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Manager mit ethischem Anliegen

Unter den großen Wirtschaftsführern der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war der Italiener Aurelio Peccei eine Ausnahmeerscheinung. Wie kaum ein anderer verband er seine Aufgaben als Manager mit Hilfsaktionen für die Dritte Welt und der Bildung von wissenschaftlichen Netzwerken. Auf seine Initiative ging auch die Gründung des "Club of Rome" zurück, der unter anderem Anfang der Siebziger mit einer Studie über "Die Grenzen des Wachstums" weltweites Aufsehen erregte.

Von Henning Klüver | 04.07.2008
    In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts zeichnete sich das kulturelle Klima in den westlichen Gesellschaften durch unterschiedlichste Gefühlslagen aus. Soziales Unbehagen stand neben wachsendem Protest von Jugendlichen. Dazu gehörte auch die Angst vor einem Atomkrieg und einer globalen Katastrophe. Die Menschheit stand - so suggerierte es zum Beispiel der berühmte Song von Barry McGuire - am Abend vor dem Weltuntergang.

    Die diffusen Zukunftsängste beschäftigten auch einen Manager und Intellektuellen wie den Italiener Aurelio Peccei.

    "Unsere geringe Kenntnis einer sich rapid verändernden realen Welt, ist auch auf die eingefleischte Angewohnheit aus alten Zeiten zurückzuführen, jedes Problem und jedes Phänomen für sich einzeln zu betrachten. Man erkennt nicht, dass alle Übel einerseits eine gemeinsame Wurzel in den Störungen der modernen Gesellschaft haben und anderseits sich laufend untereinander verschlingen und einen riesigen Knoten bilden. Man kann sie also nicht isoliert jedes für sich betrachten."

    Aurelio Peccei fand in dem Schotten Alexander King von der Pariser Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD, einen Gleichgesinnten. Im April 1968 gründeten sie eine Vereinigung, die einen globalen Gedankenaustausch über die Verknüpfungen der dringendsten internationalen Probleme fördern sollte. Und weil man sich bei diesem Treffen gerade in der italienischen Hauptstadt befand, nannte man diese Vereinigung, die sich dem ganzheitlichen Denken, der nachhaltigen Entwicklung und einer fairen Weltwirtschaft verschrieb, den "Club of Rome". Aurelio Peccei wurde sein erster Präsident. Die Berichte des "Club of Rome", wie der über "Die Grenzen des Wachstums" von 1972, haben ein weltweites Echo gefunden. Ein Jahr später, 1973, erhielt der "Club of Rome" den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Aurelio Peccei sagte in seiner Dankesrede:

    "Der Club of Rome möchte mit seinen Aktivitäten das Verständnis und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern verstärken. Das ist unsere Ausrichtung angesichts der großen Probleme, denen sich die Menschheit gegenüber sieht und die entscheidend für die Zukunft sein könnten."

    Anfang der siebziger Jahre lernte auch Gianfranco Bologna, heute wissenschaftlicher Direktor der italienischen Sektion des World Wide Fund for Nature, Aurelio Peccei kennen und wurde sein Mitarbeiter.

    "Er war ein außergewöhnlicher Mann, der zwei große Fähigkeiten miteinander verband. Das eine war seine menschliche Fähigkeit, sich in den anderen einzufühlen, seine persönliche Geschichte wichtig zu nehmen. Das andere war seine intellektuelle Fähigkeit einerseits ganz praktisch Netzwerke zu gründen, die Personen untereinander in Beziehung zu setzen, und dabei andererseits Visionen zu vermitteln. Zukunft war für ihn bei aller Problematik nicht vorbestimmt, sondern machbar. Eine Zukunft, wie die Menschen sie sich wünschten."

    Aurelio Peccei wurde am 4. Juli 1908 in Turin geboren, wo er auch seine Jugend verbrachte und an der Universität Wirtschaftswissenschaften studierte. Der sprachbegabte junge Mann machte schnell Karriere beim Automobilkonzern Fiat und baute unter anderem dessen Auslandsabteilung in China auf. Während des Weltkrieges engagierte er sich in der bürgerlichen Widerstandsgruppe "Giustizia e Libertà". Nach Kriegsende erschloss Peccei für Fiat von Buenos Aires aus den südamerikanischen Markt. Später gründete er die Beratergesellschaft Italconsult, ein Joint Venture wichtiger italienischer Automarken. Ziel dieser von ihm geleiteten Not-Profit-Gesellschaft war es, wirtschaftliche und technologische Beratung beim Aufbau von Unternehmen in Dritte-Welt-Ländern zu leisten. Aurelio Peccei:

    "Das kann nur durch eine kontinuierliche, die geographischen Grenzen überschreitende Anstrengung erfolgreich sein. Und zugleich müssen auch die politischen, sozialen, ideologischen und kulturellen Unterschiede überwunden werden, um unsere Welt an neue Generationen weiter zu geben, die darin leben und sich entwickeln wollen, ohne von unlösbaren Problemen überrollt zu werden."

    Aurelio Peccei starb 1984 im Alter von 75 Jahren in Rom.