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Markus Blume (CSU) zur CDU-Krise
Entscheidung über Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur trennen

CSU-Generalsekretär Markus Blume fordert mit Blick auf die Führungskrise in der CDU schnelle Entscheidungen. Zudem müsse die Frage des Parteivorsitzes von der der Kanzlerkandidatur getrennt werden. "Denn die werden CDU und CSU gemeinsam beantworten", sagte Blume im Dlf.

Markus Blume im Gespräch mit Christiane Kaess | 12.02.2020
CSU-Generalsekretär Markus Blume
Die CSU wolle der CDU in die Frage des Parteivorsitzes nicht reinreden, sagte Blume (www.imago-images.de)
Nach dem Eklat um die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen kündigte die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rücktritt an. Seitdem verschärft sich in der CDU ein Richtungsstreit. Es geht um die Frage der Abgrenzung zur AfD und Linkspartei – aber auch um einen möglichen Kanzlerkandidaten.
Die scheidende Vorsitzende Kramp-Karrenbauer möchte, dass der oder die neue Parteivorsitzende auch Kanzlerkandidat wird. Und sie möchte diese Personalfrage erst in einigen Monaten beantworten. Die CSU hingegen drängt auf einer schnellere Lösung. Wir haben mit CSU-Generalsekretär Markus Blume über die offenen Fragen in der Union gesprochen.
Annegret Kramp-Karrenbauer, Parteivorsitzende der CDU, aufgenommen vor Beginn einer Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt 
CDU nach Kramp-Karrenbauer-Rückzug - Im Richtungsstreit und ohne Chefin
Dem Eklat in Thüringen folgt der Rückzug von CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Doch der Skandal um die Thüringer Ministerpräsidentenwahl legt nur offen, dass die Partei keine klare Haltung zur AfD findet. Erneut richten sich viele Augen auf Friedrich Merz.
Christiane Kaess: Herr Blume, Ihr Parteichef Markus Söder, der sagt, kein Schönheitswettbewerb über ein halbes Jahr. Und CSU-Landesgruppenchef Dobrindt nennt Kramp-Karrenbauers Zeitplan sogar abwegig. Warum macht die CSU so viel Druck?
Markus Blume: Weil wir sehen, dass die Union insgesamt natürlich in einer schwierigen Phase ist. Und wenn Sie bei der CDU eine offene Führungsfrage haben, dann lehren viele andere Beispiele, dass man eine solche offene Führungsfrage dann auch rasch beantworten muss. Monatelange Selbstbeschäftigung, lange Personaldebatten, die führen nur weiter nach unten. Das haben wir bei den Sozialdemokraten gesehen und deswegen ist es wichtig, dass eine solche offene Frage dann rasch geklärt wird. Offene Personalfragen, die lässt man nicht offen. Man debattiert nicht lange darüber, sondern man entscheidet sie.
Kaess: Sie verweisen auf die Sozialdemokraten. Aber die CSU, die durfte sich 2017 schon einen monatelangen Machtkampf zwischen Horst Seehofer und Markus Söder erlauben. Aber die CDU darf sich jetzt aus Ihrer Sicht keine Zeit für ein ordentliches Verfahren nehmen?
Blume: Wenn Sie sich den eigentlichen Übergang bei uns in der CSU anschauen, dann ging der relativ schnell. Natürlich gab es davor schon im Vorfeld längere Diskussionen und gleichzeitig haben wir selbst dort gespürt, dass solche Personaldebatten für eine Partei nie gut sind. Wenn wir jetzt mal den Blick größer ziehen auf das, was international auch von Deutschland erwartet wird, wenn wir in den Blick nehmen, dass wir im zweiten Halbjahr die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union inne haben, dann braucht Deutschland vor allem in dieser Phase eines: Stabilität. Und dafür braucht es eine starke Union.
