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"Loi Macron"
Bewährungsprobe für Frankreichs Reformbereitschaft

Dem neuen französischen Wirtschaftsminister Emmanuel Macron steht die erste Feuertaufe bevor. Heute stimmt das Parlament über sein Gesetz für längere Ladenöffnungszeiten ab, über unkompliziertere Arbeitsgerichtsverfahren und mehr Konkurrenz in geschützten Berufen. So unterschiedlich die Vorhaben, so unterschiedlich sind die Gegner.

Von Anne Raith | 17.02.2015
    Frankreichs Wirtschaftminister Emmanuel Macron, im Hintergrund eine Fahne
    Macrons Gesetz ist ein breit angelegter Liberalisierungsversuch. (dpa / picture alliance / Etienne Laurent)
    Am Ende kam der größte Widerstand aus den eigenen Reihen. Wirtschaftsminister Macron musste sich im Halbrund der Assemblée Nationale gegen die Abgeordneten der eigenen Partei verteidigen. Nicht nur Pascal Cherki vom linken Flügel der Sozialistischen Partei war in Rage, auch Christian Paul mahnte:
    "Wenn Sie Artikel 80 zurückziehen, Herr Minister, und ich sagen Ihnen das in aller Offenheit, können wir mit Blick auf diesen Text ein entspannteres Verhältnis finden."
    Doch viel entspannter sollte es nicht werden, im Streit um den Punkt auf der Tagesordnung, der zumindest in der Öffentlichkeit und innerhalb der regierenden Sozialistischen Partei besonders kontroverses diskutiert wurde: Die Neuregelung der Sonntagsarbeit. Emmanuel Macron verteidigte sein Vorhaben und setzte sich am Ende durch. Künftig dürfen Geschäfte statt bislang an fünf an zwölf Sonntagen im Jahr öffnen, in speziell ausgewiesenen touristischen Gebieten gilt diese Möglichkeit sogar für alle 52 Sonntage im Jahr. Erschöpft wandte sich Macron am Ende der über 100-stündigen Beratungen an die Abgeordneten:
    "Es ist kein Geheimnis, dass das mein erster Gesetzestext ist, der hier beraten wurde, vielen Dank, dass Sie mich dabei begleitet haben. Der Text war am Anfang sicherlich nicht perfekt, ich bin überzeugt davon, dass er jetzt besser und, am Ende, gar nicht schlecht ist."
    3.000 Änderungsanträge
    Die Abstimmung über das "Gesetz zur Förderung von Aktivität, Wachstum und wirtschaftlicher Chancengleichheit", das als "Loi Macron" den Namen des Wirtschaftsministers trägt, ist die Feuertaufe für den noch jungen Minister und ehemaligen Banker. Ein breit angelegter Liberalisierungsversuch, der verkrustete Strukturen aufbrechen und die französische Wirtschaft ankurbeln soll. Ein Gesetz der kleinen Schritte, denn für große fehlt es - je nach Perspektive - an Mut oder Unterstützung. 3.000 Änderungsanträge wurden eingereicht, am Ende umfasst das Gesetzespaket über 200 Artikel.
    Das Gesetz, das symbolträchtig von Premierminister Valls und allen zuständigen Ministern vorgestellt wurde, umfasst ein ganzes Bündel von Maßnahmen: Neben längeren Ladenöffnungszeiten und Sonntagsarbeit geht es vor allem um schnellere und unkompliziertere Arbeitsgerichtsverfahren, um mehr Konkurrenz beim Fernbusverkehr oder in bislang geschützten Berufen wie denen der Notare oder Anwälte.
    So unterschiedlich die Vorhaben, so unterschiedlich sind auch ihre Gegner. Am lautesten haben die Fahrlehrer demonstriert, in dem sie hupend und im Schneckentempo den Pariser Verkehr lahmlegten. Auch Notare, Anwälte und Gerichtsvollzieher sind auf die Straße gegangen.
    Kritik auch aus den eigenen Reihen
    Trotz genereller Zuversicht bleibt spannend, mit welcher Mehrheit der 37-jährige Minister sein Gesetzespaket an diesem Dienstag durchs Parlament bringen wird. Denn der linke Flügel der Sozialisten ist noch immer skeptisch - der ehemalige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Benoît Hamon, zum Beispiel kündigte an, gegen das Gesetz zu stimmen:
    "Je ne voterai pas ce loi, je voterai contre."
    Und auch die oppositionelle UMP wird wohl zu großen Teilen mit "Nein" votieren, wie der ehemalige Arbeitsminister Eric Woerth:
    "Wir brauchen keine kleinen Schritte, Frankreich braucht große Schritte, Ehrgeiz, Reformen. Und was machen wir? Wir verlieren uns im Kleinklein. Das ist Zeitverschwendung - und wir haben keine Zeit mehr!"
    Auch Alain Juppé, Bürgermeister von Bordeaux und einer der UMP-Präsidentschaftskandidaten der Partei war dem Vorhaben zunächst nicht abgeneigt. Er moniert nun: So werde Frankreich kein neues Vertrauen entgegengebracht.
    Denn auch darum geht es: Die "Loi Macron" soll ein Signal sein an die Europäische Kommission, für die das Gesetz der Lackmustest der französischen Reformbereitschaft ist. Diesen Beweis will Emmanuel Macron liefern - dämpft aber auch die Erwartungen. Gesetze wie diese, seien sie noch so kleinteilig, würden sich eher mittel- bis langfristig auswirken. "Wunder darf man nicht erwarten", kommentierte auch Regierungschef Manuel Valls anlässlich der letzten, erneut desaströsen Arbeitslosenzahlen. Doch mit dem "Gesetz zur Förderung von Aktivität, Wachstum und wirtschaftlicher Chancengleichheit" soll es nicht getan sein - aus dem Umfeld des Ministers ist zu hören, dass man sich derzeit eng mit der deutschen SPD abstimme und sich erkundige, was diese bei der Arbeitsmarktreform im Nachhinein anders gemacht hätte.