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Machtkampf im Irak
Kerry dringt in Bagdad auf Reformen

US-Außenminister John Kerry hat den Vormarsch der sunnitischen Terrorgruppe Isis im Irak als existenzielle Bedrohung für das Land bezeichnet. Luftangriffe, wie von der irakischen Regierung gefordert, sagte er dennoch nicht zu - und forderte stattdessen Reformen.

23.06.2014
    US-Außenminister John Kerry (r.) und der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki.
    US-Außenminister John Kerry (r.) und der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki. (dpa/Prime Minister Office/Handout)
    Nach einem Treffen mit Regierungschef Nuri al-Maliki in Bagdad sagte er zudem, entscheidend sei nun, dass sich die politischen Führer des Landes im Kampf gegen die Aufständischen geschlossen zeigten. Die Vereinigten Staaten würden die irakischen Sicherheitskräfte intensiv unterstützen, damit diese effektiver gegen die Isis-Kämpfer vorgehen könnten. Zur Rolle Malikis meinte Kerry, Washington wünsche sich eine Regierung, die die Interessen aller Iraker vertrete.
    Der US-Außenminister hatte bereits am Sonntag erklärt, dass die USA nicht über die Regierung in Bagdad bestimmen würden. Allerdings seien Kurden, Sunniten und manche Schiiten mit der Regierung von Ministerpräsident Maliki unzufrieden. Die Iraker müssten eine Regierung haben, die die Macht teile.
    Made clear to #Iraq’s leadership that US remains committed to people of Iraq and they must be the ones who choose their leaders.— John Kerry (@JohnKerry) 23. Juni 2014
    Sunniten gegen Schiiten - eine Feindschaft mit langer Geschichte
    Vor allem die sunnitische Minderheit, der die Kämpfer der Gruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien (Isis) angehören, fühlt sich von der schiitisch dominierten Regierung diskriminiert. Auch Premierminister Maliki selbst ist Schiit. Die sunnitischen Isis-Extremisten wollen einen islamistischen Staat errichten und betrachten Schiiten als Ungläubige. Zur Lösung der Krise müssten konfessionelle Interessen in den Hintergrund rücken, mahnte Kerry am Sonntag.
    Vor einem militärischen Eingreifen der USA hatte das geistliche Oberhaupt des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, gewarnt. Die Iraker seien selbst in der Lage, die Gewalt zu stoppen. Der Iran ist schiitisch geprägt und gilt als Schutzmacht der schiitischen Mehrheit im Nachbarland.
    Die Feindschaft zwischen den muslimischen Glaubensrichtungen der Sunniten und Schiiten hat im Irak eine lange Tradition. Der damalige Diktator Saddam Hussein, ein Sunnit, hatte die schiitische Mehrheit im Land diskriminiert. Nach seinem Sturz 2003 verloren die sunnitischen Stämme Macht und Einfluss. Nach dem US-Abzug 2011 entbrannte der Machtkampf aufs Neue. Die von Schiiten dominierte Maliki-Regierung hält Sunniten seit Jahren von wichtigen politischen Posten fern.
    Isis rückt Richtung Jordanien vor
    Die Isis-Miliz hatte am Wochenende mehrere Orte im Westirak eingenommen und ihre Machtposition dort ausgebaut. Das benachbarte Jordanien mobilisierte die Streitkräfte an seiner Grenze. Berichten zufolge sollen Isis-Kämpfer die Stadt Rutba auf der Straße von Bagdad nach Amman und einen strategisch wichtigen Grenzübergang nach Jordanien eingenommen haben. Die Isis-Kämpfer verbreiten derzeit Angst und Schrecken in der Region. Hunderttausende sind vor ihnen auf der Flucht.
    Die Folgen der Konflikte: Hunderttausende Iraker sind auf der Flucht vor dem Krieg
    Die Folgen der Konflikte: Hunderttausende Iraker sind auf der Flucht vor dem Krieg (dpa / picture-alliance / Str)
    Vor seiner Reise nach Bagdad hatte Kerry bei Gesprächen in Ägypten und Jordanien über Wege aus der Krise im Irak beraten, am Dienstag wird der US-Außenminister in Brüssel erwartet, wo sich die NATO-Außenminister treffen. Die EU-Außenminister wollen heute in Luxemburg die Gewalt der Islamisten verurteilen und eine Regierung fordern, in der Sunniten und Schiiten gleichermaßen vertreten sind.
    Menschenrechtler prangern Einsatz von Kindersoldaten an
    Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wies zudem darauf hin, dass in der Region vermehrt Kindersoldaten zum Einsatz kämen. Einige Rebellengruppen in Syrien setzten bereits 15-Jährige ein, berichtete HRW. Viele der Jugendlichen würden angeworben mit dem Versprechen, Zugang zu Bildung zu erhalten. Auch die Isis-Gruppe rekrutiere Kinder und Jugendliche im Irak unter dem Vorwand, kostenlose Schulbildung anzubieten. Stattdessen aber würden sie an der Waffe ausgebildet und für gefährliche Einsätze missbraucht bis hin zu Selbstmordanschlägen.
    Free school for child soldiers & suicide bombers - #ISIS recruiting kids in #Syria http://t.co/Byrt768HcS pic.twitter.com/i33ZKTSPND— Andrew Stroehlein (@astroehlein) 23. Juni 2014
    Der neue Bericht der Menschenrechtsorganisation beruft sich vor allem auf 25 Interviews mit aktuellen und ehemaligen Kindersoldaten. Diese waren und sind unter anderem für die Freie Syrische Armee, die Islamische Front, Isis sowie für kurdische Rebellengruppen im Einsatz.
    (nch/stfr/bor/ach)