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Luxemburg, München und Rheinsberg
DELUXE, "4" und Pfingstwerkstatt

25 Jahre Jubiläum feierte am vergangenen Wochenende die Rheinsberger "Pfingstwerkstatt". International renommierte Künstler wie Carin Levine, Léon Berben oder das Ensemble "unitedberlin" trafen sich hier ebenso wie junge Musiker und Musikerinnen — ganz im Sinne der traditionellen Nachwuchsförderung im Bereich der Neuen Musik.

Von Martina Brandorff | 17.05.2016
    Blick auf das Schloss Rheinsberg in Brandenburg: Das Schloss Rheinsberg ist Sitz des Kurt-Tucholsky-Literaturmuseums; in einem Nebengebäude befindet sich die Landesmusikakademie
    Gehört zum berühmten Schloss Rheinsberg: die Landesmusikakademie (picture-alliance/ dpa)
    Musik: Landesjugendensembleprobe
    "Hallo ich bin Vera und irgendwie ist es so Tradition geworden, zu Pfingsten immer zu "Jugend komponiert" nach Rheinsberg zu kommen."
    "Ich bin Linus, ich bin aus Erfurt und ich bin hier mit dem Landesjugendensemble Thüringen, um eben neue Erfahrungen zu sammeln."
    "Ich bin Paulina, komme aus Jena und ich bin hier, um Flöte zu spielen."
    "Hallo, ich bin Roman und ich bin eigentlich nur wegen der Landschaft hier."
    Musik: Landesjugendensembleprobe
    Ein Schloss am See — die pure Idylle umgibt die Landesmusikakademie in Rheinsberg. Für die jungen Musiker und Musikerinnen, die dort das vergangene Wochenende verbrachten, standen allerdings Workshops, Proben und Konzerte im Mittelpunkt — laut Akademieleiterin Juliane Wandel ganz im Sinne der Tradition der Rheinsberger Pfingstwerkstatt:
    "Als Veranstaltung der Musikakademie gibt es die Rheinsberger Pfingstwerkstatt seit 25 Jahren und die Idee dahinter ist, sich der Neuen Musik zu widmen, und das machen hier vorzugsweise junge Kursteilnehmer unter Anleitung von erfahrenen, international renommierten Dozenten."
    Gleich fünf Gruppen junger Musiker waren in diesem Jahr an der Pfingstwerkstatt beteiligt. Neben den Landesjugendensembles aus Niedersachsen, Bremen, Thüringen und Rheinland-Pfalz kamen Teilnehmer des Wettbewerbs "Jugend komponiert" zu einem gemeinsamen Workshop zusammen. Unter Anleitung des Komponisten Helmut Zapf wurden die eingereichten Werke analysiert und diskutiert — als Vorbereitung der Uraufführungen im gemeinsamen Abschlusskonzert.
    Atmo: Werkstatt junger Komponisten
    "Ja also, ich sehe das wirklich ganz locker."
    "Ja, ich weiß was du damit meinst, aber trotzdem ist es von dir ja… sag ich mal so…"
    "Intendiert."
    "Ja."
    "Also, das Kind braucht einen Namen und ich hätte es auch einfach "Komposition 5" nennen können..."
    "Nee, das find ich nicht…"
    "Ich finde, dass das sehr harmonisch in unserem Kurs hier abläuft. Das sind alles wirklich liebe Leute und natürlich denken alle kompositorisch total unterschiedlich und arbeiten total unterschiedlich und es kommen ganz andere Kompositionen heraus, und das ist auch gut so. Aber es gibt keinen Streit oder Stress. Natürlich muss es Kritik geben, sonst bringt es ja nichts, aber es ist nicht so, dass man die ganze Zeit mit einem Hammer auf den Kopf des anderen haut und sagt :"Das hast du nicht gut gemacht, mach das doch besser so...". Wir sind ja in gewisser Weise Kollegen und schaden wollen wir den anderen ganz und gar nicht, es ist positiv, durchaus positiv."
