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Mathe online lernen
"Als würde einem das jemand noch mal erklären"

Etwa 1,2 Millionen Schülerinnen und Schüler bekommen in Deutschland Nachhilfe. Ihre Eltern geben rund 900 Millionen Euro pro Jahr dafür aus. Absoluter Spitzenreiter dabei ist die Mathematik. Doch längst haben klassische Nachhilfelehrer Konkurrenz bekommen - von unterschiedlichsten Online-Anbietern.

Von Daniela Remus | 14.03.2019
Der Mathematik Nachhilfelehrer Daniel Jung zeichnet am 09.06.2017 in Remscheid (Nordrhein-Westfalen) an der Tafel stehend ein Video für den Kanal Youtube auf. (zu dpa vom 15.06.2017) Foto: Oliver Berg/dpa | Verwendung weltweit
Der Mathematik-Nachhilfelehrer Daniel Jung bei der Aufzeichnung ein Video-Tutorials (dpa)
Daniel Jung ist ein Star, eine Art Mathe-Superstar! Auf Youtube erklärt er seit rund 10 Jahren mathematische Formeln, Lösungswege und Rechenarten und ist damit berühmt geworden.
2011 hat der heute 38-Jährige angefangen, kurze Mathe-Erklärvideos ins Netz zu stellen. Mittlerweile kann er davon gut leben. Mit Tafel und Stift erklärt Daniel Jung anschaulich die kompliziertesten Probleme. Heute hat er Hunderttausende von Abonnenten, Followern und Nutzern. Seine Videos gucken im Schnitt rund drei Millionen Schülerinnen und Schüler. Und ihre Kommentare sind eindeutig:
"15 Punkte in der Matheklausur dank dir!"
"Man versteht alles super!"
"Vielen, vielen Dank Herr Daniel, du bist ein Geschenk vom Gott!"
Auch die 17-jährige Abiturientin Greta aus Hamburg greift auf solche Erklärvideos zurück, wenn es in Mathe mal hakt:
"Das ist immer ganz praktisch, dass so ein Video das ganz kurz zusammenfasst. Und so Videos sind häufig beliebter, als sich das noch mal durchzulesen. Man muss da nichts durchlesen, man guckt sich das an und es ist so, als würde einem das jemand noch mal erklären."
Komplexer Stoff in 5-Minuten-Tutorials
Daniel Jung hat es geschafft - trotz großer Konkurrenz - eine Marke zu werden. Mathe-Erklärkurse gibt er mittlerweile auch im direkten Kontakt, z.B. in einem Mathe-Feriencamp an Gretas Schule. Er veröffentlicht analoge Lehrbücher und hat eine Plattform eingerichtet, um Mathefragen interaktiv zu beantworten. Er selbst erklärt sich seinen Erfolg so:
"Ich glaube, ich hab es einfach geschafft, komplexen Stoff in der Mathematik runterzubrechen auf 5-Minuten-Tutorials, so dass du nicht nur irgendwas auswendig lernst, sondern tatsächlich die Materie verstehst und das nicht nur in ein paar Videos, sondern ich hab ja über 2.000 auf Youtube."
Mathe zu erklären, steht im Netz hoch im Kurs. Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler, aber auch Studienanfänger. Es gibt Videos auf den Social-Media-Kanälen und universitäre Brücken-Lern-Kurse, als Vorbereitung auf ein Studium. Manche komponieren Mathe-Erklär-Songs, andere benutzen flapsige Jugendsprache, und wieder andere erklären ohne Schnörkel. Und es gibt auch richtiggehende Mathe-Nachhilfe im Netz.
"Wir sind die, die besser helfen konnten"
Mathehilfe 24 heißt z.B. eins dieser Angebote. Dazu gehören freie Lernvideos, Aufgaben mit Lösungen oder eine App zum Lernen. Im Unterschied zu den Youtube-Videos ist diese Rundumversorgung aber nicht ganz kostenlos. Trotzdem ist auch hier die Nachfrage riesig, erklärt Stefan Gelhorn, einer der beiden Gründer:
"Für die Schüler sind wir einfach die Helfer - der Lehrer ist ungewollt der Böse, der am Ende auch eine Note geben muss - und wir sind die Helfer, die die Schüler ja dabei unterstützen, das zu verstehen. Und wenn das Video allein deswegen erfolgreicher ist, weil der Schüler da ganz anders konzentriert ist, sind wir ganz automatisch die, die besser helfen konnten."
Stefan Gelhorn erklärt am Freitag (20.12.2013) im Rahmen seines Mathe-Tutoriums an der TU Braunschweig in Braunschweig Erstsemestern Mathematik. Foto: Florian Kleinschmidt / BestPixels.de
Mathe-Tutorial Stefan Gelhorn (BestPixels.de)
Volker Bach, Professor für Mathematik an der TU in Braunschweig, erforscht die Wirksamkeit von Online-Angeboten. Die Lernvideos im Netz findet er unterschiedlich gut. Bei den privaten Anbietern gebe es zudem keine Qualitätskontrolle. Und noch etwas gibt er zu bedenken:
"In der Tat reduzieren sich häufig die Antworten auf reine Rezepte, die dargestellt werden, ohne dass man eigentlich eine Begründung erhält, warum das zu bearbeitende Problem jetzt gelöst wird."
Wenig nachhaltig
Sich vor einer Klausur auf die Schnelle das Thema noch einmal kurz anzuschauen, das hält der Mathematikprofessor für wenig nachhaltig. Ganz im Gegensatz zu den meisten Schülerinnen und Schülern, die genau das schätzen:
"Entscheidend sind gute Aufgaben. Und natürlich auch, dass sie bearbeitet werden von den Lernenden. Aufgaben nur vorgerechnet sind auch nutzlos. Man muss selber rangehen, es hat auch keiner Klavierspielen gelernt nur durch Notenlesen", sagt Bach.

Dennoch: Der Markt mit den Mathe-Erklär-Angeboten im Netz boomt. Und viele Schülerinnen und Schüler können sich ein erfolgreiches Schulleben ohne die Online-Helfer gar nicht mehr vorstellen.