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Maschinenbau
Verteilte Produktionssoftware für die Industrie 4.0

Die deutschen Maschinenbauer setzen auf innovative Industrie-4.0-Konzepte, um international wettbewerbsfähig bleiben zu können. Doch das wird immer schwieriger, denn die Prozesse beschleunigen sich rasant. Eines der Konzepte, von denen sich die Experten viel versprechen, arbeitet mit verteilter Software auf Werkzeugmaschinen.

Von Peter Welchering | 17.09.2016
    Ein Planeten-Radlager
    Der deutsche Maschinenbau geht weiter Richtung Industrie 4.0. (picture alliance / dpa)
    Der gute alte Leitstand soll abgelöst werden in den Fabriken, die Industrie-4.0-Konzepte umsetzen. Produkte kommunizieren direkt mit den Fertigungsstraßen, Roboter erhalten Anweisungen von Maschinen und das alles in Echtzeit. Die deutschen Werkzeugmaschinenhersteller sind dafür eigentlich ganz gut aufgestellt, meint Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken.
    "Zunächst einmal muss man feststellen, dass in der Werkzeugmaschine die meisten Informationen oder fast alle Informationen digitale vorliegen. Das heißt also, es geht mehr darum, ob ich jetzt aus den verfügbaren Daten, die es jetzt schon gibt, entsprechende weitere Analysen ableiten kann, die entweder zur Wartung, zur Prozessoptimierung, zur Prozesssteuerung geeignet sind."
    Eine ganz wesentliche Prozessoptimierung versprechen sich die Forscher davon, Software für die Werkzeugmaschinen nicht mehr zentral vorzuhalten, sondern die Werkzeugmaschinen in die Lage zu versetzen, ihre Software untereinander auszutauschen. Braucht eine Maschine gerade ein NC-Programm, mit der eine andere Maschine soeben noch ein Werkstück bearbeitet hat, funkt sie einfach diese Maschine an und fordert die gebrauchte Software an. Eugen Bollinger von der TDM Sytems GmbH aus Tübingen beschreit das so.
    Noch kein allgemein akzeptierter internationaler Standard
    "Wenn es jetzt ein NC-Programm ist, und ich habe das wirklich an der Maschine geschrieben, dann ist das relativ banal, das heißt, ich übertrage oder stelle dieses NC-Programm meinem NC-Programm-Management zur Verfügung, das ist letztendlich nichts anderes als eine Ablage und auf diese Ablage kann ich von anderen Maschinen auch zugreifen."
    Die Probleme dabei: Es gibt noch keinen allgemein akzeptierten internationalen Standard für diesen Austausch von Software, und dieser Datenaustausch von unternehmenskritischer Software muss noch entsprechend abgesichert werden. Daran fehlt es noch in vielen Fabriken. Eugen Bollinger macht noch auf ein drittes Problem aufmerksam.
    "Ein Kunde hat heute vielleicht 20 Maschinen oder auch 100 Maschinen und zehn bis 15 Prozent sind relativ neu und der Rest ist einfach aufgrund der Lebensdauer, Einsatzdauer älter. Die Herausforderung ist jetzt, wenn ich diese Vernetzung anschaue, dass ich praktisch sowohl mit neuen Maschinen kommunizieren möchte, als auch mit Bestandsmaschinen. Natürlich muss man dann irgendwo gewisse Einschränkungen treffen, wenn es um das Level der Kommunikation geht, aber diese Herausforderungen werden jetzt angegangen, und man sucht nach Lösungen gemeinsam dafür."
    Schnelle Lösungen gesucht
    Bisher werden übergangsweise mehrere Kommunikationsschnittstellen und teilweise sogar mehrere Maschinensteuerungen eingesetzt, um dieses Problem zu umgehen. Eine Lösung ist das nicht, meint Eugen Bollinger:
    "Jede Steuerung ist heute eigentlich immer eine Kombination aus Maschinenhersteller und Steuerung. Das heißt, es gibt Maschinenhersteller, die setzen drei, vier fünf verschiedene Steuerungen ein, und jede hat so ihre eigenen Charakteristika. Es gibt jetzt hier entsprechende Standardisierungsbemühungen oder Initiativen, muss man besser sagen, aber bis das letztendlich in der Praxis greift, werden natürlich viele Jahre vergehen."
    Genau diese Zeit aber haben die Werkzeugmaschinenhersteller nicht, wenn sie international konkurrenzfähig bleiben wollen. Deshalb ist auf der AMB in Stuttgart sehr intensiv darüber diskutiert worden, wie ein Verfahren zur Standardisierung von Maschineninformationen erweitert werden kann, um daraus den so dringend benötigten Standard zu entwickeln. MT-Connect heißt das Verfahren. Eugen Bollinger:
    "MT-Connect beschreibt auch schon sehr viel, was an Standardinformationen aus der Maschine rauskommen kann, letztendlich liegt es jetzt wieder an den einzelnen Anbietern, hier praktisch Lösungen zu definieren, die dann auch in der Praxis umgesetzt werden können."
    Diese pragmatische Lösung hat den Vorteil, dass mit einem Minimalstandrad auch bisherige Maschinenmodelle erfasst werden könnten. Die ersten Praxisbeispiele dafür waren auf der Internationalen Ausstellung für Metallbearbeitung schon zu sehen. Jetzt müssen sich die Hersteller nur rasch einigen. Hier sind die Branchenverbände gefordert.