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Machtkampf in der SPD
Andrea Nahles weiter unter Druck

Nach der doppelten Wahl-Niederlage am Wochenende stellt sich die SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles in der kommenden Woche ihren parteiinternen Kritikern. Früher als geplant soll über den Fraktionsvorsitz abgestimmt werden - einfach gehen will die angeschlagene Parteichefin nicht.

Von Frank Capellan | 29.05.2019
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles gibt vor Journalisten ein Statement in Berlin ab.
SPD-Chefin Andrea Nahles (Imago Stock & People)
Mit Machtkämpfen kennt sie sich aus, als Jungsozialistin war sie maßgeblich am Sturz von Rudolf Scharping beteiligt, Jahre später drängte sie Franz Müntefering in den Rücktritt. Und Sigmar Gabriel wurde von ihr im vergangenen Jahr eiskalt abserviert, ein Rivale, für den es keinen Platz mehr im Kabinett gab. Dass er nun mitmischt bei den Angriffen auf die Chefin, dürfte Nahles eher helfen. Der Ex-Vorsitzende ist längst in der Defensive:
"Ich finde, jetzt müssen wir offen miteinander reden und das auch ansprechen, wo die Schwierigkeiten sind. Das ist Hilfe, damit es besser wird, aber nicht Illoyalität gegenüber der Partei!"
Andrea Nahles kämpft. Niemand durfte erwarten, dass sie einfach gehen würde. Viel Zeit, sich gegen sie zu versammeln, gibt sie ihren Kritikern nicht. Heute kann sie in einer Sondersitzung der Fraktion noch einmal klarmachen: Wer mich an der Spitze der Fraktion stürzt, stellt auch den Parteivorsitz in Frage. Will es jemand wagen: Bitte melden! Bis nächsten Dienstag.
"Und dann sollen all diejenigen, die glauben, dass sie einen anderen Weg gehen wollen, sich auch hinstellen und sagen: Ich kandidiere!"
Martin Schulz hat schon gekniffen. Die Frage stelle sich nicht für ihn. Er ist sauer, dass Nahles ihre Wiederwahl vorzieht. Schulz wünscht sich Zeit, Zeit um Truppen gegen die angeschlagene Chefin zu versammeln? Mathias Miersch, Parteilinker aus Niedersachsen, wurde genannt, auch Achim Post, der NRW-Landesgruppenchef – doch hätten sie Mehrheiten? Stephan Weil, mächtiger Ministerpräsident aus Niedersachsen, will jedenfalls, dass Nahles bleibt als Partei- und Fraktionsvorsitzende: "Sie ist es und sie bleibt es!"
Dietmar Woidke hat in Brandenburg den Wahlkampf noch vor sich, gerade deshalb drängt der Regierungschef darauf, Nahles nicht weiter in Frage zu stellen: "Ich hoffe sehr, dass diese Personaldebatten nicht weitergeführt werden, sondern dass wir in Ruhe hier in Brandenburg einen Landtagswahlkampf führen können. Andrea Nahles ist die Bundesvorsitzende. Ich habe sie mitgewählt und sie hat mein vollstes Vertrauen."
Kaum Rückhalt bei den Partei-Anhängern
Zwei Drittel der SPD-Anhänger wünschen sich nach einer von "Spiegel Online" in Auftrag gegebenen Umfrage allerdings den Rücktritt vom Parteivorsitz. Weit über die Hälfte der Befragten glaubt, ein Bruch der Koalition würde der Partei nutzen. Juso Chef Kevin Kühnert will erst einmal klar definiert wissen, unter welchen Voraussetzungen die von Nahles gewünschte Fortführung der Groko gelingen kann.
"Was ist eigentlich die Halbzeitbilanz dieser Koalition? Worin besteht sie? Wie entscheiden wir das? Was sollen noch die gemeinsamen Projekte dieser Koalition sein?"
Sollte aber der Groko-Stresstest negativ ausfallen und die Koalition platzen, dann dürfte Andrea Nahles, sozialdemokratische Architektin dieses Bündnisses wohl kaum noch zu halten sein. Bis dahin will sie eines tun: kämpfen.