Donnerstag, 25. April 2024

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Luxusobjekte aus Menschenhaar
Hochwertig, edel und abstoßend

Könnten Haarbüschel Edelholz als Luxusmaterial ersetzen? Wenn es nach dem Designerduo Swine aus London geht, ja. Die Künstler beschäftigen sich mit nachhaltigen Ressourcen und der Möglichkeit, diese in Luxusobjekte zu verwandeln.

Von Louise Brown | 24.11.2014
    Chinesische Straßenverkäufer verkaufen menschliche Haare
    Haar als Rohmaterial: China ist der größte Exporteur menschlicher Haare (AFP / Greg Baker)
    Er könnte aus Schildpatt sein, der Rahmen des zwei Meter hohen Spiegels, um den sich Londons Schöne und Reiche drängen. Der Spiegel thront über dem Showroom des Porsche Design Stores im Nobelviertel Knightsbridge. Das, was da im Scheinwerferlicht goldbraun und nachtschwarz schimmert, ist weder Schildpatt noch Edelholz – sondern Haar.
    Genauer gesagt: Haar eingegossen in Kiefernharz. Wie schwarzer Seetang, festgefroren in einem goldenen Meer, sieht es aus. Auch die anderen Objekte sind aus diesem Haar-Harz-Gemisch: die zarten Kämme. Die Schmuckschachteln. Entworfen wurden sie von dem Künstlerduo Swine, alias Alex Groves und Asuza Murakami.
    Ist Luxus mit Nachhaltigkeit vereinbar?
    Ihre Faszination gilt dem Haar als nachwachsender Rohstoff, von dem es bei weiter wachsender Bevölkerung immer geben wird, sagt Alex Groves.
    Swine möchte wissen: Ist Luxus mit Nachhaltigkeit vereinbar? Und reist in die Provinz Schandong, das Herz der chinesischen Haarindustrie.
    Hier, in stickigen Fabriken, wird das Milliardengeschäft mit Menschenhaar gemacht. Swine lässt seine Hochglanz-Objekte ebenfalls in China von Tischlern in traditioneller Handarbeit anfertigen, im Shanghai-Art-Deco-Stil der 30er Jahre.
    Hochwertig, edel – und abstoßend.
    Die Tradition der Haarverarbeitung geht lange zurück – etwa für Schmuck bei den Viktorianern. Aber es schießen einem auch schnell Holocaust-Bilder durch den Kopf: Haar aus den Konzentrationslagern als Kopfkissenfüller für die Nazis...
    Alex: "Haar ist das ultimative Symbol für Schönheit und für Begierde; aber abgeschnitten kann es unheimlich und abschreckend wirken. Das Spannende als Designer ist, diesen Rohstoff in ein Material zu verwandeln."
    In London zucken die Gäste leicht zusammen, als sie hören, dass die schmucken Kästchen aus Haar sind. Um sich umso neugieriger um die Vasen und Kämme zu scharen.
    Qualität und Provokation
    "I like it. They not only make design, they invent the material."
    Sie würde ein Designerstück aus Haar tragen, sagt diese stylishe, junge Chinesin. Und Jana Scholze, Kuratorin am Victoria & Albert Museum in London, will die Produkte nächstes Jahr ausstellen:
    "Was ich wichtig an den Werken finde, ist, dass sie ästhetisch eine sehr hohe Qualität haben und gleichzeitig eine Provokation in sich tragen."
    Trotz oder wegen der Provokation ist der Zuspruch überraschend groß.
    Gerade die Luxuswagenhersteller, sagt Alex, würden sich für ihre Haarkreationen interessieren. Etwa als Alternative zum Tropenholz für das Armaturenbrett.
    "I think that beauty is not what you see but what you know."
    Schönheit liegt zunehmend in der sauberen, nachhaltigen Produktion. Zum Statussymbol taugt das Luxusobjekt aus Menschen-Haar allemal: Bei Swine waren die bisher erfolgreichsten Stücke Brillengestelle.