Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Malaria-Überträger
Wo steckt Anopheles in der Trockenzeit?

Mücken der Gattung Anopheles übertragen den Malaria-Erreger auf den Menschen. Unterschiedlichste Versuche, die Populationen der Insekten zu bekämpfen, blieben bislang ohne größeren Erfolg. Vielleicht auch deshalb, weil der Wissenschaft immer noch unklar ist, wie die Tiere die afrikanische Trockenzeit überleben können. Nun liegen dazu neue Erkenntnisse vor.

Von Jochen Steiner | 06.01.2015
    Wer sich wie Tovi Lehmann dem Kampf gegen Malaria verschrieben hat, braucht einen langen Atem. Seit 20 Jahren erforscht der Biologe vom National Institute of Health in Rockville in den USA Anopheles-Mücken, die den Malaria-Erreger auf den Menschen übertragen. Wissenschaftler wie Lehmann wollen das Verhalten der Mücken besser verstehen, um sie wirkungsvoll bekämpfen zu können.
    "Zurzeit untersuchen wir die Strategien, die die Moskitos nutzen, um die monatelange Trockenzeit in der Sahelzone zu überdauern. In dieser Zeit gibt es kein Oberflächenwasser. Um zu überleben, sind die Mücken aber darauf angewiesen. Ohne Wasser müssten sie eigentlich alle sterben."
    Was aber nicht der Fall ist. Schon länger vermuten Forscher, dass sich Anopheles-Mücken während der Trockenzeit von November bis Mai verstecken und in eine Art Winterschlaf fallen.
    "Es ist völlig unklar, warum wir diese Verstecke nicht finden können."
    Immer mal wieder wurden einzelne Insekten in Bodenspalten oder Termitenhügeln entdeckt, aber nie in großer Zahl. Außerdem gibt es die Vermutung, dass manche Moskitos zu Beginn der Trockenzeit in Gegenden ziehen, wo es noch Wasser gibt und erst zurückkehren, wenn die Regenzeit beginnt.
    "Ziehende Mücken zu finden, ist aus vielen Gründen sehr schwierig. Die Migrations-Hypothese wurde deshalb komplett vernachlässigt."
    Länder mit hoher Ansteckungsgefahr und mit einem erhöhten Risiko der Malariainfektion
    Länder mit hoher Ansteckungsgefahr und mit einem erhöhten Risiko der Malariainfektion (picture-alliance/ dpa Grafik - Globus Infografik)
    Tovi Lehmann und sein Team starteten deshalb einen neuen Versuch herauszufinden, wo sich die Moskitos in der Trockenzeit aufhalten. Fünf Jahre lang fingen sie mit Netzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahr Mücken in einem kleinen Dorf in Mali. So konnten sie schließlich herausbekommen, wann die Mückenpopulationen zu- und wann abnahmen. Außerdem markierten sie über 7.000 Moskitos kurz vor dem Beginn der Trockenzeit.
    "Wir benutzten dafür neun Farben, die wir an verschiedenen Stellen der Tiere aufgetragen haben. So bekam jede Mücke eine individuelle Markierung."
    Winterschlaf-These gestärkt
    Sechs Monate später, am Ende der Trockenzeit, stellten die Biologen erneut ihre Netze auf in der Hoffnung, markierte Tiere wieder zu fangen. Und in der Tat gingen ihnen einige wenige Moskitos ins Netz, die sie sechs Monate zuvor markiert hatten. Sie gehörten zur Art Anopheles coluzzii. Dann fiel der erste Regen und wenige Tage später wimmelte es im Dorf von Mücken der selben Art.
    "Das passt sehr gut mit der Strategie des Winterschlafs zusammen, denn die Tiere, die da so plötzlich auftauchten, waren bereits ausgewachsen. Sie müssen irgendwo die Trockenzeit überdauert haben. Die wieder gefangenen Moskitos und unsere gesammelten Daten weisen darauf hin, dass Anopheles coluzzii die Trockenzeit schlafend überlebt."
    Noch ist aber völlig unklar, wie diese Mücken ihren Stoffwechsel herunterfahren und ob sie in dieser Zeit Nahrung aufnehmen. Im Untersuchungsgebiet in Mali kommen noch zwei weitere Anopheles-Arten vor: Anopheles gambiae und Anopheles arabiensis. Bei ihnen zeigt sich ein anderes Bild.
    "Anopheles gambiae und Anopheles arabiensis treten sechs bis acht Wochen später als Anopheles coluzzii massenhaft auf. Wir gehen nicht davon aus, dass Anopheles gambiae und Anopheles arabiensis ebenfalls in Winterschlaf fallen. Denn wieso sollten sie nach den ersten so wichtigen Regenfällen mit ihrer Vermehrung noch Wochen lang warten, wenn sie bereits vor Ort sind?"
    Stattdessen vermuten die Forscher, dass diese beiden Arten weite Strecken ziehen. Sie kommen erst zu Beginn der Regenzeit zurück und vermehren sich dann. Das würde ihr, im Vergleich zu Anopheles coluzzii, deutlich späteres Massenvorkommen erklären. Erst vor kurzem ist es den Wissenschaftlern gelungen, einige gambiae-Vertreter 100 bis 200 Meter über dem Boden zu fangen, was ebenfalls für die Migrations-Hypothese spreche, so Tovi Lehmann. Die Ergebnisse seiner Forschung, hofft er, könnten eines Tages helfen, die Mücken gezielter zu bekämpfen.