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Luxusgüter für Linksintellektuelle

Der Architekt und Künstler Friedrich von Borries hat ein Buch geschrieben und die Geschichte gleich in der Realität umgesetzt: Ein junger Mann gründet die Firma "RLF", um teure Designprodukte an Linksintellektuelle zu vermarkten. Mit dem Gewinn will er die antikapitalistische Revolution finanzieren.

Von Elise Landschek | 23.08.2013
    Friedrich von Borries will einsteigen ins Revolutionsgeschäft. In blauem Sakko, weißem Hemd und Goldrandbrille sitzt er auf einem Sofa in seinem Kreuzberger Designbüro, das momentan auch als Firmenzentrale fungiert. "RLF" heißt das Unternehmen, dass Friedrich von Borries gegründet hat. Er nennt es auch "Experiment" oder "Gesamtkunstwerk". Die drei Buchstaben sind abgeleitet von Adornos Leitsatz aus der Minima Moralia: "Es gibt kein richtiges Leben im Falschen". Friedrich von Borries’ Experiment beginnt mit einem Buch, einem Roman. "Aufzeichnung" korrigiert der Autor. Er behauptet, die Geschichte habe sich so wirklich zugetragen.

    Manchmal wundert sich Jan, wie gut seine Konzepte ankommen. Wobei das Erschreckende nicht ist, dass die Auftraggeber davon begeistert sind, sondern die Leute draußen in Scharen die Sachen kaufen, die ihnen in der Werbung angepriesen werden.

    Die Geschichte des Buchs ist kompliziert, in groben Zügen erzählt geht sie so: Hauptfigur Jan ist ein junger, höchst erfolgreicher Werbefachmann aus Hamburg-Blankenese. Er träumt von einem Porsche und der großen Karriere. Doch dann gerät Jan durch Zufall in die sozialen Aufstände von London. Er ist fasziniert von dem magischen Sog des Protests. Aufgewacht aus seinem Revolutionsrausch stellt Jan sein bisheriges Leben infrage und beschließt, ihm neuen Sinn zu geben.

    Es ist ganz einfach: Ich muss die Mittel der Werbung einsetzen. Revolution und Werbung. Werbung als Motor für gesellschaftliche Veränderung. Den Kapitalismus von innen heraus verändern. Die Werbung, ihre Macht der Verführung nutzen, um zu einer anderen Gesellschaft zu kommen.

    Mit drei Freunden zusammen gründet Jan das Unternehmen RLF. Er will das System mit seinen eigenen Waffen schlagen, mit hochpreisigen Produkten und einer ausgeklügelten Marketingstrategie. Mit dem Erlös der Firma will er eine dauerhafte Revolutionsbewegung finanzieren. Die Zielgruppe von RLF: Linksintellektuelle Großstädter, die das herrschende kapitalistische System als ungerecht empfinden und trotzdem teure Designerklamotten tragen. Von Borries nennt sie die "Bioladen-Kundschaft".

    "Man kann auch sagen, dass RLF eine Radikalisierung und Überspitzung der ethischen Konsumdebatte ist, auch davon hat Jan gelernt und wir alle wissen, dass wir uns besser fühlen, wenn wir im Bioladen unser Essen kaufen und nicht mehr drauf gucken, dass das Fleisch eigentlich aus Argentinien um die halbe Welt geschifft wird, Hauptsache es ist "Bio" und wir fühlen uns gut."

    Autor Friedrich von Borries hat es nicht bei dem Roman belassen, den er als wahre Begebenheit verkauft, er hat das Unternehmen RLF tatsächlich gegründet.

    "RLF entwickelt hochattraktive, aber mit dem Image von Protest aufgeladene teure Konsumartikel, wobei man das gute Gefühl hat, dass man zur Protestkultur gehört und dass der Gewinn wieder in Protestkultur zurückfließt."

    Und das sind die Produkte, mit denen von Borries die Welt verändern will: ein handgeknüpfter Teppich in schwarz-weiß zum Beispiel, auf der Rückseite, also für den Betrachter nicht sichtbar, sind die Worte "Show you are not afraid" eingewebt – der Slogan für die Revolution. Ein Ikeatisch, mit unversiegelter Blattgoldoberfläche, wenn sie sich abnutzt, kommen die gleichen Worte zum Vorschein, genau so ein Stuhl, mit goldgewebter Oberfläche. Kostenpunkt der Möbel: 6.000 bis 18.000 Euro. Hauptsache teuer. Borries verkauft die Konsumprodukte als Kunstobjekte.

    "Für Kunst gibt man gerne viel Geld aus, auch das gehört zu den Widersprüchlichkeiten unseres Systems, dass sehr teure Kunst anscheinend der einzige Bereich ist, in dem radikale gesellschaftliche Kritik akzeptiert, wenn nicht gar gewünscht ist."

    Ein paar Turnschuhe in Schwarz-Gold - auch ihre Sohle soll sich abreiben und den Slogan freigeben. Sie kann man nicht kaufen, sondern nur durch den Erwerb von Revolutionsaktien im Internet ersteigern. So soll man zum "Shareholder der Revolution" werden, auch das ist so ein Slogan der Firma.
    Zur Herstellung seiner Produkte wie dem Teppich, den Möbeln oder den Turnschuhen kooperiert Friedrich von Borries mit namhaften Designern wie Enzo Mari und Firmen wie KLM und Adidas, für die die Beteiligung am Projekt natürlich wunderbar Image fördernd ist.
    "Das ist bei dem Experiment die spannende Frage: Trickst RLF Adidas aus oder trickst Adidas RLF aus oder tricksen sie sich gar nicht aus, sondern profitieren voneinander – in gewisser Weise bildet das die Widersprüche ab, in denen wir halt leben."

    Manche nennen von Borries einen Aufschneider, einen Spinner. Seine Ideen seien nicht zu Ende gedacht. Welche Vision am Ende des Systemumsturzes stehen soll und wofür der Erlös von RLF genau verwendet werden soll, lässt er offen. Vielleicht eine Mikro-Nation, in der das neue "richtige" Leben erprobt werden kann. Man kann die Thesen von Friedrich von infrage stellen, ablehnen und eine eigene, viel bessere Idee entwickeln. Von Borries würde sagen: Auch das ist Teil des Gesamtkunstwerks.