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Lollapalooza Festival
Beton und Schlangestehen am Tempelhof

Erstmals fand das Lollapalooza Festival in Berlin statt. Die Idee, Indie-Bands und Ökostände für ein Publikum zu vereinen, entstand vor 24 Jahren bei der Abschiedstour der Band "Jane's Addiction". Nach Brasilien oder Chile ist das Festival dieses Jahr erstmals in Europa angekommen. Das Resümee ist durchwachsen - doch die Veranstalter geloben für das nächste Jahr Besserung.

Von Dennis Kastrup | 14.09.2015
    Fans von der Band Beatsteaks beim Lollapalooza Festival auf dem Flughafen Tempelhof in Berlin.
    Fans von der Band Beatsteaks beim Lollapalooza Festival (imago/ Martin Müller)
    Festivals mitten in Großstädten sind anders. Sie beginnen vor der eigenen Haustür. Denn Festivalgäste und Einwohner mischen sich. Vergangenes Wochenende fuhren Rentner mit Dackeln, Hertha-BSC-Fans, Eltern mit Kindern, tätowierte Punks und stilsichere Hipster zusammen mit Musikfreunden aus der ganzen Welt bis zur U-Bahn-Haltestelle "Platz der Luftbrücke".
    Beton ist das größte Problem
    45.000 Menschen sollen es an zwei Tagen auf dem alten Flughafen Tempelhof gewesen sein. Ein historischer Ort, der in Berlin schon für diverse Veranstaltungen genutzt wurde. Auch Festivals gehörten dazu. Bisher scheiterten die Versuche an der Umsetzung. Lollapalooza-Festival-Direktorin Fruszina Szep war das Problem im Vorfeld bekannt:
    "Die größte Herausforderung ist der Beton, weil um einen Festival auch dieses Festivalgefühl zu geben - ein Erlebnis, dass man sich auch einfach nur mal einfach unter einem Baum setzen kann - das haben wir hier ja nicht so richtig."
    Tempelhof bietet ein riesiges Areal. Hier, wo früher gestartet und gelandet wurde, stehen nun vier Bühnen direkt nebeneinander. Kurze Wege sorgen dafür, dass die abwechselnden Konzerte gut erreichbar sind. Leider aber eben auch so kurz, dass in ruhigen Momenten Musik vom "Nachbarn" herüberkommt. Anders sieht es da im "Kidzapalooza" aus. Ein Bereich nur für Kinder und deren Eltern. Neben Spielgeräten gibt es auch hier eine Bühne, auf der Bands wie "Deine Freunde", "Eule findet den Beat" oder "Café Unterzucker" auftreten.
    Bei der ganzen Hektik drumherum fragt man sich: Liebe Mütter, warum tut man sich das freiwillig an, zwischen all dem Krach, Alkohol und den grölenden Menschen?
    "Weil man Lust hat auf die Bands und hier ist ja auch ein Kinderfestival. Es ist ja auch sehr kinderfreundlich alles."
    Schlangestehen verärgert Publikum
    So tummeln sich auffällig viele Kinder mit großen Kopfhörern auf dem Lollapalooza herum. Daneben gibt es natürlich die üblichen Selbstdarsteller in Bananen-, Popeye oder Supermannkostümen. Ein weiterer Klassiker: die Landesfahnen der vielen internationalen Gäste. Aber: Warum es erfahrene Festivalmacher es nicht schaffen, ein Gelände mit ausreichend sanitären Anlagen auszustatten, bleibt wohl ein Geheimnis. Um 17 Uhr am Samstag verlassen die ersten Gäste die Schlangen vor den Toiletten und urinieren öffentlich an Plastikplanen. Männer und Frauen. Der Beton füllt sich mit stinkenden Pfützen. 100 Meter Luftlinie wird an den Essenständen angestanden. Mindestens eine Stunde muss dafür eingeplant werden.
    "Ich habe eine Stunde und zehn Minuten gewartet, um am Ende einen Hot Dog zu bekommen, weil alles andere ausverkauft war. Ich bin also ein bisschen sauer, weil ich einen schlechten Hotdog esse und die Show verpasse, die ich sehen will. "
    Das Festival hatte eigentlich damit geworben, besonders unkompliziert zu sein. Mithilfe eines Chips am Armband sollte die Abwicklung schneller funktionieren. Überall wurde bargeldlos bezahlt. Das eigene Konto musste an eingerichteten Schaltern aufgeladen werden. Auf Twitter mehrten sich im Laufe des Wochenendes aber die Beschwerden über das nervige Schlangestehen. Wer die schlechte Organisation vernachlässigt, der durfte sich über gute Konzerte freuen. Die Bands waren meistens gut gelaunt und von der Umgebung beeindruckt. Al Doyle von Hot Chip berichtet nach dem Auftritt:
    "Es ist eine aufregende und einzigartige Umgebung. Sie haben sich einen guten Ort ausgesucht. Das Festival passt perfekt zu Deutschland und Berlin."
    Erstmals in Europa
    Muse, Macklemore & Ryan, Fatboy Slim, Sam Smith, Seed oder auch die Beatsteaks genossen ihre Konzerte sichtlich. Und ja, die Libertines waren auch da. Aber die Frage, ob die Band von Pete Doherty überhaupt auftaucht, sorgt mittlerweile für mehr Spannung als ihre Auftritte selber. Deichkind haben damit keine Probleme. Die lieferten wieder einmal den schon gewohnten Höhepunkt ab.
    Das erste Lollapalooza Festival 2015 in Europa ist also Geschichte. Aber wie viel der eigenen exklusiven Geschichte trägt es noch in sich? Nicht viel! "Indiemusik" ist längst Mainstream. Anfang der 1990er war die Idee, andere Künste und Ökostände in ein Festival zu integrieren zwar sehr modern. Doch heute macht das jedes Festival. Das Lollapalooza lebt von seinem guten Ruf. Und diesen versuchen die Macher gerade noch schnell zu reparieren. Am Sonntag wurde getwittert:
    "Lollapalooza kommt 2016 wieder nach Berlin. Mit Discount für alle Besucher 2015, zur Entschädigung für die langen Schlangen"