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Machtkampf im Irak
Ein Land vor dem Zerfall

Angesichts der unübersichtlichen Lage im Irak stellen sich viele Fragen: Wer verbirgt sich hinter der Abkürzung ISIS? Wer sind die Peschmerga-Milizen? Und warum steht Regierungschef Nuri al-Maliki in der Kritik? Der DLF liefert Antworten auf die wichtigsten Fragen.

13.06.2014
    Die irakische Armee transportiert Freiwillige auf Militär-Lastwagen nach Bagdad.
    Die irakische Armee transportierte am Freitag freiwillige Kämpfer nach Bagdad. (picture-alliance / dpa / Ali Abbas)
    Wer steckt hinter der Terrorgruppe ISIS?
    ISIS steht für die Organisation "Islamischer Staat im Irak und in Syrien". Es handelt sich um eine der radikalsten islamistischen Gruppen im Nahen Osten, die dem Al-Kaida-Netzwerk nahesteht. Ihr zweiter Name "Islamischer Staat im Irak und der Levante" verdeutlicht den Anspruch der Terroristen, einen sunnitischen Großstaat zwischen Mittelmeer und Euphrat zu errichten.
    Die ISIS-Mitglieder, die auch "Dschihadisten" genannt werden, gingen aus dem irakischen Widerstand nach dem Sturz des Ex-Diktators Saddam Hussein hervor. ISIS gewann im Frühjahr 2013 an Macht, als sie sich in den syrischen Bürgerkrieg einmischte. In den Reihen der Gruppe kämpfen internationale Brigaden, etwa Muslime aus Nordafrika und den arabischen Golfstaaten sowie Konvertiten aus Europa und Nordamerika.
    Oft ist auch von den "Peschmerga-Milizen" die Rede. Worum handelt es sich dabei?
    Peschmerga ist der kurdische Begriff für irakisch-kurdische Kämpfer. Er heißt übersetzt "Die dem Tod ins Auge Sehenden". Die Peschmerga kämpften jahrzehntelang gegen die Truppen Saddam Husseins und wurden nach 2003 Teil der irakischen Sicherheitskräfte. Ende Mai 2007 übergab die US-Armee die Sicherung der drei kurdischen Provinzen an die Peschmerga.
    Bis heute ist der Status der kurdischen Soldaten einer der Hauptkonfliktpunkte: So sieht die Verfassung des Gesamtirak zwar vor, dass die Truppen Teil der irakischen Sicherheitskräfte sind. Die kurdische Regionalverfassung aus dem Jahr 2009 überlässt den Oberbefehl über die Peschmerga jedoch dem Präsidenten der kurdischen Regionalregierung, die nach Unabhängigkeit strebt.
    Warum steht der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki in der Kritik?
    Der Schiite Al-Maliki übernahm nach dem Sturz des Sunniten Saddam Hussein die Regierungsgeschäfte im Irak. Ihm wird vorgeworfen, seine Machtbasis in den vergangenen Jahren ausgebaut und die sunnitische Minderheit benachteiligt und diskriminiert zu haben. Als Beleg dafür nehmen die Sunniten Übergriffe von Sicherheitskräften in den sunnitisch dominierten Provinzen und Bemühungen, eine einheitliche sunnitische Politik zu verhindern.
    Zudem leidet das Ansehen der Regierung al-Malikis unter Vorwürfen, sie toleriere Korruption und Klientelpolitik. Damit hat al-Maliki den Hass vieler Sunniten im Land auf sich gezogen, die – ohne notwendigerweise Terroristen zu sein – das Vorgehen der Gruppe ISIS unterstützen.
    Welche Religionsgruppen stehen sich im Irak gegenüber?
    Der Irak ist nicht nur ein multireligiöser, sondern auch ein multiethnischer Staat. Dort leben Araber, Kurden, Turkmenen, die entweder der schiitischen oder der sunnitischen Richtung des Islam angehören, wobei sich die Sunniten in der Minderheit befinden. Daneben gibt es eine christliche Minderheit, die sich aus Armeniern, Assyrern, Chaldäern und Mandäern zusammensetzt.
    Arabische Schiiten, arabische Sunniten und Kurden beanspruchen gleichermaßen die Macht im Irak. Die Kurden, die über ein Autonomiegebiet im Nordirak verfügen, streiten sich mit der Regierung in Bagdad über die Kontrolle über Ölvorkommen, die Machtverteilung sowie Land, das beide Seiten für sich beanspruchen. So wollen sie etwa die Stadt Kirkuk ihrer Autonomen Region Kurdistan einverleiben.
    (tj/tön)