Donnerstag, 28. März 2024

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Malta
Die Hauptstadt macht sich hübsch

2018 will Maltas Hauptstadt Valetta Europas Kulturhauptstadt sein und bis dahin soll alles perfekt werden. Aber wie? Der Eingang zur Stadt bekommt gerade eine Schönheitskur. Valletta sucht Investoren und hat einen Schatz an barocker Architektur zu bieten.

Von Blanka Weber | 16.03.2014
    Noch herrscht Baulärm an Vallettas Eingang zum historischen Altstadtkern. LKW drängen dicht an dicht, Sandhaufen, Steine, Bauarbeiter winken die Fahrzeuge an die richtige Stelle. Valletta macht sich hübsch. Der Eingang soll moderner werden, so wollen es die Stadtplaner. Dominic Micallef, der für den Kulturtourismus auf Malta zuständig ist, setzt in seinen Argumenten fürs Moderne immer in der Geschichte an:
    "Valletta ist eine barocke Stadt, gebaut seit 1566 von Rittern, die aus ganz Europa kamen. Deshalb gibt es hier auch den Einfluss aus dem gesamten Mittelmeerraum. Deshalb ist die Stadt auch so einzigartig mit 2 tiefen Häfen, komplett, und einer durchgehenden Befestigungsanlage. Es war der Hafen von Malta. Hier oben spielte sich dann das Leben ab.."
    Und heute? Vor 40 Jahren etwa zogen viele Menschen von der Altstadt ins Landesinnere der Insel oder ganz weg. Die alte Stadt über dem Hafen verfiel zusehends, obwohl die Regierung blieb, es nach wie vor große Paläste und Business gab, erzählt Dominic Micalleff.
    "So ist es, wenn man heute ganz genau hinsieht, sind da einige Häuser in nicht so gutem Zustand. Aber ich würde sagen seit 5 bis 6 Jahren ist hier etwas im Gange, was die Menschen zurückbringen soll in die Stadt."
    Valletta setzt auf Barock
    Kultur kann dabei helfen. Valletta setzt auf Barock. Nicht nur die Musik von Bach schallt durch kleine Straßenlautsprecher quer durch das Getümmel von Einheimischen, Händlern und Besuchern, wenn - zum Beispiel ein jährliches Barockfestival - gefeiert wird. Auch sonst bemüht man sich, das barocke Stadtbild zu rekonstruieren. Die einst schmucken, farbigen Holzbalkone, einst aus altgedienten Schiffsplanken gefertigt, sind oftmals brüchig und matt. Das soll anders werden, so wünschen es die Stadtplaner und unterstützen mit kleinen Summen, jeden, der hilft beim Sanieren.
    Den Namen hat die Stadt einst vom Johanniter-Großmeister Jean Parisot de la Vallett bekommen. Er legte 1566 den Grundstein. Italienische Architekten folgten und strukturierten schachbrettartige, geradlinige Straßenzüge, die noch erhalten sind. Die Osmanen hatten zuvor ihre Spuren hinterlassen, doch die Johanniter waren es, die einst das Bollwerk Valletta errichteten und angeblich für die Innenausstattung von Kirchen mehr spendeten als für manch eine ihrer Waffenkammer. Seit 1980 zählt Valletta als Gesamtmonument zum UNESCO-Welterbe.
    In einer schmalen Straße der Altstadt hat Simon de Bono sein Büro. Er ist Immobilienmakler und immer auf der Suche nach guten Kunden für Wohnraum, saniert oder unsaniert. Erst vor wenigen Tagen habe er ein paar größere Palazzi verkauft, erzählt er. Das Angebot sei da. Und so langsam käme auch die Kundschaft von außerhalb.
    "Oh ja, in Valletta ist derzeit großer Immobilienmarkt. Eben auch, weil sich unsere Regierung dafür einsetzt, Valletta komplett zu rekonstruieren. Da sind einige Millionen Euro hineingeflossen, die Straßen zu erneuern, die Elektrizität, modernes Internet. Und auch die Auberge de Castille – das Büro des Premierministers ist nun gut saniert."
    Viele Häuser stehen leer, manche Straßen sehen trostlos aus, erzählt er. Doch das soll sich alles ändern, wünscht sich zumindest die Regierung. Und weil der charmante, ruhige Inselstaat am Meer so viel Potenzial habe, sei das auch eine gute Zeit für Immobilienmakler, meint der Geschäftsmann.
    Fehlende Investoren
