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Lufthansa, Alitalia und die Staatshilfen
EU will Zombie-Unternehmen verhindern

Die Europäische Kommission wird sich geplante Staatshilfen für Fluglinien genau anschauen. Mit einer speziellen Regel will die EU verhindern, dass marode Unternehmen durch staatliche Finanzierung gerettet werden und weiterleben.

Von Peter Kapern | 26.05.2020
Auf den Schreibtischen der Kommission liegt auch ein Antrag Italiens auf Subventionierung von Alitalia
Auf den Schreibtischen der Kommission liegt auch ein Antrag Italiens auf Subventionierung von Alitalia (MAXPPP)
Keine Informationen zu konkreten Fällen, über die noch nicht entschieden worden ist. So hält es die EU-Kommission immer dann, wenn es um wettbewerbsrechtliche Fragen geht. Deshalb war Kommissionssprecherin Arianna Podesta sehr schmallippig, als sie gefragt wurde, ob die Lufthansa tatsächlich im Gegenzug für Staatsknete Slots für Starts- und Landungen an den Flughäfen in München und Frankfurt abgeben soll. Aber dann gab sie doch ein paar Hinweise, wie die Kommission ihre Bedenken gegen die Lufthansa-Rettung begründen würde.
Lufthansa-Flieger stehen still, 06. Mai 2020 in Frankfurt am Main
Rettungspaket für die Lufthansa - Wie viel Staat muss sein?
Mit neun Milliarden Euro will die Bundesregierung die Lufthansa retten. Linken-Politiker Thomas Lutze begrüßte im Dlf das Hilfspaket. Der Bund müsse aber mehr Einfluss bekommen. Die FDP fürchtet den Einstieg in eine Verstaatlichungsserie privater Unternehmen.
Nämlich mit Punkt 72 des vorübergehenden Rechtsrahmens für Staatsbeihilfen in der EU. Dieser Punkt 72, der dem Rechtsrahmen am 8. Mai nach Konsultationen mit den Mitgliedstaaten hinzugefügt worden ist, verlangt, dass Mitgliedstaaten immer dann zusätzliche Vorschläge für die Bewahrung des Wettbewerbs machen, wenn ohnehin dominante Unternehmen vom Staat eine Rekapitalisierung von mehr als 250 Millionen Euro erhalten.
Regeln für Staatsbeihilfen
Und die Staatshilfe für die Lufthansa liegt nun mal weit über diesem Limit. Um diese wettbewerbspolitische Linie der Kommission zu verstehen, muss man auf den Beginn der Coronakrise zurückschauen. Mitte März setzte die EU-Kommission den Stabilitätspakt aus, damit die Mitgliedstaaten Geld in ihre Wirtschaft pumpen, um sie in der Krise zu stützen. Gleichzeitig aber waren die Mitgliedstaaten davon überzeugt, dass der Binnenmarkt bewahrt werden müsse, damit die EU nach der Krise wieder wirtschaftlich zulegen kann.
Deshalb wurde entschieden, die Regeln für die Staatsbeihilfe, die an Unternehmen gezahlt werden dürfen, nicht auch auszusetzen, sondern sie nur zu lockern. Für diese gelockerten Regeln wurde ein neuer, vorübergehender Rechtsrahmen geschaffen. Er soll sicherstellen, dass durch die Krisenhilfe, die von den Mitgliedstaaten mobilisiert werden, Wettbewerber und Kunden keine dauerhaften Nachteile davontragen.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Es sei wichtig, das Level Playing Field für die Post-Corona-Zeit zu bewahren, so Kommissionssprecherin Podesta, zum Wohle aller Unternehmen und Verbraucher in der EU. Bislang hat die EU-Kommission in der Corona-Krise Subventionen für drei Fluglinien bewillig: Für Air France, für SAS und für Condor. Bei diesen Hilfen handelte es sich aber ausschließlich um Kredite, die von den Carriern zurückgezahlt werden müssen.
Alitalia soll komplett verstaatlicht werden
Die Bundesregierung will bei der Lufthansa durch den Einstieg des Staates aber vor allem das Eigenkapital stärken. Dabei übernehme der Staat weit mehr Unternehmerrisiken als bei der Vergabe von Krediten, heißt es bei der Kommission. Und deshalb so die Schlussfolgerung, seien auch schärfere Auflagen gerechtfertigt. Auf den Schreibtischen der Kommission liegt außerdem ein Antrag Italiens auf Subventionierung von Alitalia. Die Fluglinie soll komplett verstaatlicht werden. Über den Antrag ist noch nicht entschieden worden. Auf ihn könnte aber noch eine ganz andere Klausel des vorübergehenden Rechtsrahmens der EU für Staatsbeihilfen zutreffen. Nämlich jener, der festlegt, dass Coronahilfen nur an Unternehmen gezahlt werden dürfen, die vor dem 31. Dezember 2019 noch nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren.
Was auf die Dauer-Krisen-Airline Alitalia nicht zutrifft. Mit dieser Regel will die EU verhindern, dass marode Unternehmen durch Staatsknete gerettet werden und als Zombie-Unternehmen weiterleben. Über Alitalia hat die Kommission noch nicht entschieden, über die Lufthansa kann sie noch gar nicht entscheiden. Weil die Bundesregierung noch gar keinen Antrag gestellt hat. Aber man sei im permanenten Kontakt, so die Kommissionssprecherin. Soll wohl heißen: Ein sich anbahnender Konflikt mit Berlin soll vor einem förmlichen Genehmigungsverfahren beigelegt werden.
Was die Fluglinie Ryanair allerdings nicht davon abgehalten hat, gegen die Subventionen für Lufthansa zu Felde zu ziehen. Man werde gegen diese – Zitat – rechtswidrigen staatlichen Beihilfen vorgehen, kündigte Ryanair-Chef Michael O-Leary an.