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Marina Weisband
Die CDU will keinen Dialog, sie will senden

Der Plan der CDU, eigene Youtuber aufzubauen, zeige, dass es der Partei immer noch nicht um einen Dialog mit der jungen Generation gehe, meint Kolumnistin Marina Weisband. Parteien müssten anfangen, Menschen als wichtige Ressource des politischen Diskurses zu begreifen, statt nur PR zu machen.

Von Marina Weisband | 05.06.2019
Eine TV-Kamera ist im Fraktionszimmer der CDU auf die Bühne im Hessischen Landtag gerichtet
Hat die CDU also endlich Politik mit sozialen Medien verstanden? Sehr im Gegenteil, meint Marina Weisband. (dpa / Boris Roessler)
Was bisher geschah: Ein Youtuber, der normalerweise Musik macht, hat ein politisches Video gemacht. Er hat in einer Stunde fundiert und mit Belegen argumentiert, warum man bei der Europawahl nicht die CDU wählen solle. Das Video ging Viral.
Die CDU reagierte kopflos. Erst wurde er von Einzelnen verspottet und beleidigt. Dann drehte man ein Antwortvideo. Dann sendete man es nicht. Dann antwortete man in einer elfseitigen PDF. Dann lud man ihn zum Gespräch ein. Dann war man beleidigt, dass er nicht seiner Bürgerpflicht nachkomme, mit der CDU ein Gespräch zu führen. Dann forderte Annegret Kramp-Karrenbauer, dass man Regeln für solche "Meinungsmache vor Wahlen brauche".
CDU hat Wählerinnen unter 30 schon länger verloren
Und nun eine neue Idee: CDU-Politiker aus dem Verein CNetz fordern, eigene Youtuber aufzubauen, die also sozusagen CDU-Politik jugendgerecht verkaufen. Hat die CDU also endlich Politik mit sozialen Medien verstanden? Sehr im Gegenteil.
Die CDU hat schon seit geraumer Zeit den Kontakt zu Wählerinnen unter 30 verloren. Das zeigen auch die Wahlergebnisse. Diese Generation hat bestimmte Bedürfnisse. Zum Beispiel, dass die Erde in 50 Jahren noch gut von Menschen bewohnbar ist.
Warum hierzu ein radikales Umdenken der Politik dringend notwendig ist, hat der Youtuber Rezo eindrücklich erklärt und belegt. Und, nebenbei, praktisch alle Klimaforscher. Was er geäußert hat, ist also nicht einfach nur eine Meinung, sondern die Tatsachen, die junge Menschen alarmieren und für die sie seit Wochen auch auf die Straßen gehen.
CDU will sich nicht auf die sozialen Medien einlassen
Die CDU ist nicht wegen eines Youtube-Videos in den Wahlergebnissen abgeschmiert. Sondern, weil sie der jungen Generation kein Gehör schenkt. Weil sie den Jugendlichen, die sich für freie Plattformen im Internet einsetzen, unterstellt hat, Marionetten von Google zu sein.
Soziale Medien machen es für junge Menschen leichter, sich zu äußern und eben auch gehört zu werden. Sie sind angelegt auf Dialog und Austausch, aus dem sich eine gute und zukunftsorientierte Demokratie ergeben kann. Damit können sie auch zu politischen Aktivierung der Jugend beitragen. Doch wenn die CDU einfach neue Gesichter ins Rennen schickt, die ihre alten Themen verkaufen, hört sie eben immer noch nicht zu. Sie will sich nicht wirklich einlassen auf den Dialog und den chaotischen Austausch, den die sozialen Medien bedeuten. Sie will PR. Sie will senden.
Klar, Youtube ist moderner als Fernsehen und vielleicht werden sie so mehr gehört. Das nützt nur alles nichts, wenn ihre Politik grundlegend an den Bedürfnissen junger Menschen vorbei geht. Rezo ist nicht viral gegangen, weil er Youtuber ist oder weil er cool ist. Er ist viral gegangen, weil er die tatsächlichen Probleme und Bedürfnisse seiner Generation anspricht.
Die CDU, wie alle Parteien, täte gut daran, Menschen als wichtige Ressource des politischen Diskurses zu begreifen und als Expertinnen ihrer eigenen Lebensrealität. Dann braucht man auch nicht künstlich auf cool zu machen. Mit Respekt und Achtung Zuhören, Einordnen, Erklären und Handeln wäre die Basis, um die junge Generation für sich zu gewinnen.