Freitag, 19. April 2024


März 2015: Einklang - Zweiklang - Nachklang

In diesem Monat befasst sich »lyrix« mit klangvollen Zusammenspielen. Was bedeutet 'Einklang' und was alles kann gemeinsam 'klingen' oder auf harmonische Weise zu 'Einem' verschmelzen? Was klingt wie zu zweit? Und was klingt nach? Anregungen findet ihr in zwei Exponaten von Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp sowie in einem Gedicht von Norbert Lange.

01.03.2015
    Ein Mann sitzt am 04.08.2013 auf einem Steg am Selenter See (Schleswig-Holstein).
    Ein Mann sitzt alleine auf einem Steg am See. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Einklang: Diese Art der Übereinstimmung ist nicht nur in der Kunst, in Form, Farbe und Ton, sondern auch im Alltag zu finden. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit wird es vielen Menschen immer wichtiger, mit sich selbst und ihrer Umwelt im Einklang zu sein und damit für innere Ruhe zu sorgen. Mit dem Begriff Einklang verbinden wir Harmonie, Gleichgesinntheit und Verbundenheit. Denken wir romantisch an Herzen oder Seelen, steht Einklang oft für die totale Verschmelzung.
    Etwas anders kann es beim Zweiklang aussehen: Was zusammen klingt, muss nicht immer komplett miteinander verschmelzen. Eindrücke, Gedanken, Objekte und Worte können sowohl für sich allein oder nebeneinander stehen, zusammen aber eine ganz neue Bedeutung ergeben, sich ergänzen und zu einem Gesamtwerk vereinen. Gerade die Kunst spielt mit dieser Methode. Künstler, die voneinander inspiriert sind und sich gegenseitig in ihren Werken widerspiegeln, gibt es häufig. Ein gutes Beispiel hierfür sind nicht nur unsere Monatskünstler Hans Arp und Sophie Taeuber- Arp, sondern auch der Maler und Bildhauer Anselm Kiefer, dessen Werke häufig nicht nur durch zeitgeschichtliche Ereignisse, sondern auch von Gedichten bekannter Lyriker beeinflusst sind. Kiefer schafft das Bild zum Wort und damit einen Zweiklang von Werken, die auch einzeln, für sich stehen können. Doch vor allem gemeinsam betrachtet schaffen die Werke eine neue Bedeutungsebene – ganz als würde das eine im anderen nachklingen.
    Und damit sind wir beim Nachklang: Er beschreibt das, was bleibt. Im Ohr als Ton oder im Gehirn als Gedanke. Als bleibender Eindruck beschäftigt er uns auch noch, wenn etwas zu Ende ist oder nicht mehr da ist.
    Was aus gemeinsamer Arbeit und gegenseitiger Inspiration zweier Künstler entstehen kann, verdeutlichen unsere Exponate im März. Sie stehen für Einklang im Zweiklang und zeigen gleichzeitig, wie das Werk eines Künstlers in dem eines anderen nachklingen kann.
    Vor 100 Jahren lernt sich das Künstlerpaar Hans Arp und Sophie Taeuber in Zürich kennen. Die Begegnung wird nicht nur ihren Lebensweg die folgenden 27 Jahre bestimmen, sie wird zudem deutliche Spuren in der Geschichte der abstrakten Kunst hinterlassen. In einer Zeit, die überschattet ist vom Chaos und Wahnsinn des Ersten Weltkriegs, erschließen sich Arp und Taeuber individuelle künstlerische Nischen, die sie zu Wegweisern der Moderne machen.Zwischen Arp - Maler, Bildhauer und Dichter - und Taeuber - Malerin, Textilgestalterin und Innenarchitektin - besteht von Beginn an eine tiefe Verbundenheit, die auch in ihren künstlerischen und ideellen Grundsätzen deutlich wird. Beide lehnen die konventionellen Kunstformen strikt ab, suchen Alternativen zu herkömmlichen Bildordnungen und klassischen Materialien. Dabei vereinen sie die gegensätzliche Bildsprache immer wieder zu spannungsvollen, gemeinschaftlichen Werken, sogenannten Duo-Arbeiten.Der tragische Tod Sophie Taeubers stürzt Arp 1943 in eine tiefe Krise. Seine Kunst ermöglicht ihm jedoch, den innigen Dialog mit seiner Frau fortzuführen. Das bezeugen vor allem eine Reihe von Werken, die auf der Grundlage ihrer Arbeiten und Entwürfe in den kommenden Jahren entstehen sowie zahlreiche Texte, in denen er seine Trauer verarbeitet. Seine poetischen Worte werden dabei zu einer unvergleichlichen Hommage an seine verlorene Gefährtin. Um mit den Worten unseres Leitmotivs zu sprechen: Ihr Leben und Werk klingt in seinem nach.Auch unser Monatsautor Norbert Lange fügt sein eigenes Werk in einem Zweiklang mit dem eines anderen Künstlers zusammen: Passend zu unserem Monatsthema zitiert er in 'DIE STARE HJERTØYAS (w)' Hans Arp und lässt so die Vergangenheit mit der Gegenwart klingen. Und auch auf einer anderen Ebene klingt es bei Norbert Lange: Ganz im Sinne des Dadaismus spielt er mit Lauten und Klängen und führt sie so einer neuen Bedeutung zu.
