Freitag, 19. April 2024

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Lizenzsperren
"Jeder Entwickler muss seinem Gewissen nach entscheiden"

Immer mehr Entwickler von Open-Source-Software wollen in ihren Lizenzen die militärische und geheimdienstliche Nutzung explizit untersagen. Nach Ansicht von IT-Journalist Jan Rähm ist das auch richtig so. Der Urheber habe das Recht, seine Software nach seinem Ermessen freizugeben. Es gebe in bestimmten Fällen aber Einschränkungen.

Jan Rähm im Gespräch mit Manfred Kloiber | 09.04.2016
    Eine Drohne des Typs UCAV (unmanned combat aerial vehicle) nEUROn
    Wann immer Entwickler Programme für High-Tech-Geräte entwickeln – sie müssen mit dem Dual-Use rechnen. Die Wirkung könnte tödlich sein. (afp/Bertrand Langlois)
    Manfred Kloiber: Krieg oder Frieden, Missbrauch oder Diskriminierung – die Diskussion über Lizenzsperren für Millitär und Geheimdienste ist kompliziert. Wer darf denn überhaupt über die Verwendung der Software entscheiden? Wer bestimmt, welche Lizenz aus einem ganz Strauß von verschiedenen Lizenzen für welche Software verwendet werden kann und darf?
    Jan Rähm: Der Entwickler. Und da kann ihm auch niemand reinreden. Als Urheber hat er das Recht, seine Software an wen und für was freizugeben, wie er denkt und möchte. Es gibt da allerdings auch Einschränkungen.
    Erstens, basiert seine Software auf anderer Software, kann er schon nicht mehr so frei wählen und so muss zum Beispiel GPL-lizensierte Software unter gleichen Bedingungen weitergegeben werden.
    Die zweite Einschränkung über die ein Entwickler nachdenken muss ist, wie soll meine Software weiterverwendet werden zum Beispiel mit anderer Software zusammen?
    Da können gemacht Ausschlüsse die Software inkompatibel zu anderer machen.
    Manfred Kloiber: Nun gibt es ja schon Ansätze, immaterielle Güter wie Texte, Bilder, Musik oder Videos individuell zu lizensieren. Stichwort: Creative Commons. Da kann man ja auch über einfache Zusätze die Nutzung des Guts einschränken. Wäre das auch eine Lösung für die Software-Entwicklung?
    Ein klassisches "Dual Use"-Dilemma
    Jan Rähm: Solche Überlegungen gibt es tatsächlich auch in der Entwickler-Branche, was damit aber unter Umständen entsteht, ist ein Wust von Zusätzen. Der eine untersagt militärische Nutzung, der nächste die geheimdienstliche. Wieder ein anderer möchte nicht, dass seine Software in medizinischen Produkten oder in autonomen Autos oder in der Luftfahrt eingesetzt wird, weil Fehler dort in dieser Bereichen drastische Folgen hätten. Dann aber kommt jemand, der untersagt Glaubensgruppen die Nutzung, oder Anhänger gewisser Ernährungsformen wollen so andere erziehen. Das ließe sich fröhlich weiterspinnen und sie erkennen schon, es würde ein Chaos an Einschränkungen entstehen, die im schlimmsten Fall dazu führen könnte, dass Freie und Open Source Software nicht mehr rechtlich sicher genutzt werden könnte. Ansätze davon sehen wir bei Creative Commons, wo bis heute nicht vollständig geklärt ist, was denn kommerzielle Nutzung sei, die ausgeschlossen werden kann.
    Manfred Kloiber: Es handelt sich also um ein klassisches "Dual Use"-Dilemma. Wie stehen die Diskussionsseiten zueinander?
    Jan Rähm: In den Gesprächen ist mir aufgefallen, jede Seite ist offen für die Argumente der anderen. Da wird eingeräumt, dass die Einschränkung, keine Menschen mit einer Software zu töten, durchaus konsensfähig ist.
    Beide Seiten haben gute Argumente
    Allerdings, auch das räumen beide Seiten ein, sei es sehr schwer, eine Abgrenzung vorzunehmen zwischen legitimen militärischen Einsatz und Missbrauch. So seien beispielsweise humanitäre Einsätze von Streitkräften so ein Fall im Graubereich. Außerdem wolle man ja, dass staatliche Stellen mehr auf Open Source und Freie Software setzen, aber eben nicht zu Überwachung von Menschen oder gar zum Töten von Menschen.
    Manfred Kloiber: Beide Seiten haben also gute Argumente – und die Aussichten auf eine schnelle Aussicht sind mau: Können Sie ein Fazit ziehen?
    Jan Rähm: Letztendlich muss jeder Entwickler für sich und seinem Gewissen nach entscheiden. Manchmal Überwiegen moralische, finanzielle oder ideelle Interessen. Zu Bedenken ist nur, ob man sich und seinen Standpunkt damit nicht eventuell überhöht und jemandem anderen seine Meinung, seine Werte aufzwingt.