithium mit Hilfe von Nanotechnologie direkt aus der Flüssigkeit extrahiert und das Restwasser zurück in den Untergrund gepumpt wird. So wird das problematische Absinken des Wasserspiegels verhindert, und die Trinkwasserreserven bleiben erhalten.
"Die Unternehmen machen mit der alten Technologie viel Profit. Deshalb halten sie auch an ihr fest. Sie proklamieren sogar, dass diese am ökologischsten ist, weil sie ja auf Verdunstung basiert. In den Finanzberichten der Unternehmen gibt es keinen Hinweis darauf, dass sie in die neuen Verfahren investieren."
Ein bolivianischer Arbeiter beim Lithium-Abbau
Ein bolivianischer Arbeiter beim Lithium-Abbau (picture alliance / dpa / Javier Mamani)
Auch ein deutsches Unternehmen will demnächst in Bolivien Lithium abbauen. Das baden-württembergische Unternehmen ACISA kündigte im November an, zusammen mit einem bolivianischen Staatskonzern ab 2022 Lithium zu gewinnen. Ein Unternehmenssprecher antwortete schriftlich auf Anfrage des Deutschlandfunks, dass die Gewinnung hundertprozentig nachhaltig sei, da es sich in Bolivien um eine sogenannte "Restsole" aus dem Salzabbau handle. Dank einer neuen, eigens für das Projekt entwickelten Technologie werde zudem das Wasser zurückgewonnen. Der Hydrologe Marcelo Sticco hält diese Technologie für zukunftstauglich:
"Ich bin nicht generell gegen den Ressourcenabbau oder die Lithiumgewinnung. Wir brauchen das Lithium für die Energiewende – aber wir müssen auch darauf achten, wie es gefördert wird."
In Argentinien zeichnet sich bei der Lithiumförderung jedoch keine Trendwende ab. Beim sogenannten nationalen Lithiumtisch, einem hochrangigen Treffen von Ministern und Regionalpolitikern, kündigte Argentiniens Präsident Mauricio Macri an, dass in den nächsten vier Jahren 100.000 Tonnen Lithium in der Puna-Region gefördert werden sollen. Derzeit liegt die Jahresproduktion von Lithium weltweit bei 70.000 Tonnen.
Indigene Gemeinden mit einbeziehen
Die Kolla-Gemeinden empfinden Macris Pläne als Kampfansage. Sie haben bereits vor der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte gegen die Lizenzvergaben des argentinischen Staates geklagt. Grundlage dafür ist ein Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Demnach müssen Unternehmen und Politik indigene Gemeinschaften ausreichend über kommerzielle Vorhaben informieren und über die Folgen aufklären.
Alicia Chalabe vertritt die Kolla-Gemeinden vor Gericht: "Laut ILO 169 haben die indigenen Gemeinden ein Recht auf Konsultation, wenn Unternehmen auf ihrem Land Projekte durchführen wollen. Das wurde von der lokalen Regierung aber nie durchgesetzt. Es geht darum, die Gemeinden vor der Erlaubnis einer Bohrung in den Prozess miteinzubeziehen – das ist in Salinas Grandes nicht passiert."
Die Umweltanwältin liegt seit Jahren im juristischen Streit mit den Behörden. Die letzte Hoffnung ist nun die Auslegung des internationalen Rechts. Der Prozess kann allerdings noch Jahre dauern. Alicia Chalabe ist pessimistisch:
"Es wird auf jeden Fall zu einem Konflikt kommen. Bisher war dieser nur juristisch – aber nun ist alles möglich. Die Regierung stellt sich gegen uns und ist empört über unsere Auslegung des Rechtes. Die Politiker wollen die Lithiumförderung unter allen Umständen durchsetzen. Das alles ist eine richtige Stümperei."
Bekommen die Kolla-Gemeinden Recht, könnte das die vergebenen Lizenzen zum Lithiumabbau ungültig machen. Das wäre vorerst das Ende des Lithium-Booms in Argentinien.