    Nach Elias Jurgschats Beschreibung scheint es sich bei "Jugend komponiert" tatsächlich um ein seltenes Phänomen zu handeln: Einen Wettbewerb ohne Konkurrenten. Spiegelbild dieser harmonischen Vielfalt ist auch das Abschlusskonzert: Vom Duo zum Quartett — vom heiteren Seemannslied zur nachdenklichen Hommage an den Ersten Weltkrieg. "Einblick" heißt Elias Jurgschats Stück für Oboe, Bratsche und Klavier, das in der Pfingstwerkstatt uraufgeführt wird:
    Musik: "Einblick" von Elias Jurgschat
    "Kurz zusammengefasst ist das Stück eine Art Fokussierung von Klang, eine Art Untersuchung eines Klanges in verschiedenen Momenten, in verschiedenen Ebenen, in verschiedenen Möglichkeiten. Über eine nicht allzu lange Spielzeit von sieben Minuten wird versucht, einen Klang zu durchleuchten, ein bisschen zu röntgen, sozusagen.
    Musik: "Einblick" von Elias Jurgschat
    "Es ist immer für jeden Komponisten ein spannender Moment, wenn er das erste Mal die Vorstellung in der Realität erlebt und das ist immer mit gehörig viel Aufregung und Nervosität und Angst und Unsicherheit verbunden und Unzufriedenheit und Freude. Das ist ein ganz großer Mix an Gefühlen, der da bei den Proben, aber wahrscheinlich noch schlimmer dann bei der Uraufführung aufkommt, in einem."
    Musik: "Einblick" von Elias Jurgschat
    Eine Reise in Neue Klangwelten in deutlich größerer Besetzung unternahm das Ensemble der Länder, bestehend aus den Landesjugendensembles Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Bremen. Der Komponist Johannes Hildebrandt ist Mitbegründer des Ensembles und hatte in diesem Jahr eine ganz besondere Idee: ein gemeinsames Konzertprojekt mit der Rockband "Nervous Germans".
    "Was mich an der Band gereizt hat, war, dass sie bisher noch nie mit Neuer Musik zu tun hatte und so etwas derartiges noch nie gemacht hat, aber prinzipiell aufgeschlossen war und das einfach mal ausprobieren wollte. Ich habe viele Komponisten vorher angefragt, ob sie dafür etwas machen wollen und manche haben gleich gesagt: "Ne, das wird nichts". Dazu kommt ja auch noch, dass in der Band zwei Leute nicht so fit im Notenlesen sind. Also man kann ihnen sagen, was sie spielen sollen und das machen sie dann auch sehr gut, aber aus Noten heraus und so komplexen Taktarten, wenn das so 7/8 und 9/16 und dann ein 3/4-Takt — sowas haben die noch nie gesehen, die waren völlig irritiert."
    Doch das gemeinsame Abschlusskonzert glückt: "Nervous Germans" und die jungen Musiker lassen die Pfingstwerkstatt im Sinne stilistischer Offenheit und klanglicher Experimentierfreude ausklingen. Die fruchtbaren, zunächst aber gewöhnungsbedürftigen Proben der vergangenen Tage werden die Ensemblemitglieder Linus und Elias so schnell nicht vergessen.
    Musik: "Nervous Germans" und das "Ensemble er Länder"
    "Also es war mal was Neues und ich fand es auch interessant, weil ich denke, dass es auch ganz gut für die Neue Musik ist, wenn man sie, weil sie ja nicht massentauglich ist, mit anderen Musikstilen mischt."
    "Also mit den unterschiedlichen Musikwelten das zusammenzubringen ist am Anfang sicher schwierig, weil die sich auf uns nicht so richtig einstellen können, weil sie nicht wissen, wie wir spielen und wir wissen nicht, ob die so laut spielen müssen, aber es war auf jeden Fall eine sehr interessante Erfahrung.
    Musik: "Nervous Germans" und das "Ensemble der Länder"