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Magdeburger Bildungsministerium schweigt
In Sachsen-Anhalt gibt es kaum noch Musiklehrer

In Sachsen-Anhalt gibt es aktuell 1480 Musiklehrer. Doch ob sie überhaupt Musikunterricht geben, weiß man selbst im Magdeburger Bildungsministerium nicht. In dem Dorf Zahna bei Wittenberg macht sich der parteilose Bürgermeister nun selbst auf die Suche nach Fachkräften.

Von Christoph Richter | 29.09.2018
    Ein Mädchen spielt an einem digitalen Klavier.
    Ein Kind spielt Klavier: Eine musikalische Grundausbildung ist an den Schulen in Sachsen-Anhalt nicht selbstverständlich. (picture-alliance / Jens Kalaene)
    Im kleinen Ort Zahna – auf halber Strecke zwischen Leipzig und Berlin – hat man nochmal Glück gehabt. Es gibt zwar keinen Musiklehrer, aber dafür springt der Kirchenkantor Michael Weigert ein.
    "Musik-Unterricht ist ganzheitlicher Unterricht. Man bezieht Körper, Sinne und alles ein und verknüpft Nervenzellen."
    Den Musikunterricht gibt es im sachsen-anhaltischen Zahna aber nur aufgrund öffentlichen Drucks und erst seit vergangener Woche. Denn das Landesschulamt in Halle hat den Vertrag des Ersatz-Musiklehrers für das Schuljahr 2018/2019 nicht verlängert. Zu den Gründen erfährt man nichts, auch die Lehrer dürfen nichts sagen. Und sie sind deutlich eingeschüchtert, von einem Maulkorberlass des Bildungsministeriums ist die Rede. Eltern und Großeltern sind erschüttert.
    Vater: "Wir kennen den vom Orgelspiel in der Kirche, der ist eigentlich top. Die Schule könnte froh sein, dass sie den hat. Aber sie will ihn nicht haben beziehungsweise wollte ihn nicht habe. Da fasst man sich an den Kopf, da fällt einem nichts mehr ein."
    Erzieherin: "Das ist schon ganz schön traurig, dass es so ist."
    Großmutter: "Ich habe zwei von der Sorte, einen in der ersten, einen in der vierten Klasse. Und ich verfolge das bei dem in der vierten Klasse schon die ganzen Jahre über. Und es hat sich nichts geändert."
    Jeder vierte Lehrer ohne Ausbildung
    Landesweit gibt es aktuell 1480 Musiklehrer, doch ob sie überhaupt Musikunterricht geben, dazu konnte das Magdeburger Bildungsministerium keine Aussagen machen. Man gesteht aber ein, dass es gerade im Grundschulbereich große Probleme gebe. Und um Ausfallstunden zu vermeiden, setzt man gerade in Grundschulen auf sogenannte Neigungslehrer. Also Lehrer, die aus Spaß an der Freude Musik-Unterricht geben.
    Laut einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD aus dem Jahr 2017 hat jeder vierte Musiklehrer in Sachsen-Anhalt weder eine Ausbildung noch eine Teilprüfung im Ersten Staatsexamen, ja sei nicht mal im Besitz einer Unterrichtserlaubnis für das Fach.
    Bürgermeister fahndet selbst nach Musiklehrern
    In Zahna schüttelt man den Kopf. Der parteilose Bürgermeister Peter Müller fordert die Landesregierung, den CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff auf, die Lehrer-Versorgung – auch bei den Musiklehrern – endlich zur Chefsache zu machen.
    "Dieser Zustand mit den Musiklehrern geht schon seit Jahren so."
    Weshalb der Bürgermeister jetzt eigenständig durchs Land fährt und selbst nach Musiklehrern fahndet. Weil es das Land nicht hinkriegt, wie Kommunalpolitiker Müller sagt.
    "Über Bekannte haben wir Kontakte aufgenommen, zu ausgebildeten Musiklehrern, die Interesse hätten in unsere Region zu ziehen. Und versuchen das jetzt über das Landesschulamt zu vermitteln. Und hoffen, dass es klappt."
    Der Verband der Musikschullehrer in Sachsen-Anhalt befürchtet, wie es heißt, eine Periode "musikalischer Dürre" in den Schulen. Nicht nur jetzt und heute, sondern bis weit in die nächsten Jahre hinaus.
    Zurück nach Zahna, das vor den Toren der Lutherstadt Wittenberg liegt. Hier gibt es zwar jetzt einen Ersatz-Musiklehrer, den Kirchenkantor von nebenan. Worüber alle hochglücklich sind. Aber: Diese Freude dürfte nicht lange anhalten, denn der Vertrag des Musiklehrers läuft nur bis zum 8. Dezember. Also mitten im Schuljahr ist in Zahna dann wieder Schluss.