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Man muss "jetzt wieder an den Verhandlungstisch"

In einer "Mischung der Instrumente" sieht Europaabgeordneter Sven Giegold (Bündnis 90/Die Grünen) noch eine Möglichkeit, Zypern zu retten. Man müsse mit Partnern vorsichtig sein und dürfe nicht so lange Druck ausüben, bis Zypern ein Ergebnis akzeptiere, welches es gar nicht mehr vertreten könne.

Sven Giegold im Gespräch mit Thielko Grieß | 20.03.2013
    Dirk Müller: Ein zähes Hin und Her mit zahlreichen Seitenwechseln, mit Beschlüssen, die wieder gekippt werden, mit Mehrheiten, die ganz schnell zur Minderheit werden – das Rettungspaket für Zypern ist alles andere als unter Dach und Fach, obwohl das nach dem EU-Gipfel Ende vergangener Woche so aussah. Die Rechnung ist aber offenbar ohne den Wirt gemacht worden, nämlich ohne die Kleinsparer und jetzt auch wieder ohne das zyprische Parlament.
    Wie geht es jetzt weiter mit dem gescheiterten Rettungsplan für Zypern? Darüber hat mein Kollege Thielko Grieß mit dem Grünen-Europapolitiker und Finanzfachmann Sven Giegold gesprochen.

    Thielko Grieß: Mal angenommen, Sie hätten heute Abend im Parlament auch eine Stimmkarte gehabt, wie hätten Sie denn abgestimmt?

    Sven Giegold: Das Europäische Parlament ist an diesen Entscheidungen nicht beteiligt. Wir verfügen überhaupt nicht über das Geld, um Staaten oder Banken in großem Maße zu retten. Eins weiß man im Europaparlament aber vermutlich etwas besser, dass man mit Partnern vorsichtig sein muss. Insbesondere es nicht hilfreich ist, sie in Nachtsitzungen sozusagen in abgeschlossene Räume zu setzen, solange durchzudrehen, bis sie wieder nach Hause gehen und das Ergebnis nicht mehr vertreten können.

    Grieß: Sie können also die Ablehnung gut nachvollziehen?

    Giegold: Ich kann das nachvollziehen, weil natürlich die Beteiligung der kleinen Vermögen daran völlig unnachvollziehbar ist. Und das stellt auch einen europäischen Vertrauensbruch dar. Gleichzeitig gibt es natürlich jetzt sehr viele Stimmen, die sich eben nicht nur gegen Brüssel richten, sondern auch gegen Deutschland, gegen die Kanzlerin. Das holt Ressentiments hervor, die wir in Europa eigentlich abgelegt haben wollten.

    Grieß: Wird die deutsche Regierung nicht zurecht kritisiert für ihre harte Haltung gegenüber zypriotischen Kleinanlegern?

    Giegold: Also zunächst mal ist bis heute nicht völlig klar, wie groß der Anteil Deutschlands daran ist, dass Kleinsparer beteiligt wurden. Es scheint so, dass es eine Summe gab, 5,8 Milliarden, die sollte von Zypern aufgebracht werden, ohne gleichzeitig wieder neue Verschuldung zu erzeugen. Wie Zypern das macht, wurde dann Zypern überlassen. Das ist aber aus europäischer Sicht sehr fragwürdig, denn jetzt müssen sich ja auch Sparer aus anderen Ländern fragen, ob, wenn es dort weitere Probleme mit dem Bankensystem gibt, ob dann auch die Zusage, dass Einlagen bis 100.000 Euro garantiert sind, nicht mehr gilt.

    Grieß: Sie haben dafür geworben, den Partner Zypern auch als Partner zu behandeln. Aber was ist das denn für eine Verhandlungstaktik von Präsident Anastasiades, wenn er kurz vor dem Wochenende in Brüssel noch sein Ja gibt zu dieser Eigenbeteiligung, auch zu dem Plan, Kleinsparer zu belasten. Und letztlich dann seine Koalition, seine Regierungspartei in Zypern selber überhaupt entsprechend nicht mehr im Griff hat?

    Giegold: Ich glaube, im Griff haben ist in so einer Lage schwierig. Die öffentliche Meinung in Zypern ist ja eindeutig. Aber dass Zypern seinen eigenen großen Anteil an all dem hat, ist ja völlig offensichtlich. Klar ist aber auch, dass man aus dem Schützengraben jetzt irgendwie heraus muss.

    Grieß: Und wie?

    Giegold: Ich glaube, dass eine Einigung nur so aussehen kann: Sicherlich kann die Euro-Zone nicht darauf verzichten, dass Zypern die 5,8 Milliarden letztlich aufbringt. Daran führt aus meiner Sicht kein Weg vorbei, sonst wäre ja das Signal, letztlich zahlen andere für die eigenen Schulden. Genauso ist es aus meiner Sicht nicht akzeptabel, dass einfach man darauf besteht, dass die Beteiligung der Sparer in der jetzt beschlossenen Form geschieht, denn würde man daran festhalten, hätte Zypern und die dortige Bevölkerung keinen Weg, dem jeweils zuzustimmen. Und es kann auch keinen Weg davon weg geben, dass Zypern zumindest in der mittleren Frist sein Geschäftsmodell Steueroase aufgeben muss.

    Grieß: Welche Wege bleiben denn dann noch?

    Giegold: Welche Wege bleiben dann noch? – Dann gibt es die Mischung der Instrumente, die wir zum Teil auch hatten. Zypern verfügt ja durchaus auch über Güter, die man prinzipiell verpfänden kann. Es gibt die Option, dass auch die Europäische Zentralbank in der Zwischenfinanzierung eine Rolle spielt. Es gibt die Option in Zypern, statt einer Beteiligung der Sparer, die ja immer willkürlich ist, viel eher eine Vermögensabgabe zu verwenden. Die Europäische Zentralbank kann natürlich keine Schulden übernehmen, die kann nur in der, sage ich mal, kurzen Frist dafür sorgen, dass es nicht zum Zusammenbruch kommt.

    Grieß: Die Rolle der Europäischen Zentralbank stellen Sie sich wie vor? Durch kurzfristige Kredite das Land weiter am Laufen zu halten?

    Giegold: Das ist ja das, was sie in Griechenland mehrfach getan hat. Das ist natürlich fragwürdig. Es kann aber zumindest so lange eine Überbrückung sein, bis man letztlich den Europäischen Stabilitätsmechanismus nutzt, der eigentlich der richtige Adressat für diese Art von Arbeiten ist. Aber ich bin im Grunde schon der Meinung, dass man natürlich die notwendige Beteiligung Zyperns braucht, aber jetzt wieder an den Verhandlungstisch muss, statt über Interviews miteinander zu kommunizieren.

    Grieß: Ist es vielleicht auch möglich, an das Undenkbare zu denken und Zypern insolvent gehen zu lassen? Die Wirtschaftsleistung des Landes ist ja überschaubar.

    Giegold: Ich persönlich halte das für sehr risikoreich, denn wir dürfen nicht vergessen, dass auch in Spanien und Italien wir in den Bilanzen der Banken faule Kredite von zehn Prozent des Kreditvolumens haben. Wie groß die Rechnung wirklich ist, weiß niemand ganz genau. Und es besteht sowieso die Gefahr, dass die weiteren Stabilisierungsmaßnahmen für die Bankensysteme sehr teuer werden. Und das wird sicher nicht billiger, indem man ein Land gegen die Wand fahren lässt. Dass das gegen den europäischen Geist ist, kommt noch hinzu.

    Müller: Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold im Gespräch mit meinem Kollegen Thielko Grieß.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.