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Louis Jean Lumière
Filmpionier und Wegbereiter des Kinos

Am Kino haben viele Erfinder mitgestrickt, niemand aber hatte so praxisnahe Lösungen zu bieten wie Louis-Jean Lumière, der vor 150 Jahren geboren wurde. Zusammen mit seinem Bruder Auguste schuf er die Voraussetzungen für das moderne Kino, das er mit über 1.000 Filmen bediente.

Von Mathias Schulenburg | 05.10.2014
    Im Jahr 1910: Auf einem Volksfest auf der Festwiese in Berlin-Schönholz steht ein Kinematograf - ein Vorläufer des Kinos - des Bioskop-Erfinders Max Sklaranowsky.
    Ein Kinematograf auf einer Festwiese - aufgenommen im Jahr 1910. (picture-alliance / dpa)
    Louis Jean Lumière, geboren am 5. Oktober 1864 im französischen Besançon, hatte Regie bei diesem Film geführt, der "Die Ankunft eines Eisenbahnzuges im Bahnhof von La Ciotat" beschreibt, hier nachträglich von einer Stummfilmkinoeffektorgel begleitet. Die Zeitungen beschrieben die Vorführung – als Teil einer kleinen Filmreihe – im Pariser Grand Cafe am Boulevard des Capucines als sensationell; den Hamburger "Spiegel" graute es noch 100 Jahre danach:
    "Ein Kurzfilm wirkte besonders nachhaltig, ja er erzeugte Furcht, Schrecken, sogar Panik. Man sieht unter anderem, wie die Lokomotive direkt an der Kamera vorbeirast."
    Der Film – Erstaufführung 1895 – zeigt allerdings wenig mehr als eben eine Zugankunft mit unaufgeregten Reisenden, Gepäck, Kind und Kegel. Und die Lokomotive kam regelkonform, zu niemandes Erstaunen, noch auf dem Bahnhof zum Stehen. Da sei wohl übertrieben worden, sagt Bernd Desinger, Direktor des Düsseldorfer Filmmuseums:
    "Man hat ja gesagt, die Anwesenden im Zuschauersaal sahen also den Zug auf sich zufahren, warfen sich kreischend vor Angst zu Boden, oder einige sprangen aus dem Saal heraus – ganz so dumm waren die Leute denn doch nicht, die wussten ja auch, die sitzen in einem Raum, da wird jetzt was auf der Leinwand gezeigt, das ist auch natürlich publizistisch ausgeschlachtet worden und war für die Brüder dann natürlich auch ein Vehikel für die weiteren frühen Erfolge ihrer Vorführungen."
    Lumière als Entwickler des Kinematografen
    Die gute Vermarktung war tatsächlich wesentlich für den großen Erfolg der Brüder Auguste und Louis Lumière; heutige Filmhistoriker sehen hauptsächlich Auguste als deren Urheber. Louis wird dagegen gern als der größere Tüftler gesehen:
    "Er ist auch derjenige, der eigentlich den Kinematografen entwickelt hat. '93 ist er in Kontakt gekommen mit dem Kinetografen aus der Edison-Fabrik, und das Gerät, das er erfunden hat, beinhaltete ja drei Sachen gleichzeitig: Es war einmal eine Kamera, Aufnahmegerät, es war ein Projektionsgerät und gleichzeitig ein Kopiergerät. Das war natürlich schon genial."
    Die eigentliche Idee zur Kinematografie, wird Auguste später zitiert, habe seinen Bruder Louis Jean sozusagen wie ein Blitz überfallen – in einer mit Fieberträumen und Migräne verbrachten Nacht. Dem waren freilich eingehende Studien der Entwicklungen anderer vorausgegangen. Von Edison hatten die Lumières das 35-Millimeter-Eastman-Filmformat übernommen, die Filmperforation und den sogenannten Greifer, der den Film ruckweise transportierte. Damit, sagt Bernd Desinger, war die Erfindungskraft Louis Lumières aber noch nicht erschöpft:
    "Louis Lumière hat um 1920 herum noch stereoskopische Dinge entwickelt, also Fotografie, Stereofotografie, und sich um 1930 auch mit 3D-Film beschäftigt. Also, das hat ihn nie ganz losgelassen. Aber man kann sicher sagen, dass er auch zumindest einer der ersten Filmregisseure überhaupt ist und sich eben Gedanken gemacht hat, wie postiere ich jetzt die Akteure, dass das für das Publikum einigermaßen spannend ist."
    Insgesamt fabrizierten die Lumières etwa 1.400 Filme, darunter Vorwegnahmen von Historienschinken in Pappkulissen, auch Wochenschauen ähnliche Streifen, für die sie Reporter auf Reisen schickten. Schließlich gaben sie die Filmproduktion um die Jahrhundertwende auf und Louis Lumière veräußerte seinen Kinematografen mit allem drum und dran an den Filmpionier Charles Pathé.
    Louis Lumière starb 1948 im Alter von 84 Jahren und hatte so Glanz und Elend des von ihm in Schwung gebrachten Mediums Film noch miterleben können. In einem Film Jean Painlevés von 1939 erklärte er:
    "Wenn ich im Verlauf eines langen Lebens die Möglichkeit hatte, an Problemen verschiedener Art zu arbeiten, und wenn es mir gelungen ist, einige glückliche Lösungen zu finden, die in der Öffentlichkeit einen bedeutenden Widerhall erweckten, dann leitete mich immer der Wunsch, das Bedürfnis und die unendliche Freude, mein ganzes Leben lang arbeiten zu dürfen."