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Luther und die Astronomie
Der Revolutionär, der Reformator und kein Narr

Immer wieder heißt es, Martin Luther sei ein Gegner der Idee des Nicolaus Copernicus gewesen, nach der nicht die Erde, sondern die Sonne im Zentrum des Planetensystems steht.

Von Dirk Lorenzen | 09.10.2017
    "Dieser Narr will die ganze Kunst Astronomiae umkehren", soll Luther bei Tische gepoltert haben. Und weiter: "Aber Josua hieß die Sonne stillzustehen und nicht das Erdreich."
    Laut der Bibel standen Sonne und Mond still, bis das Volk Rache an seinen Feinden genommen hatte. Offenbar bewegte sich die Sonne sonst - ein Widerspruch zu Copernicus. Allerdings gibt es keine Belege für Äußerungen des Reformators über Copernicus. Besagte Tischrede ist von 1539 - damals war Copernicus' Theorie nur wenigen Insidern bekannt. Luther dürfte sich damit kaum beschäftigt haben. Zudem wurden Luthers angebliche Äußerungen erst Jahrzehnte später behauptet - und zwar von jemandem, der nicht selbst dabei gewesen ist. Im Tagebuch des Luther-Vertrauten Anton Lauterbach findet sich hingegen kein Hinweis.
    Der Physiker und Wissenschaftshistoriker Andreas Kleinert von der Universität Halle sieht in den Luther zugeschriebenen Bemerkungen eine "handgreifliche Geschichtslüge". Kleinert weist nach, dass Martin Luther erst im 19. Jahrhundert von zwei katholischen Historikern gezielt zum Anti-Copernicaner gemacht worden ist - während des Kulturkampfes zwischen Kaiserreich und katholischer Kirche.
    Einen Narren hat der Reformator Copernicus wohl kaum genannt. Er hat - typisch für die damalige Zeit - das neue Weltmodell wohl gar nicht wahrgenommen.