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Martin Schulz' Wechsel in die Bundespolitik
"Ich werde dem europäischen Projekt verbunden bleiben"

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat seinen Wechsel in die Bundespolitik bestätigt. Er sagte in Brüssel, er wolle sich nun von Berlin aus dafür einsetzen, dass die "Gräben zwischen den Gesellschaften" geschlossen werden. Schulz wird als Kanzlerkandidat für die SPD oder als Außenminister gehandelt. Parteichef Sigmar Gabriel sprach von einer guten Nachricht für Deutschland.

24.11.2016
    EU-Parlamentspräsident Martin Schulz spricht bei einer EU-Pressekonferenz.
    EU-Parlamentspräsident Martin Schulz wechselt in die Bundespolitik. (Emmanuel DUNAND / AFP)
    Schulz bestätigte die Meldung der "Süddeutschen Zeitung", wonach er an der Spitze der nordrhein-westfälischen Landesliste in den Bundestagswahlkampf ziehen werde. "Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen", so Schulz. Die fünf Jahre als EU-Parlamentspräsident seien eine Ehre gewesen.
    Er wolle dem europäischen Projekt aber verbunden bleiben, denn: "Das europäische Einigungswerk ist die größte zivilisatorische Errungenschaft der vergangenen Jahrhunderte", so Schulz. Die Welt brauche eine selbstbewusste, vereinte EU. Er wolle sich auch weiter dafür einsetzen, dass die "Gräben zwischen den Gesellschaften" geschlossen werden, um das verloren gegangene Vertrauen in Politik zurückzugewinnen, so Schulz. Deutschland komme hierbei als größtes Mitgliedsland eine besonders große Verantwortung zu. "Für diese Verantwortung möchte ich mich in und von Berlin einsetzen."
    Juncker "bedauert" Rückzug aus Europapolitik
    Er werde seinen Verpflichtungen als EU-Parlamentspräsident bis zum Ende nachkommen. Die Amtszeit des EU-Präsidenten läuft eigentlich noch bis 2019, allerdings wurde eine Vereinbarung getroffen, wonach er nach der Hälfte der Amtszeit von einem Mitglied der EVP-Fraktion abgelöst wird.
    EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich enttäuscht über den Rückzug Schulz aus der Europapolitik. "Ich bedauere es", sagte der konservative Politiker vor dem EU-Ukraine-Gipfel vor Journalisten in Brüssel. Juncker hatte sich ausdrücklich für einen Verbleib von Schulz an der Spitze des Europaparlaments ausgesprochen.
    Ähnlich äußerte sich der Chef der Europa-SPD, Udo Bullmann: "Martin Schulz wäre ganz sicher die beste Lösung gewesen für dieses Haus", sagte er in Straßburg. "Dass Martin Schulz sich jetzt entschieden hat, nach Berlin zu wechseln, wird hier eine Riesenlücke hinterlassen."
    Entscheidung der K-Frage im Januar?
    Bei der Suche nach einem Kanzlerkandidaten für seine Partei gilt Schulz als mögliche Alternative zu Parteichef Sigmar Gabriel. Gleichzeitig wird er auch als neuer Außenminister gehandelt, wenn Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier im kommenden Februar zum Bundespräsident gewählt werden sollte. Bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 wird Schulz laut Informationen der "Süddeutschen Zeitung" an der Spitze der nordrhein-westfälischen SPD-Landesliste in den Wahlkampf ziehen.
    Sigmar Gabriel hat als Parteichef den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur. Er hat sich bisher allerdings noch nicht geäußert. Bislang hieß es aus der SPD, die Partei wolle sich von Angela Merkels erneuter Kanzlerkandidatur nicht unter Druck setzen lassen und erst Ende Januar entscheiden, wen sie gegen die CDU-Amtsinhaberin ins Rennen schickt. Diese Frage solle auf einer Vorstandsklausur geklärt werden, beschloss die SPD-Spitze am Montag einstimmig. Auch die Nachfolge für Steinmeier sollte in der zweiten Januarhälfte geklärt werden.
    Linker Flüger will ihn als Außenminister
    Der Sprecher des einflussreichen linken Flügels in der SPD-Fraktion, Matthias Miersch, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die Dinge fügen sich: Deutschland bekommt mit Frank-Walter Steinmeier einen tollen neuen Bundespräsidenten und mit Martin Schulz die Möglichkeit eines kompetenten und international anerkannten Nachfolgers als Außenminister". Das mache der Partei Mut für das Wahljahr 2017.
    Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte vor Kurzem gemeldet, Schulz wolle nur dann Steinmeiers Nachfolge antreten, wenn er die Zusage für die SPD-Kanzlerkandidatur bekomme. Die Parteizentrale und Schulz wiesen das zurück. Nach dpa-Informationen bot Gabriel Schulz an, das Amt des Außenministers für die acht Monate bis zur Bundestagswahl im Herbst zu übernehmen.
    Positive Reaktionen aus der SPD
    Gabriel wertete die Ankündigung von Schulz als Gewinn für Deutschland:
    Auch sonst wurde der Wechsel innerhalb der Bundes-SPD positiv aufgenommen. Generalsekretärin Katarina Barley erklärte, sie freue sich, dass Schulz "seine Erfahrung und seine Begeisterung für Europa in Zukunft in Berlin einbringen möchte". Damit gehe zugleich eine Ära in Brüssel und Straßburg zu Ende. Mit Schulz als Präsident habe das Europaparlament an Einfluss und Ansehen gewonnen.
    Andere Kommentare gingen in die gleiche Richtung:
    DGB-Chef Reiner Hoffmann forderte noch vor der Ankündigung des Wechsels eine schnelle Klärung der K-Frage in der SPD. "Die Leute sollten rasch wissen, wer als Kanzlerkandidat gegen Frau Merkel antritt", sagte er der "Passauer Neuen Presse" vom Donnerstag. "Wir leben in unübersichtlichen Zeiten. Deshalb ist Klarheit wichtig."
    (cvo/jan)