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Maßgeschneiderte Essenstipps

Im Rahmen des EU-Projekts "Food4me" bekommen Probanden auf sie zugeschnittene Ernährungsempfehlungen, damit sie vielleicht ein paar Pfunde abnehmen oder gesund bleiben. Wenn die einzelnen Teilnehmer zustimmen, werden Erbgut und Blut dafür recht detailliert untersucht.

Von Jochen Steiner | 17.09.2013
    Ein getrockneter Blutstropfen auf einem Filterpapier und eine Speichelprobe gehen per Post in ein Labor. Außerdem wird ein Fragebogen im Internet ausgefüllt, mit Angaben zum Alter, was und wie viel in letzter Zeit gegessen wurde. Ein paar Wochen später kommt die Rückmeldung in Form personalisierter Ernährungsempfehlungen: mehr Hering und mehr grünes Blattgemüse, damit man gesund bleibt und das Gewicht nicht in die Höhe schnellt.

    So oder so ähnlich läuft es ab, wenn Freiwillige in Deutschland und sieben weiteren europäischen Ländern an der Studie "Food4me" mitmachen.

    "Und am Ende wollen wir in unterschiedlichen Kombinationen aus diesen drei Elementen: Wie ernährst du dich? Was für eine genetische Konstitution bringst du mit? Und was können wir, wie dein Hausarzt im Prinzip, aus deinem Blut da rauslesen an Risikofaktoren? Ich nenne jetzt mal am einfachsten einen hohen Cholesterinspiegel. Wie können wir am Ende das Paket so schnüren, dass wir dir am Ende auf deine spezifischen Bedarfe, also jetzt personalisierte Ernährungsempfehlung, zurückgeben können?"

    Professorin Hannelore Daniel von der TU München betreut mit ihren Kollegen die deutschen Probanden der von der EU finanzierten Studie. Insgesamt machen etwa 1300 Menschen mit. Über 20 Forschungseinrichtungen aus ganz Europa, aber auch Unternehmen aus der Industrie wollen dieses Paket zusammenschnüren. Dabei reicht ein Blick ins Erbgut bei weitem nicht aus, erst in Ansätzen verstehen die Forscher, welche Gene bei welchen Krankheiten eine Rolle spielen. Gerade einmal fünf Gene haben die Wissenschaftler in ihre Studie aufgenommen.

    "Die fünf, wo wir denken: Hier gibt es die beste wissenschaftliche Evidenz dafür, dass eine Genvariante A im Vergleich zu einer Genvariante B andere Ernährungsbedarfe hat."

    Eines der untersuchten Gene beeinflusst den Stoffwechselweg der Folsäure im menschlichen Körper. Dieses Vitamin muss über die Nahrung aufgenommen werden. Wer hier eine ungünstige Genvariante besitzt, kann Folsäure nur schlecht verwerten. Ernährungswissenschaftlerin Hannelore Daniel:

    "So dass wir sagen können: Bei dieser Genvariante musst du einfach sehen, dass du mehr Folsäure über die Nahrung bekommst. Und wir wissen wiederum, dass ein schlechter Versorgungszustand mit Folsäure dann mit erhöhten Krankheitsrisiken verbunden ist."

    Mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Beispiel. Die anderen vier in der Studie untersuchten Gene haben ebenfalls mehr oder weniger Einfluss auf den Stoffwechsel des Körpers, auch auf das Körpergewicht. Ein Gen ist an der Umwandlung von einfachen Fettsäuren zu mehrfach ungesättigten oder Omega3-Fettsäuren beteiligt. Wer aber hier die ungünstige Genvariante in sich trägt, sollte mehr Lachs und Hering essen.

    So bekommen die Probanden nützliche Informationen für ihre Gesundheit, aber eventuell auch solche, die sie vielleicht eher nicht wissen wollen. Denn wenn sich die Forscher im Rahmen der "Food4me"-Studie im Erbgut die fünf Risikogene ansehen, ist eines dabei, das nicht nur bei der Ernährung eine Rolle spielt, sondern auch bei der Entstehung von Alzheimer. Im Internet-Fragebogen müssen die Teilnehmer deshalb auch die Frage beantworten, ob sie alle oder nur einen Teil der Ergebnisse wissen wollen. Die Forscher um Hannelore Daniel geben ihre personalisierten Antworten dann in drei Kategorien weiter. Kategorie 1 geht nicht über die allgemein bekannten Ernährungsempfehlungen für Mann oder Frau, jung oder alt hinaus.

    "In der 2. Kategorie werden dann schon die ganzen biochemischen, klinischen Messungen genommen. Das heißt, wir würden dann sagen, okay, ja das sieht hier so aus, als ob Sie einen hohen Cholesterinspiegel haben. Ja, Sie müssen bei der Fettzufuhr ein bisschen zurückhaltender sein."

    Und in der dritten sind dann noch die genetischen Informationen dabei, die der fünf Gene.

    "Das sind Hunderte von Genen, die am Ende das ausmachen, was wir metabolisch sind. Und die fünf – natürlich, es ist lächerlich. Aber um zu prüfen, ob sowas überhaupt funktioniert, muss man bescheiden anfangen. Um zu prüfen, ob sowas vom Konsumenten überhaupt akzeptiert wird, reicht die Studie."

    Erste Ergebnisse einer begleitenden Untersuchung mit 9000 Probanden in ganz Europa lassen bei der Akzeptanz gewisse Zweifel aufkommen. Professorin Lynn Frewer von der Universität von Newcastle:

    "Das Hauptergebnis scheint zu sein, dass die Menschen positiv gegenüber der personalisierten Ernährung eingestellt sind, aber sie denken, es betrifft sie persönlich nicht."