Donnerstag, 11. April 2024

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Lügen im Lebenslauf
"Da wird das Vertrauensverhältnis zerstört"

Bewerber würden vor allem bei ihren Angaben zu fachlicher Kompetenz und rund um die Berufserfahrung lügen, sagte Thomas Hoffmann im Dlf. Im Interview erklärt der Personalfachmann, warum Lügen für viele Unternehmen ein Ausschlusskriterium sind - und wie es möglich ist, Unwahrheiten als solche zu entdecken.

Thomas Hoffmann im Gespräch mit Michael Böddeker | 10.01.2018
    Bewerbungsmappen auf einer Tastatur.
    Lügen im Bewerbungsprozess können strafrechtlich relevant sein. Aber nicht nur deswegen rät der Experte zur Aufrichtigkeit. (imago/blickwinkel)
    Michael Böddeker: Lügen haben kurze Beine, heißt es ja, und bei Angaben im Lebenslauf stimmt das offenbar, also zumindest dann, wenn sie auffliegen. Denn wenn das passiert, dann sind die Folgen oft gravierend. Das zeigt jetzt eine neue Umfrage unter Personalverantwortlichen. Demnach schließen nämlich knapp zwei Drittel der Personaler Bewerber aus, bei denen sie falsche Angaben entdecken. 2.400 Personalverantwortliche in Europa wurden befragt, auch aus Deutschland. Und die Untersuchung kommt vom Personaldienstleister Robert Half, genau wie unser Gesprächspartner zum Thema, Thomas Hoffmann. Schönen guten Tag!
    Thomas Hoffmann: Schönen guten Tag, hallo!
    Böddeker: Wobei schummeln denn Bewerber so am häufigsten?
    Hoffmann: Laut den Erkenntnissen oder den Angaben der Befragten ist es sehr häufig beim Thema fachliche Kompetenzen und rund um die Berufserfahrung.
    "Alles im Lebenslauf kann gelogen sein"
    Böddeker: Da wird also besonders häufig gelogen. Was gibt es sonst noch für Lügen?
    Hoffmann: Letztendlich kann ja alles gelogen sein, was im Lebenslauf drin steht. Da gibt es ja auch so prominente Beispiele, die gar keine Doktoren waren, obwohl sie es dann vorgegeben haben. Also, bei Diplomen, bei Abschlussnoten, bei Sprachkenntnissen, Ausbildung. So ein Thema wie "Was haben Sie zuletzt verdient". Also letztendlich alles, was Sie sich vorstellen können, kann man natürlich auch frisieren.
    Böddeker: Welche Lügen sind denn aus Sicht von Personalverantwortlichen dabei besonders schlimm?
    Hoffmann: Besonders schlimm und in dem Sinne ja auch strafrechtlich zu verfolgen sind sicherlich die Angaben, dass Sie sagen, Sie haben Abschlüsse erworben, die Sie tatsächlich gar nicht erworben haben. Und nehmen Sie mal den Arzt, der praktiziert und gar keiner ist. Ist alles schon vorgekommen. Das sind sicherlich die gravierendsten Geschichten.
    Wie kann man Lügen aufdecken?
    Und das andere, und das ist sicherlich, auch deshalb wird es das eine oder andere Mal gemacht werden, weil man möglicherweise denkt, na ja, das ist mehr so ein Bagatelldelikt. Andererseits, und das zeigt die Studie eben auch, mit 60 bis 70 Prozent sagen die Unternehmen, wenn das auffällt, egal, wie klein die Lüge ist, ist irgendwie schon das Vertrauensverhältnis so zerstört, dass ich den Bewerbungsprozess beende oder später vielleicht sogar das Arbeitsverhältnis auflöse.
    Böddeker: Aber wie fliegen diese Lügen denn überhaupt auf? Woran merken die Personalverantwortlichen das?
    Hoffmann: Ich denke noch so aus meiner Erfahrung macht das einfach viel auch die Erfahrung aus. Sie merken schon, wenn Sie geübt sind, in Gesprächen - manchmal ist es einfach das Bauchgefühl, auf das man sich verlässt. Und dann kommen Sie natürlich durch gezielte Fragen, indem Sie sich mal konkrete Beispiele geben lassen, kommen Sie drauf, dass irgendwo was nicht stimmt. Sprachkenntnisse könnten Sie im Prinzip selbst einfach mal prüfen. Man kann Referenzen einholen, man kann sich im Internet heutzutage ja auch wunderbar informieren, ob das eine oder andere alles so richtig und stimmig ist. Da gibt es unterschiedliche Wege.