    Ganze Straßenzüge würden derzeit umgekrempelt und saniert. Auch wenn die Investoren im großen Stil noch fehlten. Manche kämmen einfach her, weil sie Ruhe suchten, fernab vom Trubel anderer Städte.
    Michael Staack aus dem Norden Deutschlands ging das auch so.
    "Wir können in den ersten Stock gehen, da haben wir auch noch zwei Ferienwohnungen."
    Der 51-Jährige lebt seit 10 Jahren in Valletta. Mit seinem maltesischen Lebenspartner hat er ein typisch, barockes Haus saniert und zeigt die Zimmer, die er auch vermietet:
    "Direkt an die Straße, wo man auch so einen ursprünglichen Holzbalkon hat und da kann man auch sehr schön das Straßenleben beobachten, das Kommen und Gehen der Leute."
    Nebenan, sagt er, haben eine dänische Familie und schräg gegenüber ein französisches Ehepaar ein Haus gekauft. So langsam geht es hier voran mit dem Sanieren, und auch Europa kommt hierher, meint der Norddeutsche. Doch leicht sei das alles nicht:
    "Ja, das ist wie überall, das Geld spielt eine Rolle. Hier in Valletta steht eben noch sehr viel leer. Da geht es auch um die Eigentümerfragen. Viele Malteser leben im Ausland, haben aber hier Eigentum und dann ist ein Punkt der Preis, die alten Gemäuer sind leider nicht billig und dann, wenn man anfängt zu renovieren, dann muss man sechs bis sieben Jahre Renovierungszeit einplanen, was die Letzten dann abschreckt."
    Winter im T-Shirt statt Wolljacke
    Dennoch, sagt er, den Blick auf den Hafen ganz oben von seiner Dachterrasse, den möchte er nicht mehr missen, das T-Shirt statt Wolljacke im Winter auch nicht.
    Zwei Straßen weiter arbeiten Handwerker in einer Werkstatt, sie schleifen Türen ab, setzen neue Fenster ein und reparieren die Elektrik. Für sie sei es eine gute Zeit, viel Arbeit, viel Aufträge, meinen sie scherzhaft. Valletta werde aber auch immer teurer für Einheimische wie sie.
    Was sie denn vom Renzo Piano-Projekt am Eingang der Stadt halten würden? Der junge Elektriker übersetzt die Antwort seines Kollegen:
    "Er mag den Eingang der Stadt, das neue Tor, und so weiter, das neue Parlamentsgebäude, aber - das Open Air Theater findet er nicht so gut."
    Das Telefon klingelt, busy time, murmelt der Elektriker und greift zum Hörer.
    Nur wenige Hundert Meter sind es zum Renzo-Piano-Projekt und dem modernen Eingang zur Stadt mit einer neuen Sandstein-Brücke direkt an den alten Festungsmauern. Hier im schlichten - modernen Renzo Piano - Sandsteinquader - wird ab Sommer Maltas Parlament tagen. Durch die neue Regierung im vergangenen Jahr kam alles in Verzug und dann waren auch noch die Plätze zu knapp. Das sei jetzt geklärt, sagen die Architekten. Nur die moderne Fassade, von dutzenden schmalen, schräg aufgeklappten Formen an den Wänden, die mag nicht allen gefallen.
    Die Taxifahrer gegenüber haben da ihre Zweifel. Denn – sagen sie - Valletta sei doch eine barocke Stadt. Und jetzt das.
    "Wir wissen, das Renzo Piano ein sehr guter Architekt ist und viele interessante Sachen gemacht hat, aber das hier, irgendwie funktioniert das nicht."
    Das Opernhaus von 1877 zerstört bei deutschen Luftangriffen
    Meint einer von ihnen und schüttelt den Kopf. Er wartet auf Kundschaft und blickt manchmal stundenlang auf den modernen Sandsteinquader, der auf Stelzen steht. Nebenan, das alte Opernhaus von 1877, das wurde im Krieg zerstört – übrigens von Deutschen bei den Luftangriffen auf Malta. Aber, sagt der Taxifahrer, für den Wiederaufbau gab es Gelder. Wo die sind, wisse heute niemand. Geblieben sei nun ein Open Air–Theater ohne Dach und Wände statt Barockfassade.
    Und nebenan? Da steht jetzt eben Vallettas moderne Visitenkarte. So richtig warm werde er damit wohl nie, meint der Fahrer und sein Kollege nickt auch. Aber was soll‘s, wenn Valletta 2018 erst ’mal Kulturstadt ist, dann sei dieser Kummer vielleicht vorüber.