Freitag, 19. April 2024

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Lucas Cranach der Jüngere
Auf den Spuren des Malerfürsten

Lucas Cranach der Jüngere wäre 2015 500 Jahre alt geworden. Aus diesem Grund feiern bundesweit 13 Städte das Cranachjahr. Unter dem Titel "Wege zu Cranach" laden sie Touristen dazu ein, auf den Spuren einer der bedeutendsten deutschen Malerfamilien der Renaissance zu wandeln.

Von Blanka Weber | 14.05.2015
    Es ist früher Morgen. Der Jakobskirchhof in Weimar liegt im Dunst des erwachenden Tages. Die Sonne trocknet die letzten Tautropfen auf den Efeublättern einer großen Grabfläche. Am Rande der Kirche ist ein schmaler, verwitterter Grabstein zu sehen. Abgebildet ist Lucas Cranach der Ältere im Renaissancegewand, einem glockenweit fallenden Mantel über schmalen Beinkleidern.
    Silke Axthelm führt oft Touristen an diesen Ort. Denn es ist die sogenannte Malergruft.
    "34 Menschen haben in dieser Malergruft, also 33 neben Cranach selbst, ihre letzte Ruhe gefunden und dann hat man die Gruft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geschlossen, hat dir Tür geschlossen, hat Efeu bepflanzt und das Grab ist natürlich riesengroß.
    Kindergruppen sagen manchmal, ob es hier Riesen gegeben hätte, weil es so ein großes Grab ist. Das ist deswegen so groß, weil sich unter diesem Efeugewächs diese Grufttür ins Erdreich befindet und man muss sich ja vorstellen, dass die Särge runtergebracht werden mussten. Also es musste schon eine ziemlich große Öffnung sein."
    Die schlichte Kirche inmitten eines kleines Parks ist heute eine Touristenattraktion, nicht nur weil hier Lucas Cranach der Ältere bestattet worden ist.
    Zwei Rosenstöcke, direkt gegenüber der Malergruft, sind von Efeu umrankt und erinnern an die große Liebe des Dichterfürsten Goethe mit seiner bürgerlichen Christiane. Beide wurde hier 1806 in der kleinen Sakristei getraut.
    Damals war Cranach schon fast ein Vierteljahrhundert tot. In Weimar hatte er sein letztes Lebensjahrzehnt verbracht und war seinem Landesherren und Kurfürsten Johann Friedrich gefolgt, der sich nach seiner Gefangenschaft in Weimar nieder ließ. Der alte Maler Cranach war immer an seiner Seite. Er porträtierte unter anderem die Schwester des Kurfürsten, ein Ölgemälde, dass den Heiratsverhandlungen dienen sollte.
    Lucas Cranach verstarb am 16. Oktober 1553 im Hause seines Schwiegersohns am Marktplatz in Weimar. Die Original-Grabplatte gibt es heute noch. Sie steht in der Herderkirche, einem besonderen Ort - und Silke Axthelm empfängt hier ihre nächste Besuchergruppe.
    "Herzlich willkommen hier in Weimar, vor unserer Stadtkirche Sankt Peter und Paul, die wir Einheimischen einfach als die Herderkirche bezeichnen. Also stehen wir hier vor der Kirche, auf dem Herderplatz, unweit vom Denkmal Johann Gottfried Herders."
    Die evangelische Kirche war einst das Zentrum der Stadt, umgeben von einem Friedhof, der später geschlossen wurde.
    Auch Martin Luther, ein Freund der Cranachfamilie, predigte in dieser Kirche.
    Im Innenraum befindet sich ein dreiflügeliger Altar, dargestellt ist mit der geöffneten Bibel in der Hand: Martin Luther. Bis vor Kurzem wurde das Altarbild Lucas Cranach dem Älteren zugeschrieben. Ein Irrtum, wie sich herausstellte:
    "Nachdem die Cranach-Fachleute aus Deutschland und den anderen Ländern hier getagt haben für einige Zeit und hier ihre Recherchen an diesen Cranachgemälden vorgenommen haben, seit daher wissen wir genau und das war auch ein Umdenken für uns Stadtführer, dass es ein Werk Lucas Cranach des Jüngeren ist."
    Von Kronach bis Weimar
    Die Reise zu Cranach, seinen Wurzeln, seiner Herkunft, sie beginnt im oberfränkischem Kronach, jenem bayrischen Landkreis mit heute 17.000 Einwohnern.
    "Wer Cranach entdecken will, muss in Kronach anfangen",
