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Madgermanes in Maputo

In der DDR arbeiteten über 16.000 Vertragsarbeiter aus Mosambik. Ein Teil ihres Lohnes wurde von der mosambikanischen Regierung einbehalten, um Rechnungen in der DDR zu bezahlen. Die Madgermanes - wie sie in Mosambik genannt werden - fordern nun ihr Geld zurück.

Von Nina Gruntkowski | 12.11.2005
    In der mosambikanischen Hauptstadt Maputo, aber auch in den anderen Landesteilen trifft man immer wieder auf Mosambikaner, die Deutsch sprechen. Madgermanes - Menschen aus Deutschland - werden die Mosambikaner genannt, die als Vertragsarbeiter in der ehemaligen DDR gearbeitet haben. Zwischen 1979 und 1990 schickte die einst sozialistische Regierung Mosambiks über 16.000 Vertragsarbeiter in die damalige DDR. Dort wurde den mosambikanischen Arbeitern jeden Monat ein Teil von den Löhnen abgezogen. Mit diesem Geld beglich Mosambik einen Teil seiner Schulden bei der DDR, die Produkte in das ostafrikanische, sozialistische Bruderland lieferte. Die letzten mosambikanischen Vertragsarbeiter mussten nach der deutschen Wiedervereinigung heimkehren. Bis heute fordern die Madgermanes von der mosambikanischen Regierung das Geld zurück, das ihnen einst vom Lohn abgezogen worden war.

    Orlando Uqueio steht hinter der Theke in der Empfangshalle eines großen Hotels in Maputo. Der schwarze Rezeptionist überrascht so manchen Gast aus Deutschland mit einem freundlichen "Guten Tag!", das ihm leicht über die Lippen geht. Deutsch hat Orlando Uqueio jedoch nicht bei seiner Arbeit in dem Drei-Sterne-Hotel gelernt, das einem Deutschen gehört, sondern,

    "ich bin in die DDR gekommen 1986. Habe beim Fleischkombinat gearbeitet und mit der Prüfung Fleischer geworden. Und dann 1990 bin ich zurückgekommen im November."

    Viele Mosambikaner blicken auf eine ähnliche Vergangenheit zurück wie Orlando Uqueio. Die Madgermanes erinnern sich gerne, wie sie in den 80er Jahren in der DDR eine Ausbildung erhielten und danach als Fleischer, Schlosser oder Mechaniker in DDR-Betrieben arbeiteten. Obwohl ihnen nur ein Teil des Lohns ausgezahlt wurde, verlängerten viele Vertragsarbeiter immer wieder ihre Verträge. Mit dem Fall der Mauer und der deutschen Wiedervereinigung hatte der sozialistische Austausch sein Ende: 1990 wurden die Vertragsarbeiter zurück in ihr Heimatland geschickt. Sie erhielten eine Abfindung - und auch die Kosten für die Rückreise zahlte die neue gesamtdeutsche Regierung. Das Geld, das Mosambik gutgeschrieben worden war, sollten sie von der mosambikanischen Regierung zurückerhalten.

    "Das war vier Schecks, weil in einem Jahr bekomme ich zweimal - einmal im Februar und das nächste Mal im Oktober. Und dann nächstes Jahr wieder los. Für mich selber das war ungefähr drei Millionen 800."

    Die Angaben über die Summe der Rückzahlungen, die die Madgermanes in den ersten zwei Jahren erhalten haben, schwanken zwischen umgerechnet 200 und 400 US-Dollar. Längst nicht alle haben - wie der Rezeptionist Orlando Uqueio - in Mosambik eine neue Arbeit finden können. Die Unzufriedenheit ist groß - ebenso die Hoffnung auf weitere Rückzahlungen. Und so versammeln sich seit Jahren jeden Werktag einige Madgermanes in einem Park von Maputo. Der Jardim 28 de Mayo liegt auf einer Anhöhe in der Innenstadt. Palmen säumen den weitläufigen, staubigen Platz. Der Lärm der nahe gelegenen Hauptverkehrsstraße vermischt sich mit dem Stimmengewirr der Madgermanes, die auf den weißen Parkbänken sitzen.

    Thema Nummer eins ist das Geld, das damals in der DDR von ihren Löhnen abgezogen worden war. Der Staat Mosambik beglich mit diesem Geld einen Teil seiner Schulden bei der DDR, die Lastwagen, Baumaschinen, Pharmazeutika und andere Produkte in das ostafrikanische Land lieferte. Die Madgermanes sind davon überzeugt, dass die mosambikanische Regierung längst nicht alles an sie zurückgezahlt hat.

    "Wir fordern eine gerechte Zahlung. Denn jeden Monat wurden 25 Prozent unseres Lohns nach Mosambik transferiert. Später ab 1986, infolge einer neuen Vereinbarung zwischen der DDR und Mosambik, sogar bis zu 60 Prozent. Wir wollen eine gerechte Ausgleichszahlung, denn das was 1990 passierte ist eine simulierte Zahlung. Sie haben uns ein paar Brotkrumen gegeben und den größten Kuchen in den Taschen der Regierung gelassen."

