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Lymphangioleiomyomatose
Wenn der Atem immer knapper wird

Martina Kopera musste lange auf ihre Diagnose warten, denn ihre Krankheit ist selten: Bei der genetisch bedingten Lymphangioleiomyomatose verwachsen Zellen mit der Lunge, die dort nicht hingehören. Helfen kann bei fortgeschrittener Erkrankung nur die Transplantation eines gesunden Organs.

Von Christina Sartori | 13.02.2018
    Die Illustration zeigt eine weibliche Lunge: Die Lymphangioleiomyomatose ist eine Erkrankung, die nur bei Frauen auftritt.
    Die Illustration zeigt eine weibliche Lunge: Die Lymphangioleiomyomatose ist eine Erkrankung, die nur bei Frauen auftritt. (imago/Science Photo Library)
    "Keine Luft zu bekommen ist das Schlimmste, finde ich, was es gibt."
    Tag und Nacht trägt Martina Kopera einen kleinen Schlauch, der in ihren Nasenlöchern endet. Der Schlauch führt zu einer Tonne mit Sauerstoff, etwa so groß wie ein Koffer. Daneben an der Wohnzimmerwand stehen zwei weitere Tonnen – Ersatz, jederzeit bereit zum Einsatz. Der Schlauch ist Martina Koperas Nabelschnur, denn ohne die Sauerstoffzufuhr kann die Berlinerin nicht leben. Er ist mehrere Meter lang, damit sie etwas Bewegungsfreiheit hat – bis zur Küche zum Beispiel.
    "Das ist eine sehr große Einschränkung. Ich habe 24 Stunden Sauerstoff, wir müssen immer dafür sorgen, dass die drei Tonnen gefüllt sind. Und unterwegs muss ich immer überlegen, wie viel Stunden ich rausgehen kann. Ich habe vier tragbare Geräte, aber dadurch, dass ich so ein hohen Sauerstoffgehalt habe, halten die auch nicht so lange."
    Als Martina Kopera zum ersten Mal den Schlauch anlegte, reichte ihr ein Sauerstoffgehalt von vier Litern pro Minute – seitdem, in sieben Jahren, hat sich ihr Zustand Schritt für Schritt ihr verschlechtert.
    "Ich dachte echt: Das ist mein Ende"
    Aber angefangen hat alles viel früher, erzählt die Mutter von drei Kindern, vor 15 Jahren. Da wollte sie mit ihrer Schwester auf ein Konzert gehen und das fand in einem Stadion statt – auf einem Berg.
    "Da sind wir diesen langen Berg hoch und ich dachte echt 'Das ist mein Ende'. Und dann habe ich immer gesagt 'Liane, Ich kann nicht mehr, ich krieg keine Luft'. Im Nachhinein: Das war ein Anzeichen. Aber das ist immer wieder zurückgegangen, das kann ich gar nicht erklären."
    Zurück in Berlin war alles wieder in Ordnung. Erstmal. Aber dann, ein Jahr nach der Geburt des dritten Kindes, wurde die Luft wieder knapp.
    "Ich bin morgens aufgestanden und hab' zu meinem Mann gesagt: 'Du da stimmt was nicht, ich krieg keine Luft mehr', das war wie ersticken. Aber das war auf einmal wieder weg im Laufe des Tages."
    Doch nun kam es immer öfter, das Gefühl, keine Luft zu bekommen und so ging Martina Kopera schließlich zu ihrer Hausärztin:
    "Die hatten nur so eine kleine Lungenfunktion bei mir gemacht und die war schon schlecht. Aber sie hatte dann trotzdem gesagt – weil viele tippen ja nicht auf Lunge – ich sollte doch erstmal zum Kardiologen gehen."
    Ein halbes Jahr auf den Kardiologen-Termin gewartet
    Nach einem halben Jahr bekam die Berlinerin endlich einen Termin bei einer Herz-Spezialistin
    "Ich musste Fahrrad fahren, Herz-Echogramm und alles sowas. Und beim Fahrrad fahren konnte ich schon nicht mehr. Das war ja schon 'phh phhh' , nur noch so. Mein Herz war völlig in Ordnung, hat sie hat gesagt: Das muss was mit der Lunge sein."
