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Marine Le Pen und der Front National
Mit neuem Namen aus der Krise?

Nach der Niederlage gegen Emmanuel Macron bei der Präsidentschaftswahl geriet der Front National in eine Krise. Nun will Marine Le Pen ihre Partei neu aufstellen, unter anderem mit der Änderung des Parteinamens. Doch der innerpolitische Streit um die Identität des FN reicht viel tiefer.

Von Jürgen König | 16.01.2018
    FN-Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen spricht mit Journalisten, während sie in Forbach das Unternehmen Fermap besucht, im Januar 2017
    Ist sich sicher, dass der Front National "noch nie so nötig war wie heute": Marie Le Pen will eine Art Neugründung ihrer Partei (AFP/Patrick Hertzog)
    Nach ihrer Wahlniederlage hatte Marine Le Pen sich zurückgezogen, von "Burn Out" war in Parteikreisen die Rede. Seit September kämpft sie wieder, aber der alte Schwung will sich nicht mehr einstellen. Denn die parteiinternen Spannungen sind groß: seit dem von Aggressivität und erheblicher Unkenntnis geprägten Fernsehauftritt Marine Le Pens beim letzten Kandidatenduell gegen Emmanuel Macron sind auch getreue Anhänger verunsichert und verärgert, Zweifel an ihrer Führungskompetenz kamen auf, inhaltliche Differenzen bezogen sich vor allem auf die Haltung in der Euro-Frage.
    Vizepräsident verließ Partei im Streit
    Vor allem Florian Philippot, ihr Vordenker und langjähriger Vizepräsident, hatte sich für den Austritt Frankreichs aus dem Euro stark gemacht, den aber, so die parteiinterne Analyse, hätten die Franzosen mehrheitlich nicht gewollt, auch Philippot habe eine Mitschuld an der Wahlniederlage. Im Herbst kam es zwischen ihm und Marine Le Pen zum Bruch, Florian Philippot verließ die Partei im Streit, eine ganze Reihe von Gefolgsleuten ging mit ihm - seither macht in der Öffentlichkeit das Wort von der "Krise" die Runde. Bei Ihren Neujahrswünschen für die Presse kam Marine Le Pen ziemlich schnell darauf zu sprechen.
    "Zu Beginn des Neuen Jahres will ich all denen, die sich um uns Sorgen machen, versichern, dass wir alle bei guter Gesundheit sind. Und das ist umso besser, weil, wie ich glaube, der Front National noch nie so nötig war wie heute. Beim neuen Antiterror-Gesetz hat man das gesehen, das viel geringere Möglichkeiten, die Franzosen zu schützen, bietet, als es sie vorher gab. Man hat es bei den Syrien-Heimkehrern des IS gesehen, wo die Regierung sich vor allem durch Unentschlossenheit hervorgetan hat."
    Was macht den Front National aus?
    Mit den Themen der inneren und äußeren Sicherheit sieht Marine Le Pen im Moment die besten Möglichkeiten, sich gegenüber Emmanuel Macron und seiner Regierung zu profilieren, nicht zuletzt, weil dazu in der Partei weitgehend Einigkeit herrscht. Vieles andere ist umstritten: Was macht die Identität des Front National aus? Welches Programm taugt für die Europawahl 2019? Und, Frage aller Fragen: Wird Marine Le Pen den Front National auch weiterhin führen? Im Moment deutet alles darauf hin, es scheint bei aller Kritik niemanden zu geben, der sie verdrängen wollte oder könnte.
    So macht sich Marine Le Pen an eine Art "Neugründung" der Partei. Alles will sie ändern - auch den Parteinamen. Schon im Wahlkampf hatte sie ihn nicht benutzt, hatte das Logo des "Front National" ebenso wie ihren Nachnamen "Le Pen" gemieden, wo immer es ging - nur als "Marine" war sie angetreten, um sich und die Partei endlich aus dem gedanklichen Dunstkreis ihres Vaters Jean-Marie Le Pens zu befreien. Doch das scheint nicht so einfach zu sein, wenn sich auch Parteisprecher Sébastien Chénu im Sender France 3 optimistisch gab.
    Vater Jean-Marie greift seine Tochter an
    "Natürlich gibt es welche in der Partei, die das nicht wollen, die am Namen hängen, am Logo, andere wollen den Namen wieder ändern - das gehört dazu, wenn man eine große Volkspartei, wenn man DIE Oppositionspartei zu Emmanuel Macron werden will! Und das wollen wir, zwischen ihm und uns gibt es nichts anderes! Die "Republikaner" werden von Macron absorbiert; sie führen den politischen Kampf nicht, sind auch wenig glaubwürdig! Marine Le Pen hat diese Glaubwürdigkeit, in allen Umfragen hat sie ganz solide Werte: Unsere Wähler sind da! "
    Wie weit diese Glaubwürdigkeit trägt, wird der Parteitag am 10. und 11. März zeigen, der alle offenen Fragen klären soll. Es dürfte Marine Le Pen alles andere als freuen, dass just Anfang März Parteigründer Jean-Marie Le Pen den ersten Band seiner Memoiren veröffentlichen will. Es sei doch "nicht schlecht, die Geschichte des Front National zu kennen", sagte er Anfang Januar mit gezielter Spitze gegen seine Tochter; in der Partei dürfte das jenen Auftrieb verschaffen, die den Namen als eine Art Markenzeichen unbedingt behalten wollen. Dass es heftigen Streit geben wird, ist sicher, dass Marine Le Pen ihn politisch überleben wird, durchaus nicht.