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Mattheis: Ergebnisse sind "ausbaufähig"

Die fünf Wirtschaftsweisen kritisieren die Zwischenergebnisse. Auch Hilde Mattheis, Sprecherin der parlamentarischen Linken der SPD, wünscht sich teils klarere Positionierungen - warnt aber vor verfrühten Bewertungen.

Hilde Mattheis im Gespräch mit Gerd Breker | 13.11.2013
    Gerd Breker: Ein Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent erwarten die Wirtschaftsweisen, und damit liegen sie dicht bei den Erwartungen der Bundesregierung. Weit entfernt von Union und SPD allerdings sehen sich die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, wenn sie die Koalitionsverhandlungen im Blick haben. "Rückwärts gewandt", so eine Überschrift. Die großen Probleme, etwa die des demografischen Wandels, sie blieben ungelöst, heißt es.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Hilde Mattheis. Sie ist Sprecherin der parlamentarischen Linken der SPD. Guten Tag, Frau Mattheis.

    Hilde Mattheis: Guten Tag.

    Breker: Schlechte Noten von den Wirtschaftsweisen. Was, Frau Mattheis, ist denn Ihr Urteil über die bisherigen Koalitionsverhandlungen? Sind Sie begeistert?

    Mattheis: Nun gut, vom Endergebnis her kann man eine Schlussbewertung vornehmen. Jetzt gibt es nur Zwischenergebnisse zu bewerten.

    Breker: Und die begeistern sie?

    Mattheis: Die sind natürlich, sage ich mal, ausbaufähig. Ich glaube, dass es uns gelingen muss, dass wir bei dem Mindestlohn eine klare Positionierung hinbekommen, dass wir auch das Thema Steuern nicht aus dem Blick nehmen dürfen - da muss ich natürlich auch erst das Gutachten lesen -, aber das, was ich bisher gehört habe, finde ich nicht so sehr schlüssig, weil wir haben einen Investitionsstau, den uns auch der Herr Asmussen letztens bestätigt hat, von 75 Milliarden, und die kann man sich nicht aus den Rippen schwitzen, sondern da muss man auch ganz klar eine Gegenfinanzierung aufmachen, und da habe ich jetzt aus diesem Gutachterkreis nichts gehört und ich finde, das darf man dann einfach auch nicht politisch so zur Seite schieben.

    Breker: Nur das, Frau Mattheis, was wir in den Koalitionsverhandlungen bislang als Ergebnis erfahren, wo erkennen Sie denn da die SPD wieder?

    Mattheis: Ich sage ja: Wir werden das vom Ergebnis her zu bewerten haben. Das liegt noch nicht vor.

    Breker: Und im Zwischenergebnis?

    Mattheis: Es wird eine Runde geben, wo die drei Parteivorsitzenden den letzten Text miteinander aushandeln werden. Und viele Punkte hat Frau Merkel ja jetzt wieder strittig gestellt, nämlich mit einem "F" wie Finanzierungsvorbehalt versehen. Und dann gilt es zu bewerten, ob wir wirklich so was wie einen Politikwechsel hinbekommen. Und wenn die Wirtschaftsweisen, wenn ich das …

    Breker: Und wie lautet Ihr Urteil, Frau Mattheis? Entschuldigung, wenn ich Sie unterbrechen darf. Das Endergebnis haben wir ja nicht, das können wir nicht bewerten. Was wir bewerten können, ist das Zwischenergebnis, und das ist doch sehr dürftig.

    Mattheis: Ja, ich finde es gut. Was Punkte wie Mietpreisbremse anbelangt, sind das schon Ergebnisse. Ich will das für meine Kolleginnen und Kollegen, die das ausgehandelt haben, schon noch mal betonen, dass das wichtige Punkte sind. Aber, auch da bin ich hartnäckig, muss man wirklich zum Schluss die Bilanz aufmachen, was ist gelungen, was ist nicht gelungen, und muss dann anhand dieser Bilanz eine abschließende Bewertung vornehmen. Allein schon jetzt haben Kolleginnen und Kollegen, auch wir als Gesundheits- und Pflegepolitiker, 50 Milliarden mindestens an Investitionsmitteln, die zur Verfügung gestellt werden müssen in all den Projekten, die wir miteinander bisher ausgehandelt haben, und von daher, finde ich, muss man seriöserweise dann schon das Schlussergebnis bewerten.

    Breker: Am Schluss kommt der große Befreiungsschlag und der ist dann den Parteivorsitzenden vorbehalten?