Kaess: Jetzt eröffnet ja dieser Fahrplan, den Annegret Kramp-Karrenbauer da vorgelegt hat, der CSU indirekt eine Mitsprache auf den CDU-Vorsitz, weil den Parteivorsitz bekommen soll, wer zuerst als Kanzlerkandidat oder als Kanzlerkandidatin nominiert wurde, und da entscheidet die CSU ja mit. Freuen Sie sich darüber?
Blume: Ich glaube, man muss die Dinge hier etwas auseinanderhalten. Es gibt zunächst eine offene Frage, die die CDU beantworten muss. Das ist die Frage des Parteivorsitzes, wer Annegret Kramp-Karrenbauer dort nachfolgt.
Kaess: Sie wollen es umdrehen?
Blume: Wir wollen es umdrehen und wir wollen es vor allem trennen. Die Frage des Parteivorsitzes, die muss die CDU logischerweise für sich beantworten. Da hat die Schwesterpartei keine Ratschläge zu geben. Die Frage der Kanzlerkandidatur, die ist davon zunächst mal separat zu sehen, und diese Frage werden CDU und CSU gemeinsam beantworten. Das kann am Ende natürlich auf dieselbe Person hinauslaufen, aber es muss nicht zwangsläufig so sein.
Kaess: Wollen Sie da eventuell für die CSU eine Hintertür offenhalten? Denn umgekehrt wäre es ja so: Wenn beides in einer Hand liegen soll, dann ist die CSU bei der Kanzlerkandidatur aus dem Rennen, wenn es jetzt nach dem Fahrplan von Annegret Kramp-Karrenbauer ging.
Blume: Es geht nicht um eine Hintertür, sondern um ein sauberes Verfahren. Ich würde mir auch als CDU nicht gefallen lassen wollen, dass da jemand anderes mitspricht bei der Frage des Parteivorsitzes.
Kaess: Aber sie hat Ihnen jetzt die Möglichkeit eröffnet. Warum ist das so schlimm für Sie?
Blume: Nein, es geht nicht um schlimm oder nicht schlimm, sondern was das richtige Verfahren ist. Eine Partei muss für sich selbst entscheiden, wer sie führen soll. Bei aller neuen Geschwisterlichkeit, die wir auch Dank Annegret Kramp-Karrenbauer im Verhältnis zwischen CDU und CSU wieder haben; die Frage des Parteivorsitzes muss eine Partei für sich selbst entscheiden. Die Frage der Kanzlerkandidatur haben wir immer gemeinschaftlich entschieden und so wird es auch diesmal sein.
"Bundespolitische Verantwortung" von Markus Söder
Kaess: Da fragen sich jetzt alle, wie lange steht da die Aussage von Markus Söder, dass sein Platz in Bayern ist.
Blume: Markus Söder hat das zuletzt gestern noch mal betont. Schauen Sie, er ist jetzt seit etwas mehr als anderthalb Jahren bayerischer Ministerpräsident. Er hat hier in Bayern noch viel vor und weiß natürlich trotzdem um seine bundespolitische Verantwortung. Seien Sie sicher: Wir als CSU und er in Person, wir werden uns auf Bundesebene maßgeblich einbringen. Aber dazu muss man nicht zwingend dann eine andere Position einnehmen.
Kaess: Jetzt sind aber Söders Umfragewerte in Bezug auf die Kanzlerkandidatur unter den CDU-Mitgliedern ziemlich gut. Kann er sich denn da einfach so aus der Affäre ziehen, wenn die Union in so einem Dilemma steckt?
Blume: Ich denke, allein an den Personalvorschlägen der letzten 24 Stunden sehen Sie ja, dass es in der CDU eine ganze Reihe von Kandidaten gibt, die zunächst mal um den Parteivorsitz sich anbieten, und deswegen glaube ich, an guten Kandidaten insgesamt wird es unterm Strich definitiv nicht mangeln, hat es noch nie gemangelt in der Geschichte der Politik.
Kaess: Aber es sollte schon der Aussichtsreichste die Chance ergreifen?
