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Marschall Badoglio brandmarkt die Brutalität der Deutschen

Am 13. Oktober 1943 erklärte Italien seinem Koalitionspartner Deutschland den Krieg. Nach der Absetzung Mussolinis und dem am 8. September verkündeten Waffenstillstand mit den Alliierten bildete die Kriegserklärung den letzten Akt in den Versuchen der Regierung Badoglio, sich und das Land auf die Seite der Sieger zu schlagen.

Von Bernd Ulrich | 13.10.2013
    Radiomeldung beim britischen Sender BBC:
    "Vor zwei Stunden erklärte Italien Deutschland den Krieg. In einer Proklamation brandmarkt Marschall Badoglio die Brutalität der Deutschen gegenüber dem italienischen Volk und bekräftigt, dass es keinen Frieden geben wird, solange sich auch nur ein Deutscher auf italienischem Boden befindet."
    Die abendliche Rundfunkmeldung der BBC datiert vom 13. Oktober 1943. Freilich war es an diesem Tag dem italienischen Gesandten in Spanien, Pierre Luigi Laterza, gar nicht gelungen, die vorbereitete Kriegserklärung dem deutschen Botschafter in Madrid zu übergeben. Der empfing Laterza zwar, verweigerte aber die Annahme des Briefes. Dennoch war damit quasi amtlich und nicht mehr überbietbar beglaubigt, was sich seit Juli 1943 angebahnt hatte: Italien kündigte in Gestalt von Marschall Pietro Badoglio die verhängnisvolle Koalition mit dem nationalsozialistischen Deutschland auf.

    Militärisch gesehen blieb die Kriegserklärung indessen bedeutungslos, denn bis auf ein paar See- und Luftstreitkräfte existierte die italienische Armee zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr. Doch politisch-psychologisch war der Ertrag für Italien kein geringer, wie der Historiker Hans Woller in seiner "Geschichte Italiens" zu berichten weiß:

    Hans Woller:
    "Italien avancierte nun auf der Seite der Anti-Hitler-Koalition zur mitkriegführenden Nation, der nach und nach immer größere Freiräume zugestanden wurden, bis sie Ende 1945 ganz aus alliierter Kontrolle entlassen werden konnte."
    Bereits kurz nach Beginn der alliierten Landung auf Sizilien am 10. Juli 1943 und im Zeichen wachsender Kriegsmüdigkeit, hatte es innerhalb der militärischen Führung ernsthafte Überlegungen gegeben, aus dem Krieg auszuscheiden. In einer anonym verfassten, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Chef des italienischen Generalstabs, Generaloberst Vittorio Ambrosio, stammenden Denkschrift wurde ausgeführt, dass die deutschen Verantwortlichen

    Vittorio Ambrosio:
    "Uns nicht davon überzeugen können, dass es noch Siegesmöglichkeiten für die Achse gibt, wenn nicht die Bildung einer zweiten Erdfront in Europa verhindert wird, solange der Krieg in Russland andauert."

    Und eben dies, die Bildung einer zweiten Front in Italien, vollzog sich ja gerade vor aller Augen auf Sizilien. Ambrosius' Schlussfolgerung:

    Vittorio Ambrosio:
    "Wenn man diese genannte Frontbildung nicht verhindern kann, stände es den höchsten politischen Stellen zu, sich zu überlegen, ob es nicht ratsam und notwendig ist, dem Lande weitere Trauer und Ruinen zu ersparen und das Ende des Kampfes vorwegzunehmen, weil das Endresultat zweifellos noch schlimmer wäre, ein oder zwei Jahre später."

    Allerdings bewahrheitete sich auch hier die alte politische Lehre, dass es leichter ist, einen Krieg zu beginnen als wieder aus ihm herauszukommen. Zumal dann, wenn der Koalitionspartner Hitler hieß. Zu dessen Entsetzen erfolgte am 25. Juli 1943 durch den faschistischen Großrat die Absetzung und Verhaftung Benito Mussolinis, der sich beharrlich dem angestrebten Ausscheiden aus dem Krieg verweigert hatte. Hinzu kam der durch die neue Regierung unter Badoglio mit den Westalliierten am 3. September geschlossene und fünf Tage später verkündete Waffenstillstand. Er vor allem erzürnte den Führer sichtlich:

    Adolf Hitler:
    "Die zum Schutze der deutschen Interessen angesichts des Vorganges in Italien angeordneten Maßnahmen sind sehr harte. Soweit sie Italien betreffen, verlaufen sie schon jetzt planmäßig und erfolgreich. Soweit sie Italien betreffen, verlaufen sie schon jetzt planmäßig und erfolgreich. Das Schicksal Italiens mag aber für uns alle auch eine Lehre sein, um in Stunden der härtesten Bedrängnis und der bittersten Not niemals dem Gebot der nationalen Ehre zu entsagen, treu zu unseren Bundesgenossen zu stehen und gläubigen Herzens doch zu fühlen, was die Pflicht zu tun uns auferlegt."

    Was Hitler damit meinte, betraf insbesondere die schon vorbereitete Entwaffnung und anschließende brutale Rekrutierung von fast 600.000 italienischen Soldaten als Zwangsarbeiter. Nur wenige von ihnen kämpften auf deutscher Seite weiter, wie etwa die italienischen U-Bootbesatzungen an der immer noch deutsch besetzten französischen Atlantikküste.

    Einen Tag nach seiner Rundfunkrede vom 11. September ließ Hitler durch Fallschirmjäger Mussolini befreien und installierte den politisch schon toten Duce, einem galvanisierten Homunkulus gleich, als Chef einer faschistischen Gegenregierung am Gardasee. Sie war mitverantwortlich für die zunehmende Radikalisierung der Repressionen gegenüber den italienischen Juden, die in den letzten Monaten des Jahres 1943 Opfer des NS-Vernichtungsprogramms wurden. Ab Ende November rollten die Transporte nach Auschwitz. Auch daran vermochte die Kriegserklärung vom 13. Oktober nichts zu ändern.