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Lukas Bärfuss zum Büchner-Preis 2019
"Meine Poetik war mir nie Selbstzweck"

In seiner Dankesrede verwies der Schweizer Dramatiker und Autor Lukas Bärfuss auf die Verantwortung seiner Generation, an die Verbrechen der Vergangenheit zu erinnern: "Wer den letzten Krieg vergisst, bereitet schon den nächsten vor."

Von Lukas Bärfuss | 03.11.2019
Ein Porträt des Schweizer Schriftstellers Lukas Bärfuss, 2017
Der Schriftsteller Lukas Bärfuss erhält den Georg-Büchner-Preis 2019 (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
Als "Zoon politikon", als politischen Menschen, der das Gemeinwesen zum Hauptgegenstand seiner Untersuchungen und seines Handelns mache, bezeichnete die Theaterdramaturgin Judith Gerstenberg den diesjährigen Büchnerpreisträger Lukas Bärfuss.
"Sein unumstößliches Vertrauen in das Gelingen einer Gedankenarbeit, die ihre Kraft aus sokratischer Selbstbefragung bezieht, ist sehr tröstlich und emanzipiert sein Gegenüber, das er darin einbezieht."
Bärfuss selbst mahnte in seiner Dankesrede an die Verantwortung und Möglichkeiten eines jeden Einzelnen: "Freiheit und Empathie sind niemals umsonst, das ist wahr, aber möglich sind sie immer, in jedem Augenblick. Davon wollte und will ich erzählen." In diesem Bestreben fühle er sich auch dem Namensgeber des Preises, Georg Büchner, verbunden und der Frage, "was das denn sei, was in uns lügt, stiehlt, hurt und mordet".
Das Böse überwinden
Kein dunkler, metaphysischer Pfuhl zwinge uns zu schrecklichen Taten, wie sie etwa im Nationalsozialismus geschehen seien. Und das wäre eine gute Nachricht, so Bärfuss:
"Es braucht keine Chirurgen, um uns das Böse aus den Leibern zu operieren, mit wachen Sinnen und empfindsamen Herzen können wir die Gewalt erkennen, wir können sie zur Sprache bringen, und wenn wir den Mut haben und nicht um unser Leben fürchten, dann können wir uns alle gegen sie stellen und sie überwinden."
An einem Infostand des Partnerlandes Schweiz auf der Leipziger Buchmesse in Leipzig (Sachsen) stehen am 12.03.2014 Holzschnitzfiguren in einer Glasvitrine. Vom 13. bis 16. März präsentieren sich auf der Messe 2000 Verlage mit ihren Neuerscheinungen. Foto: Arno Burgi/dpa
Georg-Büchner-Preis 2019 - Suissemania oder die Schweiz ist des Wahnsinns Lukas Bärfuss erhielt am 2. November den Georg-Büchner-Preis 2019. Wir stellen seinen Essay aus 2015 vor, in dem er die gesellschaftlichen Verhältnisse, Politik und Medien in der Schweiz angreift.
Lukas Bärfuss wurde am 30. Dezember 1971 in Thun geboren und lebt in Zürich. Er begann 1998 als Dramatiker und avancierte zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Theaterautoren. Seine Stücke wurden in ein Dutzend Sprachen übersetzt und werden weltweit gespielt. Zu seinen bekanntesten Dramen zählen "Die sexuellen Neurosen unserer Eltern" (2003), "Der Bus" (2005), "Öl" (2009) und "Frau Schmitz" (2016).
Als Erzähler debütierte Bärfuss 2002 mit der Novelle "Die toten Männer". Sein erster Roman "Hundert Tage" über den Völkermord in Ruanda erschien 2008. Auch sein zweiter Roman "Koala" aus dem Jahr 2014, in dem er den Suizid seines Bruders verarbeitet, fand ein großes Echo. Für diesen Roman wurde ihm 2014 der Schweizer Buchpreis verliehen.