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Massaker von Srebrenica
Erste Festnahmen

Vor 20 Jahren wurden in Srebrenica Tausende bosnische Muslime von serbischen Einheiten ermordet. Bisher wurde keiner der direkt an der Tat Beteiligten vor Gericht gestellt - bis jetzt. Die Polizei nahm acht Verdächtigte fest. Die Staatsanwaltschaft kündigte neue Zeiten in der Strafverfolgung an.

Von Stefan Oszvath | 19.03.2015
    Ein muslimisches Mädchen im Potocari Memorial Centre bei der Beerdigung von 175 neu identifizierten Opfern am 11.07.2014
    Ein muslimisches Mädchen im Potocari Memorial Centre bei der Beerdigung von 175 neu identifizierten Opfern am 11.07.2014 (dpa/picture-alliance/Fehiim Demir)
    Srebrenica in Ostbosnien - vor 20 Jahren. Serbische Einheiten haben die Stadt eingenommen, die eigentlich unter dem Schutz holländischer Blauhelm-Soldaten steht. Es ist Juli, es ist heiß. Tausenden völlig verängstigten Bosniaken, bosnischen Muslimen, verspricht der serbische General Ratko Mladic:
    "Alle, die bleiben wollen, können bleiben. Alle, die dieses Territorium verlassen wollen, können dies tun. Wir haben genug Busse und Lkws besorgt, die Euch nach Kladanj im bosnischen Territorium bringen."
    Die Menschen nehmen das Angebot an. Frauen und Kinder werden weggebracht. Männer - alte und junge, werden von ihnen getrennt. Auch der Mann von Suhra Sinanovic muss Abschied von seiner Familie nehmen.
    "Seine letzten Worte werde ich nie vergessen können", sagt sie. Als er sich von den Kindern verabschieden wollte, hat er sie beide in die Armee genommen und geküsst. Mir sagte er beim Abschied, so als ob er eine Vorahnung hätte, dass er sie nie wieder sehen würde: 'Suhra, pass gut auf die Kinder auf.'"
    Suhra Sinanovics Mann wird in Kravica ermordet, ganz in der Nähe von Srebrenica. Insgesamt töten serbische Einheiten 8.000 männliche Muslime aus Srebrenica. Bislang wurden wegen des Massakers keine direkten Tatbeteiligten vor Gericht gestellt: Vor dem Internationalen Strafgerichtshof wird gegen die Verantwortlichen verhandelt - gegen General Ratko Mladic und den bosnisch-serbischen Politiker Radovan Karadzic.
    Unter den Festgenommenen befindet sich auch "Nedjo, der Schlächter"
    Erstmals nahm die Polizei in Serbien jetzt auch acht mutmaßlich direkt an den Tötungen Beteiligte fest. Vladimir Vukcevic, für die Kriegsverbrechen zuständiger Staatsanwalt, sagt:
    "Diese Personen werden verdächtigt, 1.300 Menschen erschossen zu haben, die alle identifiziert wurden. Auf unserer Liste der Verdächtigen stehen aber noch mehr Leute. Aber für die anderen haben wir noch keine Beweise, die wir im Prozess verwenden könnten. Einige halten sich in Bosnien und Herzegowina auf. Da wir auch diese Aktion in Zusammenarbeit mit unseren Kollegen aus Bosnien vorbereitet haben, werden wir die Arbeit fortsetzen. Falls nötig, werden wir einen Teil unserer Beweise auch den Kollegen in Bosnien zur Verfügung stellen..."
    Unter den jetzt Festgenommenen befindet sich auch der Ex-Offizier Nedeljko Milidragovic, Spitzname "Nedjo, der Schlächter" , so die Staatsanwaltschaft. Alle acht mutmaßlichen Kriegsverbrecher gehörten früher einer Sondereinheit des bosnisch-serbischen Innenministeriums an - sie lebten bisher unbehelligt in Serbien. Staatsanwalt Bruno Vekaric kündigt nun neue Zeiten in der Strafverfolgung an:
    "Die Bedeutung von all dem ist, dass unsere Staatsanwaltschaft sich mit dem Massenmord an Zivilisten und Kriegsgefangenen in Srebrenica beschäftigt. Bisher gab es nur einen Einzelfall, der in Verbindung mit Srebrenica gebracht werden konnte und das ist Trnovo.00.18. Es ist sehr wichtig, dass sich Serbien in einem Prozess auf dieses Verbrechen einstellt."
    Vor zehn Jahren hatte ein Video die serbische Öffentlichkeit aufgerüttelt: Es dokumentiert die Erschießung von sechs Bosniaken im bosnischen Trnovo. Die Täter: Angehörige der "Skorpione" - einer Sondereinheit der Serben. Die Opfer: jugendliche Muslime - zunächst gedemütigt und dann kaltblütig erschossen.