    "Wie viel Aussagekraft hat so ein Zeugnis heutzutage noch?"
    Böddeker: Inwieweit dürfen Personaler auch nachfragen beim vorherigen Arbeitgeber und sich da erkundigen?
    Hoffmann: Das ist durchaus gängig und gang und gäbe. Das müsste man im Prinzip nur vorher einmal ankündigen. Aber wird sehr häufig gemacht, weil ja mittlerweile eben auch das Thema Arbeitszeugnis etwas ist, wo man durchaus auch sagen kann, wie viel Aussagekraft hat so ein Zeugnis heutzutage noch. Von daher sehr beliebt, und muss man immer drauf gefasst sein, dass da mal eine Rückfrage kommt.
    Böddeker: Das heißt, man darf auch nachfragen beim vorherigen Arbeitgeber, was der Bewerber vorher verdient hat zum Beispiel.
    Hoffmann: Das, denke ich, fällt unter Datenschutz. Das glaube ich nicht, dass Ihnen das der Arbeitgeber sagen darf, aber fragen können Sie zumindest. Aber da geht es eher darum, noch mal nachzuprüfen, war der wirklich da, hat er wirklich in der Position dort gearbeitet, und wie hat er sich da gegeben.
    "Das geht bis zur strafrechtlichen Verfolgung"
    Böddeker: Mal angenommen, jemand hat falsche Angaben gemacht. Wie lange muss derjenige noch befürchten, dass ihm diese Lüge irgendwann vor die Füße fällt? Also auch später noch, wenn er schon länger im Betrieb arbeitet?
    Hoffmann: Durchaus. Grundsätzlich müssen Sie damit immer rechnen, und deswegen raten wir auch dazu, das eben nicht zu machen, weil es Sie durchaus immer so ein Stück weit begleitet und belastet in der Bauchgegend sozusagen - wenn das mal auffliegt. Das hat was damit zu tun, wie schwerwiegend diese Lüge ist, aber das geht eben bis zur strafrechtlichen Verfolgung oder eben auch Auflösung so eines Arbeitsvertrages auch über einen langen Zeitraum.
    Böddeker: Gibt es auch Lügen, die nicht so schlimm sind oder vielleicht sogar erlaubt oder sinnvoll? Ich denke da an Fragen zur Lebensplanung, Gesundheit und so weiter.
    Hoffmann: Genau. Da gibt es ja eben auch Fragen, die man gar nicht wahrheitsgemäß beantworten muss, zum Beispiel eben im Sinne des AGGs, des Gleichstellungsgesetzes, zu Ihrer sexuellen Ausrichtung, zu Ihrem Glauben und so weiter, zu einer Schwangerschaft, zur Gesundheit, solange es eben nicht den Arbeitsplatz betrifft. Da ist es durchaus erlaubt und nicht so schlimm. Es würde mir zum Beispiel einfallen, beim Thema Hobby, wenn Sie da reinschreiben, ich lese gern, dann müssen Sie halt nur auf die Frage gefasst sein, was war denn das letzte Buch? Und wenn da nichts kommt, wird es schwierig.
    Plädoyer für die Aufrichtigkeit
    Böddeker: Das heißt, Sie würden grundsätzlich Bewerbern dazu raten, die Wahrheit zu sagen, außer bei genau solchen Fragen?
    Hoffmann: Ja, definitiv. Weil, und das hatten wir ja ganz am Anfang, wenn das Vertrauensverhältnis einmal gestört ist, und das können Sie nicht beziffern, ob es oder an welcher Lüge es am Ende festgemacht ist. Da ist ja auch jeder ein Stück anders. Aber da würde ich definitiv von abraten.
    Böddeker: Bei Lügen im Lebenslauf kennen Personalverantwortliche keine Gnade. Das ist das Ergebnis einer neuen Untersuchung. Darüber gesprochen haben wir mit Thomas Hoffman von Robert Half. Danke für das Gespräch!
    Hoffmann: Sehr gern!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.