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Master of Disaster

Am 17. Mai findet die Bologna-Konferenz statt, auf der über die Zukunft und Verbesserung der Bachelor- und Masterstudiengänge diskutiert werden soll. Schon heute gab es in Berlin einen kleinen Vorab-Gipfel.

Von Lioba Werrelmann | 17.02.2010
    Zwei Dinge sind neu: Der Bologna-Gipfel heißt nicht mehr so:

    "Wir nennen es nicht mehr Gipfel, es finden ja furchtbar viele Gipfel statt, sondern es ist eine Bologna-Konferenz."

    Und diese Konferenz findet auch nicht am 12. April statt, wie geplant, sondern erst am 17. Mai. Die Studierenden, sagt Bundesbildungsministerin Annette Schavan, bräuchten noch ein wenig Vorlauf. Benjamin Stotz, der für den Bundesvorstand vom Studierendenverband der Linken dabei war, formuliert das genau anders herum:

    "Wir haben zum einen den Eindruck, dass von der Politik, neben dem allgemeinen Verständnis, überhaupt keine Konzepte vorliegen, was man denn ändern will, da braucht die Politik einfach auch Zeit."

    Außerdem könne man eine solche Konferenz nicht mitten in den Semesterferien abhalten, und auch nicht mitten im Wahlkampf - am 9. Mai wird im größten Bundesland, Nordrhein-Westfalen, gewählt.

    "Ich denke auch, für eine solche Diskussion ist ein Wahlkampf, eine aufgeheizte politische Stimmung, nicht wirklich zuträglich, deshalb haben wir den 17. Mai gewählt."

    Die Stimmung der Konferenz sollen möglichst alle mitbekommen: Geht es nach den Studierenden, dann wird sie per Internet live in alle Hochschulen übertragen. Mit dem kleinen Vorab-Gipfel heute - immerhin saßen alle an einem Tisch, die Studierendenvertreter, die Bundesbildungsministerin, die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz und der Vertreter der Kultusministerkonferenz, ist Stotz zufrieden:

    "Vorher gab es immer nur Gespräche mit einzelnen Vertretern, die immer wieder gesagt haben, ich bin in dem Bereich nicht zuständig, ich verstehe das gut, aber ich kann hier leider selber nix machen."

    Herausgekommen ist trotzdem - nichts Konkretes. Annette Schavan will ein Qualitätspaket Bologna-Prozess schnüren, genauer gesagt, es soll eine dritte Säule des Hochschulpaktes geben, und diese Säule soll die Qualität der Lehre verbessern. Was aber genau im Paket drin ist, wer es bezahlt - dazu sagt die Ministerin nichts, auch nicht auf Nachfrage:

    "Ich kann das supergut verstehen, dass Sie das gerne hätten, ich habe auch gesagt, das ist ein Risiko, jetzt runterzugehen und ein Pressestatement abzugeben, aber ich werde heute nicht die Details der dritten Säule erläutern."

    Und dann verrät sie doch noch den Zeitraum – zehn Jahre, und dass die neue, unbekannte Maßnahme in die Breite wirken soll.
    Studierendenvertreter Ben Stotz ist noch nicht überzeugt.

    "Ich persönlich bin sehr skeptisch, wenn man sich auch die Erfahrungen aus der Exzellenzinitiative anschaut, die tatsächlich mehr Probleme geschafft hat als Lösungen geschaffen hat, werden wir sehen, was die anbieten."

    Deutlich optimistischer: Gottfried Ludewig, Bundesvorsitzender des RCDS:

    "Die wichtige Botschaft ist, wir werden etwas tun, wir werden etwas tun wahrscheinlich für Betreuungsrelationen, und das ist eine Kernforderung ich glaube von allen Studentenverbänden seit Jahren."

    In der Pflicht ist für Ludewig nach wie vor die Hochschulrektorenkonferenz: Die müsse dringend zusammen tragen, wie die einzelnen Hochschulen eigentlich den Bologna-Prozess umgesetzt haben:

    "Weil wir eigentlich nicht wissen, wie sieht es eigentlich an den Hochschulen aus, was sich stark unterscheidet. Und ohne diese Basis zu haben, ist es schwierig. Allgemeinplätze verlautbaren geht, aber wirklich konkrete Änderungen anzustreben, ist sehr schwierig."

    Konkrete Forderungen der Studenten sind längst auf dem Tisch:

    "Ich muss wieder freier wechseln können, die Anerkennung der Leistungen muss besser sein, die Anerkennung des Bachelor und des Masters in der Wirtschaft muss sich verbessert haben."

    Das alles, sagt der RCDS-Vorsitzende, ändere sich nicht über Nacht, deshalb ist für ihn der 17. Mai nicht der Endpunkt der Debatte, sondern ein Beginn.
    Dazu gehört auch, meint Benjamin Stotz vom Studierendenverband der Linken, dass die Politik, allen voran die Ministerin, die Sorgen der Studierenden ernst nimmt. Als man über den Bildungsstreik gesprochen habe, habe Schavan den Studenten vorgeworfen, dass sie zu sehr litten.

    "Und dass sie das eigentlich nicht zeitgemäß findet, weil auch früher, in den 70er-Jahren, als sie noch studiert hat, auch keinerlei Sicherheit in Bezug auf die Zukunftschancen bestanden hat."

    Das habe ihn schon sehr verwundert, meint Ben Stotz.

    ""Ich denke, es ist klar, in Zeiten von Weltwirtschaftskrise, von vier Millionen Arbeitslosen, dass viele Leute, auch im Bachelor-Studium, die Sorge haben, was mache ich überhaupt auf dem Arbeitsmarkt, finde ich noch einen Job, oder stehe ich nach einem 40-Stunden-Wochen-Studium auch vor der Perspektive Hartz-IV? Das treibt viele um.""

    Den Gipfel will er auch nutzen, um das Verständnis der Ministerin zu wecken.
    Die immerhin hat den Studierenden versprochen, nun jedes Jahr zu einer Bologna-Konferenz einzuladen - solange, bis der Bologna-Prozess abgeschlossen ist.