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Massentierhaltung und die Folgen

In der Diskussion um den Gammelfleischskandal hat sich nun die Umweltschutzorganisation BUND zu Wort gemeldet. Sie sieht in der Häufung der Fleischskandale eher ein strukturelles Problem auf dem Fleischmarkt. Nach wie vor würden die Verantwortlichen auf Billigproduktion setzen.

Von Dieter Nürnberger | 06.09.2007
    Der Hauptvorwurf des BUND lautet, dass die Verantwortlichen noch immer nicht angemessen an die Ursachenbekämpfung gehen. Und dass die Rahmenbedingungen in Deutschland immer noch so seien, dass es lukrativer zu sein scheint, auf Massentierhaltung zu setzen statt auf eine höherwertige Produktion von Fleisch. Dazu legte der BUND heute auch Zahlen vor. Reinhild Benning ist die Agrarexpertin der Umweltschutz-Organisation:

    " Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben wir 6 Prozent mehr Fleisch auf dem Markt als ein Jahr zuvor. Und die Kontrollen werden nicht intensiviert. Wir haben neue Genehmigungen für Stallanlagen im großen Unfang - etwa in Brandenburg soll eine 100.000-Schweinmastanlage genehmigt werden. Das heißt, es drängt immer mehr Fleisch auf den Markt. Und Kontrolleure und auch Tierärzte klagen darüber, dass sie keine Verstärkung bekommen. Und dass sie zwischen Unternehmen und Amtsaufgaben in eine Zwickmühle geraten. Wir haben mit der Massentierhaltung ein System, welches Fleisch in großen Massen auf den Markt bringt, die Qualität bleibt dabei oft auf der Strecke."

    Der neue Skandal zeige zudem, dass es immer noch schwierig sei, flächendeckende und wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Innerhalb der bayerischen CSU beispielsweise verweist man ja angesichts der 160 Tonnen Gammelfleisch auf Versäumnisse in Norddeutschland. Dort wiederum sieht man die Quelle allen Übels eher bei dem nun geschlossenen Fleischverarbeitungsbetrieb im bayerischen Wertingen. Hieran sehe man, so der Bund für Umwelt und Naturschutz, dass die nach den ersten Gammelfleisch-Skandalen ergriffenen Maßnahmen eben nicht ausreichen würden.

    " Herr Seehofer hat sich als Ankündigungsminister herausgestellt. Sein 10-Punkte-Plan besteht vielfach aus Prüfen, Dokumentieren und aus Ankündigungen. Passiert ist wenig. Wir haben nun den größten Gammelfleisch-Skandal bisher - mit 160 Tonnen haben wir eine neue Dimension erreicht. Man kann sagen, hier liegt Versagen auf der ganzen Linie vor."

    Ein Vorwurf geht also direkt an den zuständigen Bundesminister. Auch deswegen, weil das Agrar- und Verbraucherministerium federführend beim Verbraucherinformationsgesetz war. Dieses kommt nächste Woche abschließend zur Abstimmung in den Bundesrat. Dieses Gesetz sollte ja ein Pfeiler sein, um künftig schwarze Schafe auch öffentlicher zu machen. Reinhild Benning sagt nun, dass Ganze sei eher eine Art zahnloser Tiger.

    " Im Grunde sollte es ja so sein, dass der Verbraucher erfährt, wer ein schwarzes Schaf ist. Und dann mit der Kenntnis dieses Namens auch entsprechend umgehen kann. Etwa durch Liegenlassen dieses Ware. Doch kann dies eben nach dem Verbraucherinformationsgesetz nicht geschehen. Hier ist ein Unternehmen davor geschützt, dass eine Behörde den Namen und die Verfehlungen herausgibt. Das kritisieren wir sehr stark.

    Ein Gutachten des Bundestages hat jetzt ergeben, dass auch die Bundesländer diese Vorschriften nicht mehr verschärfen können. Wenn wir das Verbraucherinformationsgesetz in dieser Form bekommen, dann wird sich lange nichts verbessern, weil die Bundesländer hier nicht nachbessern dürfen."

    Als kurzfristige Maßnahme empfiehlt der BUND deshalb - wie viele andere politische Akteure auch - dass minderwertiges Fleisch, welches für den menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet ist, eingefärbt wird. Dann hätten auch Imbissbuden die jüngsten Gammelfleischlieferungen nicht angenommen und verkaufen können. Eine solche Maßnahme könne auch im nationalen Alleingang - ohne Zustimmung in Brüssel - eingeleitet werden, so die BUND-Agrarexpertin.

    " Langfristig brauchen wir eine Agrarpolitik, die die Förderung für qualitativ hochwertige Lebensmittel und besonders für Fleisch höher ansetzt als bisher. Im Moment ist es nur eine marginale Zahl an Agrarsubventionen, die an Landwirte fließt, die hohe Qualitäten produzieren. Zudem muss der Staat die Kontrollen verschärfen. Hier ist auch der Bund in der Pflicht, strengere Kontrollen einzuführen. Und den Akteuren auch den Rücken freizuhalten, wenn es darum geht, vor den Betrieben Bestand zu haben, bei denen Mängel festgestellt wurden. "

    Somit reichlich Kritik an Bund und Ländern, anlässlich des jüngsten Gammelfleisch-Skandals. Man habe bislang keine wirksamen Maßnahmen gegen kriminelle Machenschaften in der Fleischproduktion eingeleitet.