Dienstag, 09. April 2024

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Mangelnde Allergen-Kennzeichnung in Lebensmitteln
"Gastronomen sollten Gesetze einhalten"

55 Prozent der Gastronomen informieren nur unzureichend darüber, ob und welche allergenen Stoffe im Essen enthalten sind - so das Ergebnis einer Studie der Hamburger Verbraucherzentrale. "Die Lebensmittelüberwachung muss eenergischer vorgehen und Bußgelder verhängen", sagte Verbraucherschützerin Silke Schwartau im Dlf.

Silke Schwartau im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 02.11.2017
    Ein Koch bei der Arbeit in einer Restaurantkueche, 26.07.2017, Schlepzig.
    Der Gast könne ja nicht immer in die Restaurantküche gehen, um sich zu informieren, sagte Verbraucherschützerin Silke Schwartau im Dlf. (imago / photothek / Inga Kjer)
    Susanne Kuhlmann: Stecken Bestandteile von Sellerie oder Meeresfrüchten in der Suppe, oder Nüsse im Kuchen oder Dessert? Weil dieses Wissen für Allergiker extrem wichtig ist, schreibt ein europaweit gültiges Gesetz Gastronomen vor, Speisen so zu kennzeichnen, dass die Gäste Allergene erkennen und damit vermeiden können. Seit mittlerweile drei Jahren gilt dieses Gesetz. Aber in vielen Restaurants hapert es noch immer mit der Umsetzung.
    Mitarbeiter der Hamburger Verbraucherzentrale waren in 38 Gaststätten in der Innenstadt und der Hafen-City und machten die Probe aufs Exempel. Wie fiel das Ergebnis aus?
    Das fragte ich Silke Schwartau, die Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg.
    Silke Schwartau: Wir waren von dem Ergebnis nicht so begeistert. Wir haben nur 15 Gastronomen gefunden, also 40 Prozent, die das wirklich sehr gut gemacht haben. Das kann man schon sagen. Aber der weitaus größere Teil, nämlich 55 Prozent, informierte völlig ungenügend und hat auch den Gästen keine Möglichkeit gegeben, die Allergene zu erkennen.
    Kuhlmann: Glutenhaltiges Getreide, Sojafisch, Verweise auf mögliche Allergie auslösende Zutaten in einzelnen Gerichten direkt auf der Speisekarte, so sollte es im besten Falle sein. Mehr als die Hälfte der Gaststätten, die Sie besucht haben, informierten aber nur ganz unvollständig. Das haben Sie gerade gesagt. Hilft das Personal in den Fällen weiter?
    Schwartau: Wir haben immer auch das Personal befragt bei unseren Testbesuchen und mussten feststellen, dass viele das Thema auch gar nicht so richtig ernst nehmen. Gerade für Allergiker kann das ja überlebenswichtig sein, dass zum Beispiel Erdnüsse deklariert werden oder andere Eiweiße.
    Von daher fanden wir das etwas unhöflich. Einige haben sich auch abgewandt. Das war schon schwierig. Wenn der Chefkoch da war, dann war das manchmal leichter und man konnte ihn fragen. Nur man kann ja auch als Gast nicht immer jetzt in die Küche gehen und mit dem Chefkoch reden und so. Man möchte doch auch eine schöne Zeit haben im Restaurant und wirklich mögliche Allergene auf den ersten Blick erkennen können.
    "Das ist ein Gesetz, das muss eingehalten werden"
    Kuhlmann: Was bedeuten Ihre Ergebnisse vor diesem Hintergrund für Allergiker nicht nur in Hamburg?
    Schwartau: Ich denke, dass unsere Hamburger Ergebnisse auch bundesweite Bedeutung haben, weil das in vielen Städten ähnlich aussieht. Und hier heißt das, dass die Lebensmittelüberwachung einfach auch energischer vorgehen muss und Bußgelder verhängen muss, denn das ist ein Gesetz, das muss eingehalten werden. Und auch die Restaurants sollten sich noch mal über ihre Verbände verständigen und es ist ja nun wirklich kein großer Aufstand, Allergikern diesen Service zu bieten.
    Wir haben auch immer mehr Touristen aus aller Welt, gerade auch wir in Hamburg, und es ist einfach wichtig, denen auch die entsprechenden Informationen zu geben, die sie für ihre Gesundheit wirklich dringend brauchen.
    "Gastronomen sollten hier die Gesetze einhalten zum Wohle ihrer Gäste"
    Kuhlmann: Bis das soweit ist, was können Gäste denn tun?
    Schwartau: Gäste sollten sich auf jeden Fall beschweren, zum Beispiel, wenn jetzt die Allergen-Informationen fehlen und überhaupt nicht zugänglich sind, denn es geht ja um ihre Gesundheit und das kann im schlimmsten Fall lebensgefährlich sein. Auch wenn Falschinformationen weitergegeben werden, dass einfach irgendwelche Allergene benannt werden, die aber gar nicht stimmen können, oder wenn Karten aushängen mit Allergenen, die aber gar keinen Bezug zur Speisekarte haben, einfach nur was kann allergisch sein oder worauf kann man reagieren, aber gar nicht in welchen Produkten ist das drin.
    Wir haben das alles gefunden und wir meinen einfach, Gastronomen sollten hier die Gesetze einhalten zum Wohle ihrer Gäste, und da muss einfach eine Auskunft vorhanden sein, die man leicht erfassen kann und die einen Allergiker hier nicht zum Spießroutenlauf zwingt, der sich das alles mühevoll zusammensuchen muss.
    Kuhlmann: Überwiegend mangelhaft – viele Hamburger Gaststätten bekamen schlechte Noten für die Allergen-Kennzeichnung von Speisen. Das Gespräch mit Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg habe ich am Vormittag geführt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.