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Maas in Moskau
Ein freundliches, nicht freundschaftliches Klima

Mehr Gespräche in schwieriger Lage - darin sind sich die Außenminister Deutschlands und Russlands bei Maas' Antrittsbesuch in Moskau einig. Differenzen verbargen sie nicht, einig waren sie sich aber darin, das Atom-Abkommen mit dem Iran auch ohne die USA aufrechtzuerhalten.

Von Thielko Grieß | 11.05.2018
    Außenminister Heiko Maas und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow geben sich nach einer Pressekonferenz die Hände.
    Händeschütteln trotz einiger Differenzen: Bundesaußenminister Maas und sein russischer Amtskollege Lawrow. (dpa / picture alliance / Ralf Hirschberger)
    Im Hintergrund ragt die Kremlmauer in die Höhe, weiter vorn lodert das Ewige Feuer. Hier, am Grab des Unbekannten Soldaten, hatten keine 24 Stunden zuvor noch Wladimir Putin und Benjamin Netanjahu gemeinsam des Endes von Zweitem Weltkrieg und Holocaust gedacht. Nun steht dort Heiko Maas, der einmal gesagt hat, er sei wegen Auschwitz in die Politik gegangen, und glättet die Schleifen des Kranzes.
    "Das hat mir noch einmal deutlich gemacht, was die Geschichte mit unseren beiden Ländern gemacht hat. Und deshalb ist es außerordentlich wichtig zu erkennen und zu pflegen, dass es in unserer Verantwortung steht, einen aufrichtigen und belastbaren Dialog zwischen unseren Ländern permanent zu führen und mit konkreten Ergebnissen zu versehen. Und das haben wir heute schon getan."
    Humanitäre Gesten, mehr Austausch
    Maas hat Angebote unterbreitet: zum Beispiel die humanitäre Geste, in Sankt Petersburg ein Behandlungszentrum für alte Menschen einrichten zu wollen, die die Blockade von Leningrad durch die Wehrmacht durchlebt haben. Außerdem wollen beide Seiten mehr Austausch zwischen Hochschulen Russlands und Deutschlands. Und um, wie Maas meint, mehr Dynamik in die Ukraine-Gespräche zu bringen, lädt er die Außenminister der übrigen Normandie-Staaten, Russland, Ukraine und Frankreich, nach Berlin ein. Die Positionen aller Seiten sind jedoch unverändert.
    Stärker als die Angebote prägte das Geschehen im Nahen Osten den Besuch des Deutschen, weil zwischen Netanjahus und Maas‘ Auftritten in Moskau Israel iranische Stellungen in Syrien angegriffen hatte. Bei der Pressekonferenz des deutschen Außenministers und Sergej Lawrows traten Nuancen in der Kommentierung hervor. Lawrow ist wegen der andauernden Regierungsbildung in Russland zurzeit geschäftsführender Außenminister. Er erklärte, alle Differenzen müssten im Dialog gelöst werden:
    "Mehrmals haben wir in unseren Gesprächen mit der iranischen Führung und mit der Führung Israels betont, unter anderem beim Treffen von Präsident Putin und Ministerpräsident Netanjahu, dass Handlungen zu vermeiden sind, die gegenseitig provozieren. Der Iran und Israel versichern uns, dass sie keine solchen Absichten haben. Aber trotzdem geschehen Zwischenfälle, wie Sie wissen. Besonders besorgniserregend ist, dass sie zu einer Zeit vorkommen, in der wir uns alle zur Souveränität und territorialen Integrität Syriens bekennen."
    Israel und das Recht auf Selbstverteidigung
    Russland hatte Israel auch nach früheren Angriffen auf iranische Stellungen aufgefordert, die syrische Souveränität zu achten. Heiko Maas ließ indes keinen Zweifel daran, von wem nach seiner Einschätzung die Provokation ausging:
    "Wir sehen das mit großer Sorge, die Berichte über iranische Angriffe auf israelische Armeeposten. Diese Angriffe sind eine Provokation, die wir verurteilen, und zwar auf das Schärfste. Israel, das haben wir immer betont, hat ein Recht auf Selbstverteidigung."
    Einig waren sie sich hingegen darin, das Atom-Abkommen mit dem Iran auch ohne die Vereinigten Staaten aufrechtzuerhalten. Moskau stehe in Kontakt auch mit Berlin, um Wege zu finden.
    Differenzen nicht verborgen
    Abseits dessen nannten die Minister die bekannten Differenzen unter den Überschriften Ostukraine, Krim, Hacker und Skripal. Während der Pressekonferenz herrschte zwischen beiden ein freundliches, nicht freundschaftliches Klima; Differenzen verbargen sie nicht.
    "Und insofern bin ich dem russischen Kollegen dankbar, dass er mal darauf hinweist, dass es auch schon vor meiner Amtszeit unterschiedliche Auffassungen der deutschen und der russischen Außenpolitik gegeben hat und dass es nicht erst so ist, seitdem ich deutscher Außenminister bin."
    "Ich habe beim heutigen Treffen keine Feindseligkeit gespürt", so Lawrow. "Wir haben praktische Angelegenheiten besprochen und versucht, uns auf Fakten zu konzentrieren und nicht auf irgendwelche emotionale Verallgemeinerungen."
    In der nächsten Woche stehen zwei weitere Besuche aus Berlin an: der Bundeswirtschaftsminister wird in Moskau, die Kanzlerin in Sotschi erwartet.