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Männer verzweifelt gesucht

Mit der Kampagne "Bildung braucht mehr Männer" will Schleswig-Holstein mehr männliche Pädagogen anwerben. Derzeit ist nur jede zehnte Lehrkraft des Bundeslandes ein Mann, in vielen Kindertagesstätten arbeiten ausschließlich Erzieherinnen.

Von Matthias Günther | 21.05.2008
    Kai Milde ist Grundschullehrer in Kiel. Schon während des Studiums zum Grund- und Hauptschullehrer hat er gemerkt, dass nur ein Drittel der Studierenden männlich ist:

    "Ich habe nun Mathematik, Sport und Biologie studiert, und in Biologie war der Frauen-Anteil deutlich höher und in Sport und Mathe waren die Männer doch ein bisschen höher als in den anderen Fächern. Aber im Schnitt würde ich sagen ein Drittel - zwei Drittel."

    Als Kai Milde dann vor sechs Jahren an die Grundschule im Kieler Stadtteil Mettenhof kam, gab es dort nur zwei Lehrer und mehr als 20 Lehrerinnen. Kein Einzelfall. Noch immer ist in Schleswig-Holsteins Grundschulen nur jede zehnte Lehrkraft männlich, in den Kindertagesstätten gibt es oft ausschließlich Frauen, und auch zuhause fehlt in vielen Fällen ein Mann, sagt Kai Milde:

    "Gerade heute, wo viele Ehen geschieden werden, wo viele Kinder nicht mehr mit zwei Elternteilen aufwachsen, treten die Männer immer mehr in den Hintergrund als Bezugspersonen für die Kinder und damit die Kinder als Identifikationsfiguren auch mal Männer erleben, ist es gerade im Grundschulbereich sehr wichtig. Also bei uns hier im sozial schwachen Stadtteil Mettenhof haben wir unwahrscheinlich viele Familien, wo nur ein Erziehungspartner da ist, und das ist in der Regel die Frau."

    Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave sieht das als Problem:

    "Da kann es schon mal passieren, dass die Interessen und die besonderen Begabungen und Fähigkeiten von Jungen nicht ausreichend berücksichtigt werden, insbesondere kleine Jungen brauchen Männer, die ihnen emotionale Intelligenz, respektvollen Umgang mit dem anderen Geschlecht vermitteln, auch Männer, die mit ihnen mal raufen und toben und sie für Handwerkliches und für Technik begeistern, aber auch mit ihnen lesen und mit ihnen über Gefühle sprechen."

    Aber auch Mädchen in Kitas und Grundschulen brauchen nach Ansicht der Ministerin männliche Bezugspersonen:

    "Ich glaube, dass die Tatsache, dass Mädchen sich später so wenig für technische und naturwissenschaftliche Studien entscheiden, hat Ursachen, die weit zurück liegen. Das geht in der Familie los, wie das Spielzeug angeschafft wird, wer mit wem was spielt, und das setzt sich in Kita und Grundschule fort. Das ist nicht abwegig!"

    Um Abhilfe zu schaffen, muss man die Ursachen für den Männermangel in Erziehungsberufen kennen. Grundschullehrer Kai Milde meint:

    "Ich denke, dass der Beruf Grund- und Hauptschullehrer von vielen Männern immer noch traditionell als nicht ganz so prestigereich angesehen wird und die Männer sich eher in den Realschul- Studiengang oder gymnasialen Studiengang eingeschrieben haben und wiedergefunden haben. Vielleicht auch deshalb, weil der Erziehungsanteil in der Grundschule oder der Hauptschule einen sehr hohen Stellenwert annimmt und traditionell da die Frau eher als Erzieherin gesehen wird."

    Das meint auch Bildungsministerin Erdsiek-Rave. Mit einer Image-Kampagne will sie nun dagegen angehen. Mit den Slogans "Lehrer - Helden des Alltags" und "Erzieher - Helden des Alltags" fährt künftig ein öffentlicher Verkehrsbus durch Schleswig-Holstein. An den Hochschulen und in den Jobcenters werden Flyer ausgelegt, um über die Berufe zu informieren. Unter der Überschrift "Helden des Alltags" stellt das schleswig-holsteinische Bildungsministerium die Berufe auch auf seiner Homepage im Internet vor. Die Ministerin glaubt, dass sich etwas bewegen lässt:

    "Erziehen, betreuen - das sitzt in vielen Köpfen - das ist Frauensache. Und das muss sich ändern. Ich glaube, wenn man sich anschaut, wie viele Männer nehmen jetzt Urlaub, um ihre Kinder zu betreuen, was bewirkt die neue Form des Elterngeldes, da nimmt der Männeranteil ja allmählich zu. Für mich ist das ein Indiz dafür, dass das Bewusstsein bei den Männern steigt, dass das eben nicht nur Frauensache ist."

    Lehrer Kai Milde führt den Männermangel in Erziehungsberufen aber nicht nur das Image zurück.

    "Nicht zuletzt ist es vielleicht auch so, dass viele Männer den Beruf des Grundschullehrers nicht so gerne wählen, weil das von der Bezahlung her einfach so ist, dass die Realschullehrer und Gymnasiallehrer mehr verdienen und da vielleicht der eine oder andere Mann auch mehr aufs Geld guckt. Und dieses materialistische Denken ist vielleicht bei den Frauen nicht ganz so verbreitet."

    Dass die Bezahlung Männer abschreckt, will Ministerin Erdsiek-Rave aber allenfalls für die Kitas, nicht jedoch für die Grundschulen gelten lassen:

    "Die Lehrer werden bei uns in Deutschland gut bezahlt. Das kann kein Grund sein, diesen Beruf nicht zu wählen. Es ist eine Image-Frage! Davon bin ich ziemlich überzeugt, und deswegen ist es glaube ich auch richtig, an diesem Image zu arbeiten. Und das ist ja auch ein Ziel dieser Kampagne."