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"Lost Art Salon" in San Francisco
Wiederentdeckte Vermächtnisse

So geht es vielen Künstlern: In ihren Ateliers, Kellern und Dachböden stapeln sich unverkaufte Kunstwerke. Für viele stellt sich die Frage: Was wird nach ihrem Tod mit ihnen passieren? Der "Lost Art Salon" in San Francisco hat zumindest für einige von ihnen eine Antwort.

Von Martina Groß | 13.12.2019
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Rob Delamater (l.) und Jane Rades im "Lost Art Salon" ((c) Martina Groß)
Jane Rades: "How does it feel? Quiet wonderful!"
Eine schmale Frau, ungefähr Mitte 70, mit kurzem leuchtend weißem Haar steht im Lost Art Salon. Jane Rades. Seit langer Zeit sieht sie ihre Ölbilder, Linolschnitte, Kohlezeichnungen und Tuscharbeiten an der Wand einer Galerie hängen. Alle Bilder sind geschmackvoll gerahmt. "Die meisten haben wahrscheinlich 50 Jahre in einer Anrichte, im Regal oder einer Mappe gelegen."
Als junge Frau ist die Dichterin und Malerin aus der gesellschaftlichen Enge des Mittleren Westens nach San Francisco gezogen, wo sie am renommierten Art Institute studierte. Wie so viele konnte sie nicht von ihrer Kunst leben. "In meinem Alter habe ich mich gefragt, was mit der ganzen Kunst passieren solle. Erst einmal habe ich eine Email geschrieben und gefragt, wohin ich die Kunst spenden könne?"
Über 5000 Werke un bekannter Künstler
Alle Wände des Lost Art Salons sind bis unter die Decke mit Bildern in russischer Hängung bedeckt – dicht an dicht. Zeichnungen und Aquarelle liegen auf Tischen. Weitere Arbeiten stecken in Ständern. Eine gelbes Sofa im Empirestil lädt zum Verweilen und Betrachten ein. Insgesamt über 5000 Kunstwerke - unbekannter Künstler. Viele von ihnen sind bereits verstorben.
2003 haben Gaétan Caron und Rob Delamater den Lost Art Salon eröffnet: "Anfangs kauften wir Einzelstücke auf Flohmärkten, Auktionen oder Nachlassauktionen. Die Idee war, unterschätzte Kunst zu finden und sie auszustellen, nachdem wir sie gereinigt und restauriert hatten."
Eines Tages, so erinnert sich Rob Delamater, erhielten sie die Möglichkeit, nicht nur ein Kunstwerk, sondern die ganze Sammlung eines verstorbenen Künstlers zu erwerben: "Die Erfahrung durch diese Sammlung zu gehen, die Biografie für diesen Künstler zu schreiben, sie als Sammlung und nicht als Raum, gefüllt mit unterschiedlichen Künstlern zu präsentieren, sondern mit dem Werk eines Künstlers, war für die Besucher viel aussagekräftiger und eindrucksvoller. Damals erkannten wird, das ist unsere Mission, das Herz dessen, was wir tun wollen: Sammlungen finden und ein Vermächtnis des Künstlers und nicht nur seiner Kunst zu schaffen."
Jane Rades: "Als allererstes wollten sie einige der Arbeiten sehen. Ich dachte, 'mein Gott', das war überraschend, weil es wirklich schwer ist, in Galerien zu kommen.
Wiederentdeckt: der Künstler Jack Freeman
Über dem Sofa hängt das Bild eines gelben, für San Francisco typisch viktorianischen Hauses, an einer steilen Straße gelegen. Der Künstler Jack Freeman hat es gemalt. Er ist ein alter Freund Jane Rades. Sie haben zusammen studiert.
Rob Delamater: "Jack Freemans Studio lag nur zwei Blöcke von diesem Gebäude entfernt. Nach seinem Tod kam sein Bruder und sagte, mein Bruder war ein Künstler aus San Francisco, und er hat uns eingeladen, es uns anzusehen. Es war wie Tut-Ench-Amuns Grab zu betreten.
Sie kauften zunächst ein paar Hundert Bilder, viele mit Motiven aus San Francisco. Und die verkauften sich gut. An Einrichtungsdesigner und Sammler, aber auch an Menschen, die sich Kunst aus den großen Galerien nicht leisten können. Damit hält der Lost Art Salon auch die Erinnerung an fast vergessene Künstlerinnen und Künstler wach. "Wir haben Künstler, die während ihres Lebens so gut wie keinen Erfolg hatten und hier hunderte von Werken verkauft haben. Und Leute kommen her und sagen: 'Ich möchte das Werk von dem und dem sehen.'"