Mittwoch, 24. April 2024

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Lyrik
Maya Angelous Erfahrungen sind "universell nachfühlbar"

Maya Angelou wird in den USA als Autorin und Aktivistin verehrt. Nun hat Judith Zander Angelous Lyrik ins Deutsche übersetzt. Sie sei sich nicht sicher gewesen, ob eine weiße Übersetzerin die Erfahrungen einer schwarzen Autorin nachvollziehen könne, sagte Zander im Dlf.

Judith Zander im Gespräch mit Miriam Zeh | 03.12.2020
Judith Zander mit Maya Angelou: „Phänomenale Frauen. Gedichte“
Die 2014 gestorbene Maya Angelou gilt als „poeta laureatus der schwarzen Frauen“. Autorin Judith Zander hat ihre hymnischen Gedichte ins Deutsche übersetzt. (Cover Suhrkamp Verlag / Portrait dtv © Bogenberger Autorenfotos)
Die Afroamerikanerin Maya Angelou, 1928 im Mittleren Westen geboren und in den Südstaaten aufgewachsen, kämpfte gegen Rassentrennung und Diskriminierung. Sie feierte aber auch literarische Erfolge, vor allem mit ihrer siebenteiligen Autobiografie, die der Suhrkamp Verlag in deutscher Übersetzung gerade sukzessiv neu auflegt. Angelous Lyrik allerdings, die sie unter anderem bei der Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton vortrug, wird in Deutschland bislang kaum gelesen. Die deutsche Autorin und Lyrikerin Judith Zander hat deshalb einige Gedichte von Maya Angelou ausgewählt und erstmals ins Deutsche übersetzt.
"Ich war mir zuerst gar nicht so sicher, ob ich sie übersetzen kann und brauchte eine gewisse Bedenkzeit, weil es recht fern von meiner eigenen Lyrik ist", sagt Zander, die bereits zwei Bände mit Gedichten von Sylvia Plath erstmalig ins Deutsche übertrug. Angelous hoher Ton, ihr Pathos und die Direktheit ihrer Aussagen reizten Zander schließlich aber doch. "Dann wechselt es bei ihr ja auch oft in eine Umgangssprachlichkeit. Es gibt solche und solche Gedichte. Sie hat eine sehr große Bandbreite von Tönen", so Zander. Viele Gedichte besingen den weiblichen, sakralisierten Körper. Von "meines Lächelns Sonnenglut" oder "meines ganzen Stiles Anmut" ist die Rede, dann wiederum von Frauenarbeit wie "Baby putzen" und "Hemden bügeln".
Details und Form bewahren vor Pathos
Vor einem Abrutschen in Pathos auf der einen oder Banalität auf der anderen Seite, bewahrt Angelou die Genauigkeit ihrer Beobachtungen. "Einerseits hat sie einen großen Blick fürs Detail", erklärt Zander. "Trotz pathetischer Anwandlungen macht sie nichts pauschal, sondern bezieht sich auf konkrete Situationen. Andererseits hat sie eine eigene Form dafür. Sie arbeitet viel mit Reim. Der ist aber nie nur um des Reimes Willen da, sondern verleiht dem Ganzen einen Drive." Diesen Schwung wollte Übersetzerin Judith Zander in ihren deutschen Übersetzungen erhalten, auch wenn das einige Satzumformungen oder leichte inhaltliche Verschiebungen erforderte, wie in diesem Auszug aus Angelous berühmtem Gedicht "Dennoch erhebe ich mich", im Original "Still I Rise".
"Ihr mögt mich niederschreiben, Geschichte
Mit bitteren Lügen zurechtzwirbeln,
Ihr mögt mich in den übelsten Dreck treten,
Ich werde, wie Staub, dennoch aufwirbeln.
Regt euch meine Freiheit auf?
Warum plagt euch düstres Brodeln?
Weil ich gehe, als hätt‘ ich Ölquellen
In meinem Wohnzimmer sprudeln.
Ganz wie Monde und wie Sonnen,
So verlässlich wie Gezeiten,
Ganz wie Hoffnung, hochaufsprießend,
Werde ich immer noch steigen."
Vom Frausein und Schwarzsein
Ursprungsidee des Verl ags sei gewesen, Anglous ersten Gedichtband in deutscher Übersetzung um Themen wie Frausein und Selbstermächtigung zu konzentrieren. "Diese Gedichte finden sich natürlich bei Maya Anglou", weiß Judith Zander. "Aber Frausein ist bei ihr nie zu trennen von dem Sein als schwarze Frau. Das kriegt man nicht auseinander. Deshalb habe ich mich nicht nur auf Gedichte fokussiert, die aus einer spezifisch weiblichen Perspektive sprechen, sondern die eine schwarze Erfahrung zum Thema haben."
Dass sie als weiße Übersetzerin die Texte einer schwarzen Autorin bearbeitet, gab Zander im Übersetzungprozess zu denken. "Ich war mir nicht sicher, ob ich das machen kann, weil ich Angelous Erfahrungen nicht unmittelbar teile. Wenn jedoch nur Vertreter der eigenen Gruppe jeweils einander übersetzten können, führt das das ganze Übersetzen ad absurdum. Dann würde man davon ausgehen, dass es so etwas wie geteilte Erfahrung oder Empathie, Vorstellungs- und Einfühlungsvermögen nicht geben kann. Das war mir zu einfach." Beim Übersetzen habe Zander vielmehr gemerkt, dass Angelous Erfahrungen ihr durchaus nahe sind: "Auch wenn ich selber nicht in diesen konkreten Situationen war, ist es etwas, was ein Mensch anderen Menschen mitteilt. Das ist universell nachfühlbar."
Maya Angelou: "Phänomenale Frauen"
Ausgewählt und übersetzt von Judith Zander
Suhrkamp Verlag, Berlin, 95 Seiten, 14 Euro