Blume: Ja, und ehrlicherweise für diese Frage der Kanzlerkandidatur haben wir dann auch noch etwas Zeit, denn Sie wissen, wie schnelllebig heute die Zeit ist, und zur nächsten Bundestagswahl ist es noch eine gute Ecke hin. Deswegen noch mal ganz klar zum Fahrplan: Jetzt zunächst mal den Parteivorsitz klären, das ist die offene Frage, und danach werden wir dann gemeinschaftlich beraten, mit welchem Kandidaten wir die besten Aussichten haben, was die Kanzlerkandidatur angeht.
Kaess: Und wenn Markus Söder die besten Aussichten hätte, dann würde er es doch machen?
Blume: Er hat gesagt, sein Platz ist in Bayern, und ich gehe davon aus, dass das auch dann noch gilt.
Kaess: Er sagt auch, er will keine Kampfkandidatur. Wer soll es dann werden, wenn es keine Kampfkandidatur geben soll?
Blume: Was auch schädlich ist bei diesen Debatten ist, wenn wir jetzt über Wochen oder Monate alle möglichen denkbaren Kandidaten und Konstellationen und Voraussetzungen, Regionalkonferenzen und anderes diskutieren. Wie vorhin schon gesagt: So was muss entschieden werden. Dazu braucht es davor keinen Markt der Möglichkeiten, sondern dazu müssen sich die Personen, die in Frage kommen, zusammensetzen, muss man miteinander beraten, und ich bin mir sicher, es ist dann möglich, dass sich auch die CDU auf einen Kandidaten einigt. Ich glaube, in solchen Phasen ist Entschlossenheit, aber auch Geschlossenheit wichtig, und ich wünsche der CDU, dass sie beides dann jetzt in diesem Verfahren auch an den Tag legt.
"Weder Die Linke, noch die AfD"
Kaess: Reden wir noch über die Richtung. Darüber wird ja viel diskutiert nach diesem Debakel in Thüringen. Auch Markus Söder hat gesagt, es geht um den Volkspartei-Charakter der Union und deren Führungsanspruch. Wie kann die Union das denn erhalten? Mit einer Öffnung nach links, oder mit einer Öffnung nach rechts?
Blume: Weder noch, sondern indem wir die alte Breite der Volkspartei Union, der Volkspartei CDU wieder zurückgewinnen. Das heißt konkret, es muss in völliger Selbstverständlichkeit möglich sein, dass wir Menschen unterschiedlicher bürgerlicher Überzeugungen politische Heimat geben, dem Liberalen genauso wie dem Konservativen. Da darf es weder an dem einen Ende, noch an dem anderen Ende ausfransen. Diese neue Breite, diese neue Beheimatung, wenn Sie so wollen, die muss damit einhergehen, dass ich aber auch an den Rändern eine ganz klare Haltung habe, ganz klare Abgrenzung fahre. Da darf nicht gewackelt werden, sei es zu dem Frans auf der linken Seite, sei es zu den Rändern am rechten Rand.
Kaess: Aber diese sogenannte Äquidistanz, die setzt ja Bodo Ramelow gleich mit Björn Höcke.
Blume: Ich habe niemanden gleichgesetzt.
Kaess: Sie wollen den gleichen Abstand zu beiden Parteien halten.
Blume: Ich sage nur, weder Die Linke, noch die AfD kommen jemals als politischer Partner für uns in Frage.
Kaess: Und da nehmen Sie in Kauf, dass sich so etwas wie das Dilemma in Thüringen wiederholt?
Blume: Aus unterschiedlichen Gründen. Aber eine Partei, die in unserem Land eine andere Ordnung anstrebt, die, was ihre eigene Geschichte angeht, es an Unrechtsbewusstsein fehlen lässt, eine solche Partei kommt für uns nicht in Frage.