    sagt Kerstin Löw - von der Geschäftsstelle "Wege zu Cranach".
    "Wir haben uns im Cranachjahr das Motto gegeben: Wir sind die Stadt des Vaters, mit anderen Worten Lucas Cranach der Ältere, der Begründer der Malerfamilie, ist bei uns im oberfränkischen Kronach geboren und hat sich auch nach seiner Heimatstadt benannt."
    Auf der Festung Rosenberg ist Cranach zu sehen. Ein Querschnitt des Schaffens von Vater und Sohn und - nicht zu vergessen - den vielen namenlosen Gesellen der Werkstatt. Cranach ist eine Marke, sagt Kerstin Löw:
    "Als Touristikerin muss ich natürlich sagen, ist er mir lieb und teuer, weil er unseren Namen in die weite Welt trägt, weil er auch für Kronach neben der Festung Rosenberg, eine sehr bedeutenden Festungsanlage, das starke Thema ist für die Stadt. Und Kronach erscheint in seinem historischen Stadtkern eigentlich immer noch so wie Cranach es gesehen hat."
    Der Weg, er führt weiter zu jenem Ort, an dem Cranach der Ältere 45 Jahre lange gearbeitet hat und sein kleines Unternehmen einst aufbaute. Denn Cranach war nicht nur begnadeter Maler, sondern auch Geschäftsmann. Das Zentrum für ihn - war. Wittenberg, jene Stadt, die unmittelbar mit der Reformation im Zusammenhang steht, sagt Eva Löber von der Cranach- Stiftung:
    "Was die Kunstgeschichte betrifft, da kommt er erst in Wittenberg richtig ins Licht der Welt und hier hat er ja von 1505-1550 gewirkt."
    Ein wichtiger Lebensabschnitt
    Eva Löber betreut die Cranach-Höfe, die einzigen noch authentischen Lebensorte des Malers inmitten der Stadt, vis-à-vis des Rathauses. Cranach war Maler und auch Politiker. Zeitweise Stadtrat und sogar Bürgermeister von Wittenberg. Sein Ansehen war hoch, seine Werkstatt florierte - auch dank der vielen fleißigen Gesellen, die in seinem Hause arbeiteten und lebten. Wittenberg war also der wichtigste Abschnitt in seinem Leben, sagt Eva Löber.
    "Ich denke schon, dass das seine Hauptlebensstätte war und aus dem Grunde sind wir stolz, dass die Häuser, die er bewohnt hat, auch noch da sind."
    Im Haus am Markt 4 sind noch originale Deckenmalereien zu sehen. Und - überhaupt - das Sanieren des Hauses sei ein einziges Abenteuer mit manch einer Überraschung gewesen:
    "Wir haben zum Teil 64 Farbschichten übereinander auf dem Putz gehabt, der diese Bemalung geschützt hat. Und unsere Architektin hat also sehr vorsichtig dieses Haus untersucht und die Putzschichten sind also in Millimetern abgenommen worden, um zu gucken, ist hier was?"
    Nur knapp konnten die Höfe vor dem Verfall gerettet werden. Zu DDR Zeiten waren sie verwahrlost, die Innenhöfe verschlossen. In letzter Minute wurde alles erhalten, die Fassade, das Treppenhaus und vor allem die Kreuzgewölbe mit den Malereien:
    "Da sind wir auch ganz stolz drauf, weil es darüber spricht, wie hat man seine Wohnräume gestaltet, wie kostbar waren die Malereien, welche Formen, welche Farben hat man benutzt und das kann man schon ganz gut sehen und ob es nun Lucas selber gemalt hat, das kann dahin gestellt sein, auf jeden Fall stammt es aus der Cranach Werkstatt."
    Bis zu 15 Gesellen haben zeitweise in der Wittenberger Werkstatt gearbeitet. Auf 5.000 wird die Zahl der Cranach-Kunstwerke geschätzt, Holzschnitte, Ölgemälde, Radierungen. "Ohne Cranach", sagen Kunstwissenschaftler, "wüssten wir gar nicht wie Luther ausgesehen hat".
    Und heute? Wer heute die liebevoll sanierten Cranach-Höfe in Wittenberg besucht, findet wieder Künstler hier, die Räume und Galerien nutzen können: Goldschmiede, Maler, eine Druckwerkstatt für Jugendliche und Kinder - das Haus ist Museum und gleichzeitig offene Bildungsstätte.
    Wer ein Werk von Vater UND Sohn der Cranach Familie bewundern will, kann den 1547 geweihten Reformationsaltar der Stadtkirche Sankt Marien besichtigen - heute Unesco-Weltkulturerbe.