    Also ging Martina Kopera zu einem Lungenfachmann. Dort wurde die Lungenfunktion getestet, Blut abgenommen, untersucht und dann festgestellt:
    "Asthma und ein Lungenemphysem. Und dann habe ich Sprays bekommen und die haben mir aber nicht geholfen. Ich bin ja noch arbeiten gegangen. Ich bin dann immer fast zwei Stunden früher aus dem Haus, weil ich wusste, sonst schaff' ich es nicht pünktlich bis zur Arbeit. Ich habe ja immer schwer Luft bekommen, das war ganz schlimm, die Zeit. Ich hatte immer blaue Ohren, dann habe ich immer meine Haare darüber gemacht, damit das keiner sieht. Hatte blaue Hände, blauen Mund."
    Sie schleppte sich durch den Alltag, Beruf, drei Kinder - bis es nicht mehr ging.
    "Und 2010 dann, im Dezember, werde ich nie vergessen, 19.Dezember, da bin ich dann nachts wach geworden, weil ich das Gefühl hatte, mir platzt der Kopf. Dann bin ich in die Küche gegangen, weil ja alle geschlafen haben und hab' da in der Küche gesessen die ganze Nacht und hab' immer überlegt: Wie schaff' ich es noch den Morgen zu erleben?"
    Einer der beiden Lungenflügel war zusammengefallen
    Als ihr Mann sie in der Küche nach Atem ringend fand, rief er den Notarzt. Martina Kopera kam in die Notaufnahme eines Krankenhauses und von dort sehr schnell in die benachbarte Lungenklinik. Sie hatte einen Spontan-Pneumothorax, das heißt einer der beiden Lungenflügel war zusammengefallen. Durch ein kleines Loch in der Lunge war Luft zwischen die äußere Oberfläche der Lunge und das Rippenfell gelangt, das die Lunge umgibt. So änderten sich die Druckverhältnisse im Brustkorb und der Lungenflügel fiel zusammen – Atmung war kaum noch möglich. Doch die Ärzte können den Pneumothorax behandeln und machen dabei etwas, was endlich zur richtigen Diagnose führen wird, beschreibt Prof. Christian Grohé, Leiter der Pneumologie in der evangelischen Lungenklinik in Berlin Buch:
    "In dem Rahmen werden auch Gewebsstücke entnommen. Das ist meistens eine endoskopische Maßnahme und da nimmt man auch etwas Gewebe und dann haben wir das diagnostiziert."
    Ein Spezialist, ein Lungenpathologe, färbte das Gewebe an, erklärt Christian Grohé:
    "Es gibt eine Spezialfärbung, wo man relativ elegant Strukturen zuordnen kann. Man kann Lymphe anfärben, mit speziellen Markern, man kann Gefäße anfärben und glatte Muskelzellen auch. Also wenn er dann diese Synopse hat, aus drei verschiedenen histologischen Subtypen, dann hat man die Diagnose.
    Sie ist erkrankt an einem Prozess den wir Lymphangioleiomyomatose nennen, als Kürzel LAM. Sie hat eine besondere Form, eine sogenannte sporadische Form der LAM. Die tritt nur bei Frauen auf und meistens wird sie klinisch auffällig wenn sie gebärfähig sind, also zwischen 20 und 45.
    Wir schätzen momentan das circa 500 Patientinnen erkrankt sind, das heißt, dass die Dunkelziffer etwas höher liegt, weil nicht alle Menschen die eine LAM Form haben, also eine sporadische Form der Lungenerkrankung Lymphangioleiomyomatose, unbedingt erkrankt sein müssen."
    Glatte Muskelzellen wachsen in die Gefäße der Lunge
    Die sporadische LAM ist eine genetisch bedingte Krankheit, bei der glatte Muskelzellen, die dort gar nicht hingehören, in die Blut- und Lymphgefäße der Lunge wachsen. Schreitet die Krankheit fort, dann breiten die Muskelzellen sich aus, bilden Zysten aus Muskel-, Blut und Lymphgewebezellen und zerstören dabei Lungengewebe. Sie kann unterschiedlich schnell voranschreiten – geheilt werden kann sie nicht. Bei Martina Kopera war die Lunge bei der Diagnose schon so beschädigt, dass sie seitdem auf eine Lungentransplantation wartet. Sieben Jahre warten, während das Atmen immer schwerer fällt. Aber sie gibt die Hoffnung nicht auf.
    "Einen Wunsch hab' ich: Ich möchte mit meiner kleinen Tochter über die Wiese rennen. Wenn ich andere Eltern sehe mit ihren Kindern und Luisa muss auf so viel verzichten, weil ich es nicht kann, ist das ein ganz großer Wunsch von mir."