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"Man muss sehen, wie das in die Praxis umgesetzt wird"

Erhard Busek, der frühere österreichischer Vizekanzler, nennt es ein nationales Recht in Europa, eigene Mediengesetzte zu erlassen. Denn es gebe keine einheitlichen EU-Vorgaben. Ob die Medienqualität allerdings staatlich verordnet werden könne, sei "mehr als problematisch".

Erhard Busek im Gespräch mit Dirk Müller | 23.12.2010
    Dirk Müller: Ungarn und das Mediengesetz, darüber wollen wir nun reden mit dem österreichischen ÖVP-Politiker und Ex-Vizekanzler Erhard Busek, viele Jahre engagiert für die Osterweiterung der Europäischen Union. Guten Tag!

    Erhard Busek: Guten Tag.

    Müller: Herr Busek, alle regen sich mächtig auf. Sie auch?

    Busek: Ich betrachte es mit Sorge. Aufregung ist noch nicht angebracht, weil man noch sehen muss, wie das dann in die Praxis umgesetzt wird. Viktor Orban neigt ein bisschen zu extremen Aussagen und auch Taten, wobei er auch wieder auf der anderen Seite ein Pragmatiker ist und natürlich auch europäisch durchkommen möchte. Wovor ich warnen möchte ist, wieder einmal die Idee von Sanktionen zu haben. Das haben wir im Fall Österreich mit der schwarz-blauen Regierung erlebt, das ist voll in die Hosen gegangen. Da sollte doch die Erinnerung so mancher, die jetzt da munter geredet haben, ausreichen, um zu wissen, wie das ausgegangen ist. Also das halte ich für keinen Weg. Es ist viel besser, in einen Dialog nicht nur mit der ungarischen Regierung, sondern auch mit dem Parlament einzutreten. Es ist hier Aufmerksamkeit wirklich angebracht, ich möchte das gar nicht klein reden, aber jetzt schon die Kanonen aufzufahren, bevor irgendetwas passiert ist, ist zu früh.

    Müller: Wenn Sie sagen,Herr Busek, der rechtskonservative Regierungschef Viktor Orban, er neigt zu extremen Haltungen, auch zu extremen Taten, muss man die Frage stellen: Ist er Demokrat?

    Busek: Das ist er sicher. Ich kenne ihn seit der Zeit vor 1989. Da hat er eigentlich linksliberal begonnen, war damals ein wesentlicher Beitrag zur Demokratie. Ich glaube, er lebt immer in der Sorge, dass sich am rechten Rand zu viel tut, Jobbik. Das hat er eigentlich ganz gut bislang im Griff behalten. Was ihn dazu führt, sozusagen eine Politik zu verfolgen, die bei Franz-Josef Strauß einmal geheißen hat, rechts neben mir ist die Wand, hier scheint eine gewisse Tendenz da zu sein. Nur, glaube ich, haben die Europäer die Aufgabe, eher einen Dialog hier zu führen, als hier herumzuballern.

    Müller: Sie kennen ihn ja. Wie kommt er dazu, die Medien zu knebeln?

    Busek: Wahrscheinlich wegen Angriffen in der Vergangenheit und so. Das halte ich für übertrieben. Ich habe selber auch schon dagegen Stellung genommen, weil etwa auch angesehene österreichische Journalisten, der aus Ungarn stammende Paul Lendvai, auch da schon auf eine Weise behandelt wurden, die problematisch ist. Ich glaube, dass man auf den Fall jeweils immer eingehen muss und das auch sehr deutlich machen, denn was Viktor Orban auch will ist, auf dem europäischen Parkett doch willkommen zu heißen. Von Isolation - und das weiß er - hat er nichts.

    Müller: Das Argument, was die Regierung nach außen getragen hat, war ja unter anderem auch, diese Medien haben keine oder zu wenig Kontrolle, weil Gewalt, Pornografiedarstellungen, insgesamt sexuelle Themen viel zu stark in den Vordergrund rücken, die Politik nach hinten gerückt ist, wir müssen da einschreiten, um auch das Niveau zu sichern. Ist das nachvollziehbar?

    Busek: Ich habe zu wenig Übersicht über die ungarischen Medien. Wir haben sicher generell in Europa einen Qualitätsverlust bei den Medien, aber das können sie mit Behörden nicht kompensieren. Quasi die Qualität staatlich zu verordnen, ist mehr als problematisch. Da liegen die Gründe schon tiefer und da ist eine öffentliche Diskussion, die nach Qualität sucht und darauf hinweist, sicher immer wertvoller. Und dann muss man natürlich auch den Bürgerinnen und Bürgern sagen, sie müssen diese Medien ja nicht kaufen. Wenn die Erfolg haben, ist es ein schlechtes Zeichen. Hier darf man ruhig grundsätzlich mahnen.

    Müller: Reden wir einmal über Demokratie und auch Demokratietheorie und Vorstellungen im europäischen Rahmen. Sie haben das Beispiel Österreich damals genannt, Schüssel und Haider, die umstrittene Koalition, die Sanktionen, die angedroht waren. Unter anderem die deutsche Regierung war da mit beteiligt. Wenn wir jetzt auf Ungarn gehen: Ungarn hat ein umstrittenes Mediengesetz verabschiedet. Ist das nationales Recht der Ungarn?

    Busek: An sich ja, denn es gibt ja kein europäisches Medienrecht. Es gibt einige schmale Regelungen hier. Das ist Frage der nationalen Souveränität. Noch einmal: Ich glaube, dass es in Europa eine gemeinsame Unterhaltung über die europäischen Werte geben muss, die es zweifellos gibt, wo aber nicht immer alle so eifrig sind, sie auch dann wirklich immer zu verfolgen.

    Müller: Die Österreicher haben ja damals sehr gelitten unter dieser Einmischung Europas. Darf, soll Europa sich einmischen auch in einem solchen Fall?

    Busek: In geeigneter Form. Wie es damals mit Sanktionen gemacht wurde, die wirklich diskriminierend waren, das war mit Sicherheit falsch. Wir haben heute unsere Probleme in Österreich mit der Akzeptanz der EU auch aus diesen Gründen. Das sollten sich alle Scharfmacher überlegen. Es gibt ja auch ein paar andere Staaten, die sich nicht immer an alle EU-Regeln halten.

    Müller: Und auch Berlusconi ist frei gewählt?

    Busek: Ja, und es hat damals wenig Proteste gegeben.

    Müller: Und das war dann aber richtig?

    Busek: Nein, sondern im Gegenteil: es wollte ihn dann jeder quasi freundlich behandeln. Es gibt hier ein bisschen einen Unterschied zwischen den Großen und den Kleinen. Bei den Kleinen sind dann alle große Helden und bei den Großen sind sie alle dann sehr klein.

    Müller: Bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk der österreichische ÖVP-Politiker und Ex-Vizekanzler Erhard Busek. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Busek: Danke vielmals!