Samstag, 20. April 2024

Archiv

Lithiumabbau in Chile
Ökologisch und sozial schwierige Verhältnisse

Chile ist der zweitgrößte Lithiumproduzent der Welt. Doch der Abbau am Atacama-Salzsee birgt Umweltrisiken, denen besonders die indigenen Völker der Region ausgesetzt ist. Und der Profit bleibt nicht im Land, weil Chile die Industrie zur Verarbeitung des Rohstoffes fehlt. Doch das soll sich ändern.

Von Sophia Boddenberg | 16.04.2018
    Arbeiter stehen am Verdunstungsbecken der SQM im Salzsee in der Atacamawüste im Norden Chiles
    Lithium-Karbonat wird im Salzsee in der Atacamawüste im Norden Chiles gefördert (dpa / Ariel Marinkovic)
    "Lithium für Chile, nicht für Soquimich", rufen die Demonstranten in den Straßen von Santiago de Chile. Aufgefordert zu dem Protestmarsch hat eine Bewegung, die sich hauptsächlich aus Bergbaugewerkschaften zusammensetzt. Anlass für ihren Protest: Chile hat Anfang des Jahres dem privaten Bergbauunternehmen SQM, früher Soquimich, die Erlaubnis erteilt, bis 2030 Lithium abzubauen.
    Weltgrößter Lithium-Produzent in Händen der Familie Pinochet
    Das Unternehmen ist neben dem US-Konzern Albemarle der größte Lithium-Produzent der Welt. Einst ein staatliches Unternehmen wurde es während der Militärdiktatur unter Pinochet in den 1980er-Jahren privatisiert. Seitdem befindet es sich in Händen der Familie des ehemaligen Diktators. In den vergangenen Jahren wurde mehrfach gegen Soquimich ermittelt - wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und illegaler Wahlkampffinanzierung. Miguel Soto leitet die Bewegung "Lithium für Chile":
    "SQM sollte wieder verstaatlicht werden. Wir sagen nicht, dass keine privaten Unternehmen am Lithiumabbau teilnehmen dürfen. Natürlich können sie das. Aber der Staat muss die Kontrolle haben. Eine Ausbeutung des Atacama-Salzsees könnte eine Umweltkatastrophe verursachen. Und die indigenen Völker der Region, die Atacameños, haben sich gegen den Abbau ausgesprochen."
    Wassermangel durch Lithiumabbau
    Das Lithium-Karbonat wird im Salzsee in der Atacamawüste im Norden des Landes gefördert. Das mineralhaltige Grundwasser wird in riesige Becken gepumpt. Dort verdunstet es bei hoher Sonneneinstrahlung. Übrig bleibt eine Salzkruste - aus der durch einen chemischen Prozess das Lithium-Karbonat erzeugt wird.
    Die Lithiumgewinnung wirke sich direkt auf die Wasserreserven aus, sagt Domingo Riuz. Er ist Biochemiker an der Universidad de Santiago. Die Förderung der Lake aus dem Grundwasser führe dazu, dass der Grundwasserspiegel sinkt, Flussläufe und Feuchtgebiete austrocknen. Die ansässige, zum Großteil indigene Bevölkerung, leide unter Wassermangel.
    "Bisher gibt es keine Regulierungen. Deshalb sind viele Menschen besorgt darüber, wie sich die steigenden Produktionsraten auf das empfindliche Ökosystem des Salar de Atacama auswirken werden."
    Privatisierte Wasserressourcen
    Chile ist außerdem das einzige Land der Welt, in dem Wasserressourcen und Wassermanagement zu 100 Prozent privatisiert sind. Das heißt, der Staat vergibt Wasser-Konzessionen an private Unternehmen wie SQM. Transparenz gibt es kaum.
    "Es gab eine Klage gegen SQM wegen der Nutzung der Wasserrechte. Aber mit dem neuen Abkommen wurden alle Klagen fallengelassen. Es wird angenommen, dass SQM weiterhin die Wasserressourcen verwaltet. Und das ist eine komplexe Situation, da das Unternehmen so die Wasserressourcen und den Lithiumabbau kontrolliert."
    Chile fehlt Industrie zur Weiterverarbeitung
    Domingo Ruiz fordert Umweltschutzregelungen von der Regierung für einen nachhaltigen Lithiumabbau. Außerdem sollte Chile langfristig auch in die Forschung investieren, um die Entwicklung einer nationalen Batterien-Industrie zu ermöglichen. Ruiz leitet eines der wenigen Laboratorien in Chile, in denen Lithium-Batterien entwickelt werden. Es besteht aus gerade mal drei Mitarbeitern.
    "Wir sind der größte Exporteur von Lithium-Karbonat. Aber das ist ein Rohstoff. Wir exportieren den Rohstoff, aber haben keine Industrie im Hinblick auf Weiterverarbeitung, Wissensproduktion und technologische Entwicklung. In dieser Hinsicht sind wir immer noch ein Dritte-Welt-Land."
    Das Abkommen mit SQM enthält zwar eine internationale Ausschreibung, die sich an Investoren richtet, die das Lithium-Karbonat innerhalb Chiles zu Kathodenmaterialien weiterverarbeiten sollen. Ausgewählt wurden aber eine chinesische und eine südkoreanische Firma, nur eine chilenische. 25 Prozent der Lithiumproduktion von SQM soll diesen Unternehmen zur Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt werden. Das sei zwar ein erster Schritt, aber es gebe noch viel zu tun, meint Domingo Ruiz.