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Lotse auf Irrfahrt

Raumfahrt. – Es soll das Symbol für Europas Emanzipation von den Weltmächten sein. Mit dem Satellitenavigationssystem Galileo tritt der Alte Kontinent neben die USA und Russland, die beide schon Systeme stationiert haben. Doch jetzt lassen politisches Gerangel und technische Schwierigkeiten das Vorzeigeprojekt nur schleppend voran kommen.

Von Ralf Krauter | 23.02.2007
    Europas Alternative zu GPS soll Galileo einmal werden - ein wegweisendes Stückchen Unabhängigkeit von den USA. Doch bislang ist die Satellitennavigation made in Europe vor allem ein Lehrstück darüber, wie schwer sich Europa tut, ein strategisches Großprojekt erfolgreich zu realisieren. Dabei hat es zumindest an verbaler Unterstützung nie gemangelt.

    "Galileo, c’est un tres beau projet européen."

    Galileo sei ein sehr schönes europäisches Projekt, findet EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot. Und auch sein deutscher Amtskollege Wolfgang Tiefensee war erfreut, als die Verträge für die Entwicklungs- und Testphase des milliardenschweren Infrastrukturprojektes unterzeichnet waren:

    "Ich bin sehr froh, dass ich jetzt verkünden kann, dass es uns gelungen ist, in einer Marathon-Sitzung den Durchbruch für dieses Galileo-System zu schaffen."

    Doch der Durchbruch war bloß ein Etappensieg. Das Tauziehen um Finanzierung und Kompetenzen hält bis heute an. Ralf Nagel, Staatsekretär im Bundesverkehrsministerium:

    "Europa und die Mitgliedsstaaten wollen und werden dieses Projekt finanzieren. Dass da noch ziemlich gerauft wird, ok, das ist klar."

    Wie die Kosten und Industrieaufträge auf die beteiligten Staaten zu verteilen sind, darüber wird seit Jahren gestritten. Bei Gesamtinvestitionskosten von knapp vier Milliarden Euro will eben jeder ein Stück vom Kuchen. Dabei kämpft auch Deutschland, das mit 500 Millionen Euro den Löwenanteil trägt, mit harten Bandagen. Weil man sich bei der Auftragsvergabe benachteiligt fühlte, wurden die Zahlungen eingefroren, bis die europäischen Partner einwilligten, eines der beiden Kontrollzentren für die Wegweiser im All in Oberpfaffenhofen zu bauen. Natürlich könnte vieles einfacher sein, räumt Dominique Detain von der Esa-Zentrale in Paris ein:

    "”Schließlich spielt man auch Fußball aus gutem Grund nur mit zwei Teams von je elf Leuten. Je mehr zusätzliche Spieler Sie aufs Feld lassen, desto unübersichtlicher wird das Ganze. Bei Galileo stehen auf der einen Seite die 27 Mitgliedsstaaten der EU. Auf der anderen die Esa mit ihren 17 Mitgliedsländern, die ihrerseits wiederum nicht alle EU-Mitglieder sind. Das macht die Abstimmung nicht gerade einfacher.""

    Auch die Technik macht Probleme. Ein erster Testsatellit namens Giove A wurde Ende 2005 in die Umlaufbahn geschossen – vor allem auch um den rechtlichen Anspruch auf die Sendefrequenzen des digitalen Ortungssignals aufrecht zu erhalten. Sein Schwester-Satellit Giove B sollte ursprünglich im April 2006 abheben, steht aber bis heute am Boden – wegen eines Defekts im Bordcomputer. Als neuen Starttermin habe man nun Ende des Jahres im Visier, heißt es bei der Esa. Bis dahin bleibt ungewiss, ob die neuartige wasserstoffbasierte Atomuhr, die Giove B erstmals an Bord hat, auch im All präzise den Takt gibt. Wenn nicht, hätte man ein ernstes Problem, denn der ultragenaue Zeitgeber ist der Schlüssel für die zentimetergenaue Ortspeilung aus dem All.

    Ob die ersten vier echten Galileo-Satelliten tatsächlich 2008 ins All starten, bleibt deshalb abzuwarten. Die restlichen 26, die bis 2012 ihren Lotsendienst antreten sollen, wurden noch nicht einmal in Auftrag gegeben. Auf Drängen der EU-Kommission haben die zwei konkurrierenden Firmenkonsortien um EADS und Alcatel-Alenia ein gemeinsames Angebot vorgelegt. Dessen Modalitäten sind so kompliziert, dass sich die Vertragsverhandlungen noch mindestens bis März hinziehen. Beteiligte lassen durchblicken, dass es hinter den Kulissen mal wieder brodelt. Dominique Detain von der Esa gibt sich offiziell gelassen:

    "Die ersten Ideen für Galileo liegen noch nicht einmal zehn Jahre zurück. Dafür sind wir doch schon erstaunlich weit gekommen. Bei den Amerikanern vergingen 19 Jahre von der Idee bis zum Start des ersten Satelliten – so gesehen sind wir immer noch schneller. Aber natürlich ist das Ganze ein langwieriger Entwicklungsprozess, der einfach auch seine Zeit braucht."

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