Aber jetzt sage ich es mal, weil Sie gerade auf Thüringen anspielen: Natürlich ist das Wahlergebnis in Thüringen eine Herausforderung. Wir haben schon am Wahlabend gesagt, hier droht die Unregierbarkeit, und das ist das Ergebnis. Wenn zwei Ränder erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik, wenn Parteien der Ränder, nämlich Die Linke und die AfD, zusammen eine parlamentarische Mehrheit haben, dann ist es danach natürlich unglaublich schwer, hier zu einer stabilen parlamentarischen Mehrheit zu kommen, noch dazu der Mitte.
Kaess: Aber mit der Situation müssen Sie ja umgehen.
Blume: Ja, es ist eine Herausforderung. Nur ich bin der Meinung, man braucht solche Dinge nicht abstrakt beantworten, sondern man muss es im Konkreten beantworten.
Überparteilicher Übergangskandidat und rasche Neuwahlen
Kaess: Aber wir haben ja den konkreten Fall in Thüringen. Wenn die CDU jetzt in Thüringen Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten mitwählt, dann hätten wir, was sie ja nicht tun will, aber wenn das so wäre, dann hätten wir das gleiche Ergebnis, wie wenn die CDU in Thüringen nicht der AfD auf den Leim gegangen wäre. Was wäre daran so schlimm?
Blume: Ich sage ganz deutlich, es kann keinen Automatismus geben, dass jetzt Bodo Ramelow wieder der nächste Ministerpräsident wird. In einer solchen verfahrenen Situation kann es aus meiner Sicht, wenn es erkennbarer Weise für keinen Kandidaten eine klare Mehrheit gibt, allenfalls der Versuch sein, dass man einen überparteilichen Übergangskandidaten findet und danach raschestmöglich Neuwahlen ansteuert.
Kaess: Was sagen Sie denn den Mitgliedern der CDU in Thüringen, die ja genau diese Äquidistanz oder diesen Beschluss dazu kritisieren, weil sie das in eine so schwierige Lage gebracht hat?
Blume: Denen sage ich, sich anstrengen, kämpfen, dass die CDU wieder in eine Position kommt, wo wir maßgeblich bestimmen und entscheiden können, wo es im Land langgeht. Ich möchte nicht in einer Republik leben, wo die Kräfte der Ränder bestimmen, welchen Gang die Republik nimmt.
Kaess: Jetzt ist es aber so, Herr Blume, dass auch Markus Söders klare Abgrenzung nach rechts ja nicht immer so klar war. Wenn wir uns mal erinnern an die Diskussion um Söders Begriff zum Beispiel um den Asyltourismus. Ist das nicht etwas scheinheilig, sich jetzt als Bollwerk gegen die AfD zu präsentieren als CSU und die Schwesterpartei da ein bisschen blass aussehen zu lassen?
Blume: Erstens glaube ich, dass die CDU keine Nachhilfe braucht bei der Frage, wie man richtig mit der AfD umgeht.
Kaess: Aber Sie hatten den Kurs lange Zeit auch nicht so klar.
Blume: Zweitens haben wir als CSU unsere Lehrstunde auch gehabt. Das war das Jahr 2018. Das war eine sehr schwierige Landtagswahl. Ich bin froh, dass wir noch während des Landtagswahlkampfs hier unsere Haltung klar eingenommen haben und deutlich gemacht haben, nach den Ergebnissen, nach den Erfahrungen in Chemnitz, die AfD ist nicht einfach irgendeine Partei, sondern sie ist eine Partei, die wirklich unsere Demokratie quasi am Nasenring durch die Manege zieht, die das politische System ins Wanken bringen will, die unfähig ist, sich von Rechtsextremismus zu distanzieren. Da kann nur eine Haltung richtig sein, nämlich glasklare Abgrenzung und Rechtes bekämpfen.
Kaess: Dennoch ist die AfD für Sie gleichzusetzen mit der Linken?
Blume: Auch wenn Sie es jetzt zum dritten Mal versuchen – ich tue das nicht. Das sind Parteien, die aus unterschiedlichen Gründen für uns als politischer Partner nicht in Frage kommen, wo es keine Zusammenarbeit geben kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.