    Alberto Mahuaie ist der nationale Koordinator des Forums der Vertragsarbeiter in der ehemaligen DDR. Unermüdlich weisen er und seine Mitstreiter darauf hin, dass ihnen nicht nur Geld vom Lohn abgezogen wurde, sondern sie auch über Jahre in der DDR in die Sozialversicherung eingezahlt haben: Jeden Monat mussten die Vertragsarbeiter zehn Prozent des Bruttolohns - maximal jedoch 60 Ostmark abführen. Dafür konnten sie sich kostenlos beim Arzt und im Krankenhaus behandeln lassen. Die Hälfte dieser Sozialversicherungsbeiträge schrieb die DDR Mosambik gut. Da es die Ostmark schon lange nicht mehr gibt, herrscht heute Uneinigkeit über die Höhe einer angemessenen Rückzahlung.

    "Die müssen uns den aktuellen Wert auszahlen und nicht den Kurs von 1980. Unsere Regierung hat uns zu verstehen gegeben, dass uns nur der Kurs der 80er Jahre zustünde, aber das funktioniert so nicht! Beim Währungswechsel damals von der Ostmark zur D-Mark gab es Regeln. Damals wurde eins zu eins getauscht: für eine Ostmark bekam man eine D-Mark. Die D-Mark wurde dann in ein US-Dollar 90 gewechselt. Wird fordern, dass uns das Geld zum aktuellen Tageswechselkurs zurückgezahlt wird."

    Die genaue Summe, die ihnen zusteht, kann Alberto Mahuaie nicht benennen. Doch klagt das Forum der Vertragsarbeiter nicht nur eine angemessene Entschädigung bei der mosambikanischen Regierung ein, sondern sieht auch die Bundesrepublik in der Verantwortung.

    "Die deutsche Regierung beruft sich darauf, alles an Mosambik ausgezahlt zu haben. Doch in diesem Fall, bezahlte sie nicht den Arbeiter, sie zahlte an die Regierung - gearbeitet haben aber wir. Die deutsche Regierung billigte diese Unrechtmäßigkeit, und wusste dass es unrechtmäßig war. Das Übereinkommen, die Schulden Mosambiks bei der DDR mit einem Teil der Gehälter zu begleichen, wurde zwischen den beiden Staaten getroffen - wir Arbeiter wussten nichts davon. Und deswegen ist die Bundesrepublik Deutschland mitschuldig."

    Die deutsche Regierung weist jedoch die Verantwortung von sich: Noch vor der Wiedervereinigung habe die ehemalige DDR-Regierung die Rückführung der Vertragsarbeiter mit dem Staat Mosambik vertraglich geregelt und auch die Abfindungen ausgehandelt. Die Arbeiter, deren Verträge 1990 frühzeitig aufgehoben wurden, sollten drei Monatslöhne in Höhe von 70 Prozent des Bruttolohns und 3000 DM erhalten. Die drei Monatslöhne hat der Rezeptionist Orlando Uqueio erhalten. Von den 3000 DM hat er zwar gehört, doch bekommen hat er dieses Geld nicht.

    "Das ist ein bisschen komisch, weil du musst den grünen Ausweis hier in Mosambik haben, dann kannst du den nach Deutschland schicken und dann kannst du dieses Geld bekommen. Aber das ist ein bisschen komisch, weil der mosambikanische Botschafter hat uns gesagt, nach dem Schluss mit dem Vertrag, da hat er gesagt, wir sollen den grünen Ausweis geben. Und wir haben alles gegeben."

    Heute, 15 Jahre nach der Rückkehr, können die genauen Sachverhalte der einzelnen ehemaligen Vertragsarbeiter nicht immer genau nachvollzogen werden. Was bleibt, ist das Gefühl der Madgermanes, ungerecht behandelt worden zu sein. Und dieses Gefühl facht die Diskussion immer wieder aufs Neue an.

    Jeden Mittwoch ruft das Forum der ehemaligen Vertragsarbeiter die Madgermanes zu einer großen Versammlung im Park zusammen. Auch Orlando Uqueio kommt dazu, wenn er nicht gerade im Hotel arbeiten muss. Viele Madgermanes halten so den Kontakt zu Alberto Mahuaie und den anderen Mitgliedern des Forums, die sich für die Interessen aller Madgermanes einsetzen.

    "Wir sind die Vermittler zwischen der Gruppe und der Regierung. Wir informieren unsere Kollegen über die aktuelle Situation. Momentan beobachten wir, ob die Regierung ihr Versprechen hält, bis zum Jahresende die Ansprüche unserer Gruppe zu regeln. Bis jetzt ist es jedoch nicht mehr als ein bloßes Versprechen."

    Nach seiner Ernennung hatte der neue mosambikanische Präsident Armando Guebuza den Madgermanes versprochen, ein für alle Mal eine Lösung zu finden. Das war Anfang des Jahres. Seitdem setzen die Madgermanes die Protestmärsche in Maputo aus, auf denen sie in der Vergangenheit jeden Freitag lautstark auf ihre Situation aufmerksam gemacht hatten. Kommt es bis zum Jahresende zu keiner Einigung, werden sie ihre Stimme wieder erheben