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Lokaljournalismus in den USA
"Leser mit Qualität locken"

Redaktionen verkleinern und Kosten reduzieren - auch US-amerikanische Zeitungsverlage sehen in solchen Maßnahmen ihre einzige Überlebensstrategie. Doch die Verantwortlichen einer Lokalzeitung aus Neuengland hoffen auf eine andere Zukunft in der Branche. Sie investieren in guten Journalismus.

Von Jürgen Kalwa | 28.05.2018
    Ein Zeitungsstand, aufgenommen am 22.05.2012 in Chicago, Illinois/USA.
    Die Macher des "Berkshire Eagle" glauben an die Zukunft der Print-Branche. (dpa-Zentralbild/ Peer Grimm)
    Ein Wochentag in dem alten Fabrikgebäude an der South Church Street in Pittsfield/Massachusetts: Eine große Rotationsmaschine spuckt die ersten Zeitungsteile aus. Der Lärm klingt alten Medienleuten wie Musik in den Ohren. Denn er signalisiert einen letzten Rest von Hoffnung: Print lebt. Oder sagen wir besser: Lebt noch immer. Auch wenn die Lage fast überall inzwischen ziemlich prekär ist.
    "We actually have two presses and we are printing our three daily newspapers and our weekly here."
    "The Berkshire Eagle" – eine der ältesten Zeitungen Amerikas
    Drei Tageszeitungen und ein Wochenblatt entstehen hier unter dem Dach von New England Newspapers Inc. Darunter das Flaggschiff "The Berkshire Eagle", dessen gedruckte Auflage im Laufe der Jahre auf täglich 20.000 Exemplare zusammengeschrumpft ist. Der "Eagle" ist eine der ältesten Zeitungen Amerikas und hat sich trotz seiner geringen Größe einen Namen gemacht. Auch dank eines Pulitzer-Preises, den das Blatt 1973 für die sprachliche Qualität der Kommentarspalten erhielt.
    Hier im Westen von Massachusetts weiß man Altes zu schätzen: Das betrifft die eigene Geschichte als Industriestadt der Pionierzeit. Und ein Kulturleben von Rang mit klassischer Musik in Tanglewood, Amerikas bedeutendstem Sommer-Musikfestival, und Kunst in sehr respektablen Museen.
    Pensionierter Richter rettet den "Eagle"
    Aber ohne jemanden wie den pensionierten Richter Frederic Rutberg hätte diese Wertschätzung vermutlich längst ihr wichtigstes Forum verloren. Rutberg hatte mit zwei gut gestellten Partnern 2016 die Zeitung mitsamt ihren Schwesterblättern gekauft. Sie retteten den "Eagle" aus den Händen eines Investmentfonds. Und zwar genau jenem, der zurzeit mit seinen Massenentlassungen von Reportern bei der "Denver Post" in Colorado für Schlagzeilen sorgt.
    "Ich war der Ansicht, dass man teilweise an die glorreiche Zeit des 'Eagle' anknüpfen und damit auch den Menschen helfen kann, die hier leben. Besonders wenn man die vielen positiven Dinge in den Vordergrund rückt, die hier passieren."
    Neue Abonnenten mit umfangreicherer Berichterstattung
    Eine Zeitung als Katalysator für die Wiederbelebung einer Region, die mit alten Strukturkrisen zu kämpfen hat? Das funktioniert nur, wenn man investiert.
    "Wir haben das schon oft gesagt: Wir glauben an die Idee, dass man mit mehr Qualität und Quantität auch mehr Leser anlocken kann. Und dass man so auf längere Sicht Erfolg haben wird."
    Dass man also im Kleinen das tut, was "Amazon"-Chef Jeff Bezos im Großen vorführte, nachdem er die "Washington Post" übernahm. Das Blatt bekam ein Budget, um Journalisten einzustellen und gewann mit der - umfangreicheren - Berichterstattung neue Online-Abonnenten. Die "Post" schreibt seit 2016 wieder schwarze Zahlen.
    Schwieriger ist es zu wachsen
    In Pittsfield hat Chefredakteur Kevin Moran harte Jahre hinter sich.
    "Ich habe unter dem alten Eigentümer dutzende Reporter entlassen. Aber es ist noch schwieriger zu wachsen und die richtigen Journalisten einzustellen. Vor allem wegen der neuen Erwartungen: Wir wollen die beste Lokalzeitung in Amerika machen."
    Auf dem Weg dahin kann der Chefredakteur gute Nachrichten vermelden. Die Mund-zu-Mund-Propaganda und die Verjüngung der Leserschaft klappt. Zum Preis für die digitale Ausgabe von gerade mal drei Dollar pro Woche.
    "Wir haben zuletzt an digitalen Abonnements zugelegt. Was wirklich schön ist. Wir haben 45.000, die uns auf Facebook folgen, mehrere zehntausend auf Twitter. Mit anderen Worten: Wir haben Resonanz."