    DIE STARE HJERTØYAS (w)
    Haben wir im Stich gelassen, die Stare Hjertøyas;
    die noch singen ..., der Insel ihr Lied noch
    kratzen ..., zitieren der Luft ihr Alphabet
    nach Schnabel gemalen und setzen Wolkenfragmente
    von Wolken in Wolkenrahmen.
    Aus diesem Leim zusammen fügen sie die Welt;
    an ihren Notenfüßen im Obertonbereich
    an Bäume gehängt, zerschneiden Luft
    bestreuen den Kammerboden; in Klammer gesetzt
    ans Fenster, bedecken mit Zeichen das Haus.
    So singen sie, vermischt zu Nokiaklingeln, die Laute
    darüber die Stimme düst, in ihnen gelöst
    von der Kehle, keinen Schaum rasiert, den Kopf
    hör zu: Dadada jetjetjetjetjetjetjetjejtjet
    Oooooooooooooooooooooooooooooo Bee bee bee
    bee bee ... ... ....
    "In der Krone einer alten Kiefer am Strande von Wyk auf Föhr hörte
    ich Schwitters jeden Morgen seine Lautsonate üben. Er zischte, sauste, zirpte,
    flötete, gurrte, buchstabierte" Hans Arp
    (aus: Norbert Lange: Das Schiefe, das Harte und das Gemalene, Luxbooks 2012)
    Hier könnt ihr das Gedicht auch als Audiodatei finden.
    Wir freuen uns auf eure Einsendungen zum Thema 'Einklang – Zweiklang – Nachklang' und sind gespannt, was ihr mit dem abstrakten Thema verbindet. Was kann alles gemeinsam klingen? Was steht bei euch im Einklang? Was nicht? Wie kann man zu zweit klingen? Was entsteht aus einem Zweiklang? Wer oder was hinterlässt bei euch einen bleibenden Eindruck und klingt nach?
    Hier findet ihr unsere E-Mail Vorlage. Die aktuellen Wettbewerbsbedingungen könnt ihr online nachlesen.
    Norbert Lange, geboren 1978 in Gdingen/Polen. Kam in den Achtzigerjahren mit seinen Eltern nach Deutschland und wuchs im Rheinland auf. Er studierte von 1999-2001 Kunstgeschichte, Philosophie und Judaistik in Berlin, dann Literatur am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Seit 2008 lebt er in Berlin. Er ist Gründungsmitglied der Lyrikknappschaft Schöneberg und Mitherausgeber der Literaturzeitschrift karawa.net. 2009 und 2010 leitete er den Poetry-Chat von eMulitpoetry, einem europäischen Projekt zum kollektiven Gedichteschreiben.
    Veröffentlichungen (Auswahl): Rauhfasern (2005), Bernhard Koller, Zusammenhänge (2009), Das Geschriebene mit der Schreibhand. Aufsätze (2010)
    Link: Norbert Lange bei Luxbooks
    Arp Museum Bahnhof Rolandseck
    In der Tradition des Bahnhofs Rolandseck, der seit dem 19. Jahrhundert ein Treffpunkt von Bildenden Künstlern, Musikern, Literaten und Persönlichkeiten der Gesellschaft war, ist das 2007 eröffnete Arp Museum Bahnhof Rolandseck ein lebendiges Drei-Sparten-Haus. Das Programm umfasst hochkarätige Ausstellungen mit internationaler moderner und zeitgenössischer Bildender Kunst, klassische Musik von bekannten Ensembles und Solisten sowie Lesungen prominenter Autorinnen und Autoren.
    Dieses vielfältige Angebot wird präsentiert in einem einzigartigen architektonischen Rahmen in spektakulärer landschaftlicher Lage. Der Architekturkomplex aus dem klassizistischen Bahnhofsgebäude und dem lichtdurchfluteten Neubau des amerikanischen Star-Architekten Richard Meier umfasst vier Ausstellungsebenen, die mit wechselnden Ausstellungen bespielt werden. Im Zentrum steht die Kunst der beiden Namenspatrone Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, die als Mitbegründer des Dadaismus und Vorreiter der Abstraktion eines der einflussreichsten Künstlerpaare des 20. Jahrhunderts waren. Im Dialog mit diesen Werken wie auch mit der umgebenden Landschaft werden in Sonderausstellungen großformatige Skulpturen und Malereien bedeutender zeitgenössischer Künstler gezeigt. Darüber hinaus präsentiert das Arp Museum in wechselnden Ausstellungen herausragende Gemälde und Skulpturen von der Renaissance bis in die Moderne aus der Sammlung Rau für UNICEF.
    Die Unterrichtsmaterialien für März zum Download