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Ludwig II.

Im Juni vor 125 Jahren nahm der "Kini" Ludwig II. sein berühmtes Bad im Starnberger See, von dem er lebend nicht zurückkehrte. Seither geht sein Geist in Bayern um, auch in München auf der Maximilianstraße, wo die Kammerspiele liegen.

Sven Ricklefs | 04.03.2011
    Dieser Raum ist abstrakt, leer, kalt, von Schiefertafeln umstellt, auf die Ludwig, der Bayernkönig, im Laufe der Zeit seine Welt malen wird. Mit Kreide, mit ungelenken Strichen, so wie verängstigte Kinder zeichnen: das Wasser des Starnberger Sees, die Insel, auf die er eines seiner Schlösser baute, die Schlösser selbst, aus deren Fenster grinsende Totenfratzen blicken. Dies ist wahrlich nicht die heile Welt bayerischer Schlösser und Seen, nein dies ist die Innenschau einer zutiefst verstörten Seele, die an der Unbarmherzigkeit des eigenen Anspruches und die an der Mittelmäßigkeit ihrer Umgebung zerbricht.

    "Ludwig: Ich weiß nicht wieso, aber ich weiß ganz genau, dass man seinem Volk kein größeres Geschenk machen kann, als seinen Geist zu bereichern.
    Elisabeth: Mon Cousine, was wollen Sie aus Ihren Bayern machen, ein Volk von Musikern.
    Ludwig: Ach, Sie machen sich lustig. Aber für mich ist das von höchster Bedeutung. Ich habe Wagner den Glauben daran zu verdanken, dass ich mein Leben mit Sinn erfüllen kann, und sei es nur in der bescheidenen Rolle des Vermittlers."

    Ludwig II, der schwule Ästhet und fanatische Kunstmäzen, der den ebenso genialen wie parasitären Richard Wagner uneingeschränkt unterstützte und dabei von einer Kunst träumte, die die Welt verbessern könnte, er zog sich auf seine bordürenbehängten Schlösser zurück, als diese Welt seine Botschaft brüsk zurückwies. Von der Opulenz dieser Schlösser, die Luchino Viscontis Film so bestimmen, ist allerdings ist nun auf der Bühne der Münchner Kammerspiele kaum etwas zu spüren. Denn so eng sich auch der flämische Regisseur Ivo van Hove an das Drehbuch des Films gehalten hat, so hat er gleichzeitig jede Gefahr vermieden, einfach nur den schwelgerisch-melancholischen Duktus von Helmut Berger und Romy Schneider auf die Bühne zu zitieren. Nein, seine Figuren sind schonungslos gezeichnet, sind hart konturiert, wie der Bühnenraum. Das gilt vor allem für Jeroen Willems, der mit der ihm eigenen Darstellungsintensität seinen Ludwig schon gleich zu Beginn geradezu befällt, dort, wo der Schüchterne vor der Krönung zittert. Und Willems hält diese Intensität durch, steigert sie sogar noch, etwa, wenn die unterdrückte Homosexualität Ludwigs in Gewalt explodiert oder wenn sich dieser König vor den drohenden Staatsgeschäften in die Welt der Kunst flüchtet, mit einem Gestus, der sich aus der Anbetung heraus immer mehr zur Rage steigert. Und auch Brigitte Hobmeier als Kaiserin Elisabeth gibt ihrer Figur ein eigenwilliges Profil, geschickt changierend zwischen kokettem Mädchen und Anflügen von Grand Dame, die jegliche Illusion verloren hat.

    "Elisabeth: Sie brauchen Hilfe mein Lieber, die ich Ihnen nicht bieten kann. Liebe bedeutet Pflicht. Und Ihre Pflicht ist es, die Wirklichkeit zu sehen Ludwig."

    Es ist der Inszenierung von Ivo van Hove anzusehen, dass er den Mythos Ludwig II noch einmal vergegenwärtigen wollte, jenseits von Kitsch und Tourismus, aber auch jenseits des genialen Weichzeichners, mit dem Visconti diese Figur verewigt hat. Ludwig nicht als ferner Märchenprinz sondern als verzweifelter Utopist, das ist die Botschaft dieser Inszenierung, die konsequent damit endet, dass dieser Ludwig zunächst einen Flügel zertrümmert und dann das Theater und damit die Welt der Kunst und die Welt des Scheins verlässt. Er nimmt seinen Mantel an der Garderobe und dann sieht man ihn durch den Münchner Regen zur Isar gehen.

    "Ludwig: Armer Dr. Gudden, Ihre einzige Aufgabe ist es mich zu ergründen. Aber ich bin ein Rätsel und ich will auch ein Rätsel bleiben."

    Er habe sich umgebracht heißt es dann noch, das ist der Schluss einer Inszenierung, deren zumeist brillante szenische Ökonomie manche Länge, die sich auch schon in der Filmvorlage findet, schnell wieder vergessen lässt.