Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Michael Pollan: "Verändere dein Bewusstsein"
LSD zwischen Hype und Verteufelung

Bewusstseinserweiterung oder Realitätsverlust? Die Wirkung von LSD ist umstritten. Der Journalist Michael Pollan lässt in seinem Buch Fans der psychedelischen Droge zu Wort kommen - aber auch Skeptiker. Er plädiert für mehr Sachlichkeit im Umgang mit LSD - und wagt schließlich den Selbstversuch.

Von Michael Lange | 24.03.2019
Cover von Michael Pollans Buch "Verändere dein Bewusstsein". Im Hintergrund ist das Foto einer bunt beleuchteten, leicht verschwommenen Rolltreppe zu sehen.
Tests belegen: LSD erzeugt auffällige Gehirnaktivitäten bei Probanden (Kunstmann / Unsplash / Jay Lee)
Seit dem LSD-Boom der 1960er-Jahre wurde die Wirkung so genannter Psychodelika wie LSD oder Psilocybin aus Pilzen entweder grundsätzlich verteufelt oder euphorisch überhöht. Hippies wollten mit Hilfe psychogener Substanzen nicht nur ihr Bewusstsein erweitern, sie suchten neue Formen des Zusammenlebens. Bürgerliche Kritiker befürchteten Realitätsflucht und Drogensucht. Der Journalist Michael Pollan will diesen Ballast abwerfen und plädiert für mehr Sachlichkeit im Umgang mit Psychedelika.
Für manche endete der psychedelische Rausch im Horror-Trip, für andere begann eine spirituelle Reise, die sie näher zur Natur oder zu Gott führte, wie sie selbst später berichteten. Der Journalistik-Professor Michael Pollan ist skeptisch gegenüber allerlei New-Age-Phrasen. Als neugieriger Beobachter erkundet er eine weitgehend unerforschte Welt zwischen Natur, Chemie und Mystik. Er spricht mit begeisterten LSD-Aposteln, sachlichen Wissenschaftlern, Schamanen und trifft Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen. Viele entdeckten unter dem Einfluss psychedelischer Substanzen neue Welten und änderten ihr Leben. Und doch bleiben ihre Beschreibungen des Erlebten wolkig und nichtssagend.
LSD-Forscher auf Irrwegen
Pollan kommt zu dem Schluss: LSD musste scheitern, weil sich seine Wirkung nicht in das enge Gerüst der Wissenschaft zwängen ließ. Die Psychedelika waren mächtiger als die Wissenschaftler, die es in den 1960er-Jahren erforschen wollten. Vor allem der LSD-Guru Timothy Leary wurde zum Sinnbild einer Forschergeneration, die durch eigene LSD-Erfahrung den Pfad der Wissenschaft verlassen hat. Nachdem ihre Vorgänger jahrzehntelang auf Irrwege gerieten, sucht eine neue Generation heute mit modernen Methoden nach Antworten. Bildgebende Verfahren zeigen: Die synthetisch hergestellte Substanz LSD und der Naturstoff Psilocybin erzeugen auffällige Gehirnaktivitäten und wirken auf die Persönlichkeit der Probanden. Sie bestimmen, wie wir uns selbst wahrnehmen. Klinische Untersuchungen nutzen diese Wirkung gegen Angstzustände und Todesfurcht, aber auch gegen Depression.
Nach langem Zögern verlässt der Autor Michael Pollan jedoch seine neutrale Beobachterrolle und wagt den Selbstversuch. Unter Anleitung setzt er sein Gehirn verschiedenen Substanzen aus. Auch ihm fällt es schwer, das Erlebte in Worte zu fassen. Die oft beschworene "Erleuchtung" bleibt zwar aus, aber auch er taucht tief ein in die eigene Psyche. Dabei sieht er zunehmend die Möglichkeiten psychogener Substanzen und immer weniger die Gefahren. Ihn bei seiner Reise zu begleiten bietet gleichermaßen Erkenntnis und Lesegenuss, auch und gerade, wenn man die Welt der psychedelischen Substanzen nicht mit dem eigenen Gehirn erkunden möchte.
Michael Pollan: "Verändere dein Bewusstsein. Was uns die neue Psychodelik-Forschung über Sucht, Depression, Todesfurcht und Transzendenz lehrt."
Aus dem Englischen von Thomas Gunkel
Verlag Antje Kunstmann, 450 Seiten, 26 Euro