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Luxemburg
Wem gehört die Kirche im Dorf?

Die luxemburgische Regierung von Premierminister Xavier Bettel hat eine historische Reform begonnen: Kirche und Staat sollen voneinander getrennt werden. Umstritten ist, wer künftig über das Geld für Gebäude und Gemeinden befindet. Aus dem Konflikt zwischen Kirche und Staat ist ein innerkirchlicher Streit zwischen Basis und Erzbischof geworden.

Von Tonia Koch | 02.03.2016
    Die Burg Lucilinburhuc befindet sich in einer Höhe von rund 282 m auf dem so genannten „Bockfelsen, den Graf Siegfried 963 erwarb. Darunter die Teilansicht der Kasematten. Im Hintergrund der Kirchberg mit seiner Skyline. Die Burg wird in einer Urkunde erwähnt, welche den Tausch zwischen dem Ardennergraf Siegfried und dem Kloster St. Maximin in Trier aus dem Jahre 963 dokumentiert. Aus dem Besitz des Klosters erhält der Graf den Bockfelsen gegen Ländereien in Feulen.
    Die Burg Lucilinburhuc und das Kirchberg-Plateau in Luxemburg. (picture-alliance / dpa / Klaus Nowottnick)
    Festgebissen haben sich die Reformer an der Frage: Wem gehört die Kirche im Dorf? Innenminister Dan Kersch:
    "Es ist ja so, dass die Besitzverhältnisse der allermeisten Kirchen in Luxemburg nicht geklärt sind. Niemand weiß genau, ob sie der Kirchenfabrik gehören, der Gemeinde gehören oder ob sie einem Dritten gehören eventuell sogar dem Staat. Deshalb haben wir uns zusammengesetzt mit dem Bistum und haben gesagt, das ist eigentlich eine sehr unglückliche Situation, die man ein für alle Mal einmal klarstellen sollte. Das ist das Ziel dieser Reform, wir wollen ganz klar die Besitzverhältnisse klären."
    Die Kirchenfabriken sind eine luxemburgische Besonderheit. Napoleon hat sie geschaffen, als eigenständige juristische Gebilde mit weitreichenden Befugnissen. Einer Kirchenfabrik gehören Laienvertreter der Pfarrgemeinde an, der Pfarrer aber auch der Bürgermeister der Kommune. Bislang verwalten die Kirchenfabriken ihren Besitz, Kirchen, Liegenschaften, Immobilien und finanzielle Mittel in eigener Regie. Aber nicht immer gehört den Kirchenfabriken auch das Gotteshaus, das sie nutzen. In vielen Fällen ist die Kommune Eigner der Ortskirche mit allen Unterhaltspflichten. Daran soll sich auch zukünftig nichts ändern. Die 285 Kirchenfabriken hingegen sollen aufgelöst werden. Das heißt, die Fabriken sollen ihr gesamtes Vermögen inklusive ihrer eigenen Kirchen in einen Fonds einbringen, der zentral vom Erzbischof verwaltet wird. Dagegen regt sich Widerstand. Serge Eberhard sagt:
    "Das, was geplant ist, entspricht in keiner Weise dem, was die Kirchengemeinden sich vorstellen. Geplant ist eine Enteignung der Kirchengemeinden zugunsten eines nationalen Fonds, der dann dem Bischof gehört und der Bischof entscheidet dann selbst und selbstherrlich wo was hingeht."
    Eberhard steht dem Syfel vor, einer Interessengemeinschaft der 285 luxemburgischen Kirchenfabriken. Der Syfel hadert mit dem Bistum, weil nicht die Regierung sondern das Bistum selbst die Idee eines gemeinsamen Fonds in die Diskussion eingebracht hat. Bestehende Strukturen in den Pfarreien würden dadurch zerstört und die ehrenamtlich tätigen Laien auf lokaler Ebene entmachtet. Eberhard:
    "Das erschwert das Ganze und macht, das kann man ruhig so sagen, die Menschen, die sich einsetzten, zu Hampelmännern"
    Dabei sperrten sich die Kirchengemeinden nicht gegen notwendige Reformen, versichert der Vertreter des Syfel. Die Kirchenfabriken seien bereit, ihre aktuelle Zahl stark zu reduzieren und sie seien auch bereit in einen Solidarfonds einzuzahlen, um die unterschiedliche Finanzkraft der Kirchengemeinden auszugleichen. Nur verwalten wollen sie ihre Besitztümer selbst. Denn nur dann, wenn die Gliederungen vor Ort auch in die Reform eingebunden würden, hätte diese Aussicht auf Erfolg. Der Erzbischof sei nun gefordert, so Eberhard.
    "Vom Bistum aus könnte man jetzt und sollte man auch sagen, o.k. wir haben uns geirrt, wir nehmen den anderen Weg."
    Danach aber sieht es nicht aus, deshalb suchen die Kirchenfabriken das Gespräch mit der Regierung, doch diese schaltet auf stur. Den Fabriken fehle ein Verhandlungsmandat, argumentiert Innenminister Kersch.
    "Die Regierung kann ja nicht mit einer Unterorganisation der Kirche reden. Wenn ich direkt mit Ihnen verhandeln würde, würde ich unseren Verhandlungspartner ausschalten – und das ist das Bistum. Das kann ich nicht, unser Verhandlungspartner ist und bleibt das Bistum."
    Aus dem Konflikt zwischen Kirche und Staat ist ein innerkirchlicher Konflikt geworden. Die formale Position der Regierung trägt zwar nicht dazu bei, die Situation zu entspannen, aber der sozialistische Innenminister liegt nicht ganz falsch, wenn er resümiert. Kersch:
    "Ich bin der Meinung, dass hier ein Stellvertreterkrieg gegen mich geführt wird, weil nicht der Mut da ist, diese Auseinandersetzung innerhalb der Kirche offen zu führen."
    Die Frage ist mit wem? Der spiritus rector der Reform, Generalvikar Erny Gillen, ist nicht mehr an Bord. Nachdem die grundsätzlichen Weichenstellungen über eine Trennung von Kirche und Staat mit der Regierung ausgehandelt waren, hat er persönliche Trennungsbeschlüsse gefasst. Er legte sein Amt nieder. Und nicht nur das: Er hat inzwischen auch sein Priesteramt aufgegeben.