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Massensterben am Ende der Kreidezeit

Vor 65 Millionen Jahren besiegelte eines der größten Massenaussterben der Erdgeschichte vor allem das Ende der Dinosaurier. Darauf folgte der Siegeszug der Säugetiere. Doch welchen Einfluss hatte dieser Übergang zwischen dem Erdmittelalter und der Erdneuzeit auf andere Tiergruppen, wie Echsen und Schlangen? Dieser Frage sind Forscher aus Yale und Harvard nachgegangen.

Von Michael Stang | 11.12.2012
    Der Chicxulub-Krater steht mit seinen 180 Kilometern Durchmesser für eins der größten Aussterbeereignisse der Erdgeschichte. Vor 65 Millionen Jahren am Ende der Kreidezeit schlug auf der mexikanischen Yucatán-Halbinsel ein Asteroid ein, der vielen Forschern zufolge das Ende der Dinosaurier einläutete. Ob dieses Ereignis auch anderen Tiergruppen zum Verhängnis wurde, darüber verrät die Fachliteratur bislang wenig. Echsen, Schlangen und Geckos etwa seien eben nicht so attraktiv wie die großen Saurier, vielleicht wurden sie deshalb bislang vernachlässigt, sagt Nicholas Longrich. Der Paläontologe von der Yale Universität in New Haven hat sich in den vergangenen zwei Jahren durch die einschlägige Fachliteratur gearbeitet um zu schauen, ob und wie sich der Bestand dieser Reptilien vor und nach dem Einschlag verändert hat.

    "Danach haben wir Museumssammlungen durchgearbeitet, angefangen haben wir hier in Yale, dann ging es zu den riesigen Sammlungen am American Museum of Natural History in New York, wir waren in Berkeley, Kalifornien, und haben die große Sammlung in Wyoming durchgesehen. So konnten wir uns einen Überblick verschaffen, wann und wo bestimmte Arten lebten."

    Mehrere tausend Reptilienkiefer von allen Kontinenten haben die Forscher dazu untersucht. Dabei sahen sie, dass es auch bei den untersuchten Schuppenkriechtieren, zu denen unter anderem Schlangen, Eidechsen und Leguane gehören, zu einem Massenaussterben am Ende der Kreidezeit kam. 83 Prozent dieser Schlangen, Geckos, Skinke und Schleichen starben binnen kurzer Zeit aus.
    "Hinsichtlich der Arten, die überlebt haben, können wir geografische Gemeinsamkeiten ausmachen: erfolgreich waren vor allem jene, die vorher in vielen Regionen lebten. Und dann hatten vor allem kleine Tiere gute Überlebenschancen. Körpergröße spielte wohl eine wichtige Rolle."

    Nur Arten, die als Generalisten bekannt sind, also flexibel genug waren, konnten überleben. Tiere mit einer geringen Stoffwechselrate, die nur selten fressen mussten, waren im Vorteil. Neben der Körpergröße spielte auch die Art der Ernährung eine wichtige Rolle, so Nicholas Longrich.

    "Durch den Asteroideneinschlag wurde viel Staub aufgewirbelt und es gab jahrelang kein Tageslicht mehr. Die Fotosynthese betreibenden Pflanzen starben und mit ihnen kollabierte die ganze Nahrungskette. Überleben konnten nur kleine Tiere, die sich von Insekten ernährten, die wiederum totes Pflanzenmaterial fraßen. Große Fleischfresser und Pflanzenfresser starben hingegen aus."

    Die Schuppenkriechtiere wurden durch den der Asteroideneinschlag stärker getroffen als bislang angenommen. Diese Katastrophe führte zu einer starken Selektion innerhalb dieser Tiergruppe, aus der sich erst viele Millionen Jahre später eine neue Vielfalt entwickelte.

    "Nach dem großen Aussterbeereignis konnten sich einige Arten plötzlich frei entwickeln, weil sämtliche Konkurrenten und Feinde nicht mehr da waren. Diese Evolution kann man aber nur verstehen, wenn man weiß, welche Arten es vorher gab und welche überlebt haben."

    Somit haben Nicholas Longrich und seine Kollegen erstmals Datenmaterial zusammengetragen, das belegt, wie eng dieser sogenannte evolutionäre Flaschenhals wirklich war. Alle heute lebenden Reptilien dieser Gruppe stammen nur von wenigen Tieren ab, deren Vorfahren die Katastrophe vor 65 Millionen Jahren überlebt hatten.