    Mattheis: Aber das ist gängige Praxis, dass man das natürlich so macht. Unsere Aufgabe in den Arbeitsgruppen ist jetzt im Moment, uns in den bestimmten Politikfeldern zu einigen und das vorzulegen. Dazu gehört dann natürlich auch, die Mittel, die man für die Umsetzung braucht, mit aufzulisten. Dann muss man jetzt das vor dem Hintergrund dieses Berichtes der Wirtschaftsweisen auch noch mal formulieren. Ich glaube, es geht schon um Umverteilung in unserer Gesellschaft. Von allen wird uns gesagt, die Schere der Einkommens- und Vermögensverteilung ist massiv auseinandergegangen, und ich halte es nicht für sehr dienlich, das jetzt im Prinzip zu sagen, dass man in unserer Gesellschaft keinen Bedarf an Verteilungsgerechtigkeit hat, sondern er war noch nie so groß wie heute, der Bedarf einer richtigen und gerechten Verteilung.

    Breker: Frau Mattheis, wenn wir den Bericht der Gutachter, der fünf Weisen jetzt uns anschauen, dann ist ein heftiger Kritikpunkt der Wirtschaftsforschungsinstitute, dass die Koalitionsverhandlungen nicht erkennen lassen, dass SPD und Union in der Lage sind und bereit sind, die Folgen des demografischen Wandels in ihre Politik wirklich aufzunehmen und die Probleme, die daraus entstehen werden, auch zu lösen.

    Mattheis: Das haben wir doch im Blick, wenn es um Altersarmut geht. Wir haben als SPD immer gesagt, dass wir, was die Renten anbelangt, da einen wichtigen Schritt zur Bekämpfung der Altersarmut machen können und müssen. Ich nenne da nur die Begriffe Solidarrente, nenne auch Erwerbsminderungsrente, nenne auch abschlagsfreien Zugang zur Rente nach 45 Jahren. All das sind Punkte, die wir vertreten, und da muss man jetzt die CDU auch locken. Wenn sie sagen, wenn sie das annehmen, was die Wirtschaftsweisen jetzt verkünden, wir müssen die Zukunft demografiefest machen, bedeutet das, mehr in die Pflegeversicherung und Pflege zu investieren, die Kommunen mit Finanzmitteln auszugestalten, dass sie sich sozialräumlich mit einer Planung beschäftigen, die eben demografiefest ist, dass wir, was die Renten, was die Einkommen, weil Einkommen bestimmen die zukünftigen Renten, anbelangt, dass wir uns da auf ein sicheres Terrain mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro begeben. Das ist ja nur die untere Auffanglinie. Alles das trägt dazu bei, dass unsere Gesellschaft keine ist, in der man vor dem älter werden Angst haben muss.

    Breker: Und die junge Generation wird es dann zahlen müssen.

    Mattheis: Na, Stopp!

    Breker: Frau Mattheis, wenn wir uns die bisherigen Verhandlungen ansehen, dann ist eins ganz gewiss: Der große Wurf, der große Aufbruch, eine Große Koalition löst große Probleme, das ist nirgendwo erkennbar.

    Mattheis: Ja! Diese Frage müssen Sie der CDU/CSU stellen. Und wenn Sie sagen, die junge Generation muss es bezahlen – sie wird es bezahlen, wenn wir jetzt nicht auch in Schulen, in Schwimmbäder, in Theater investieren, in Breitband investieren können. Dann wird sie es bezahlen, da gebe ich Ihnen gerne recht. Denn wir leben im Prinzip im Moment von der Substanz. Da, glaube ich, darf man nicht nur die Mehrinvestitionen angucken und bewerten, sondern man muss es im Gesamtzusammenhang bewerten: Was hinterlassen wir der jungen Generation für eine Gesellschaft, auch für Lebensqualität, und da zählen Investitionen dazu.

    Breker: Es geht ja auch um Emotionen bei solchen Verhandlungen. Die große Begeisterung ist nicht erkennbar. Am Ende sollen die SPD-Parteimitglieder darüber entscheiden, ob sie dem Koalitionsvertrag zustimmen oder nicht. Sehen Sie da eine Chance, dass es da eine Mehrheit gibt in Ihrer Partei?

    Mattheis: Erst mal finde ich es sehr, sehr mutig und konsequent, dass wir diesen Schritt machen, und ich habe mich da auch immer für eingesetzt. Gerade aus dem linken Teil der Partei heraus kam ja auch dieses starke Verlangen, das den Mitgliedern zur Letztentscheidung vorzulegen, weil da gilt es auch, die ganze Partei mitzunehmen bei einer solchen Entscheidung. Wie das ausgehen wird, das kann ich nur vermuten, genauso gut wie Sie. Da hat jeder und jede eine Stimme und ich hoffe sehr, dass viele in meiner Partei diese Möglichkeit wahrnehmen. Von daher kann ich das Ergebnis einfach auch noch nicht vorhersehen. Die Glaskugel kann ich nicht befragen.

    Breker: Die Sprecherin der parlamentarischen Linken in der SPD, Hilde Mattheis, war das im Deutschlandfunk. Frau Mattheis, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

    Mattheis: Sehr gerne. Einen schönen Tag.


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